Tanzwissenschaftlerin über Pflanzen: „Mehr als nur Objekte“
Dominika Cohn hat untersucht, was Pflanzen uns zu sagen hätten, wenn sie sprechen könnten. Aus dem Ergebnis hat sie eine Tanzperformance gemacht.
taz: Frau Cohn, wie tanzt man einen Farn?
Dominika Cohn: Es geht nicht darum, den Farn zu tanzen, sondern die Spezifika der Pflanze auf die Bühne zu bringen und in ihrer Unterschiedlichkeit zu performen. Im Fokus steht das Hinterfragen des Zusammenseins von Mensch und Pflanze. Was hätte der Farn uns zu sagen, wenn er sprechen könnte?
taz: Wie findet man das denn heraus?
Cohn: Das ist die große Frage und Kern der Recherche. Da gibt es unterschiedliche Ansätze, sich einer Antwort anzunähern. Die Tänzer*innen haben im ersten Probenblock gegärtnert, der Choreograf hat Interviews, etwa mit einer Schamanen und einem Waldbiologen, geführt und ich habe posthumanistischen Input geliefert.
taz: Was geben die für Antworten?
Cohn: Natürlich haben sie unterschiedliche Herangehensweisen und vor allem eine andere Sprache. Die Schamanin spricht von Energien und Karma, der Biologe bezieht sich auf die Naturwissenschaften. Aber die Schlüsse, die sie ziehen, sind ähnlich.
ist Tanzwissenschaftlerin, Choreografin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Universität Hildesheim. 2010 gründete sie mit Fabian Cohn die YET Company für zeitgenössische Tanzproduktionen.
taz: Und zwar?
Cohn: Es geht weniger darum, Stimmen eins zu eins zu übersetzen. Wir möchten sensibilisieren, dass Pflanzen nicht nur auszubeutende und zu verwertende Objekte sind. Mit der Performance schaffen wir einen zarten, zuweilen auch frappierenden, poetischen Raum, eine fiktive Welt, die die Menschen im Publikum veranlasst, weiterzudenken. Wir sind keine politische Zusammenkunft, aber das Stück lässt sich sehr politisch lesen.
taz: Sind die Tanzenden so etwas wie Dolmetscher*innen?
Cohn: In einem posthumanen Sinne sind sie es; auf eine verkörpernde und spürende Weise. Der Tanz als Ausdrucksform bietet sich für diese Annäherung jenseits des sprachlichen Verstandes an. Aber das Sein der Pflanzen, auch wenn man es als Sprachlichkeit verstehen möchte, driftet sehr weit auseinander. Mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, wollen wir dem Publikum etwas nahebringen.
taz: Liegt das Problem nur beim Menschen oder gibt es auch Probleme zwischen Pflanzen?
Performance „Der Kongress der Pflanzen“: Di, 17. 9., bis Do, 19. 9., 19 Uhr, Braunschweig, Theater Fadenschein; 24. 10. bis 26. 10., 19.30 Uhr, Theaterhaus Hildesheim; 7. 11. bis 9. 11., 19.30 Uhr, Werkraum Göttingen; 14. 11. bis 16. 11., Pavillon Hannover; Infos: yetcompany.com
Cohn: Natürlich gibt es Probleme zwischen Pflanzen. Invasive Pflanzen können sich entweder klimawandelbedingt breitmachen oder wurden eingeschleppt und zerstören andere Arten. Aber fast alle Probleme sind menschlichen Ursprungs.
taz: Hilft es denn, wenn ich am Morgen nach dem Stück auf dem Weg zur Arbeit eine sterbende Pflanze gieße?
Cohn: Ja, vielleicht schon, wir versuchen Hoffnung mitzugeben und nicht das Publikum zu frustrieren. Sicher ist es toll, wenn man sich danach weitreichende Gedanken macht – sich vielleicht sogar mit dem Rechtsstatus der Pflanzen beschäftigt –, aber es wäre ein erster Schritt, wenn man z. B. die Pflanzen auf dem Arbeitsweg ein kleines bisschen mehr wahrnimmt, wertschätzt und vielleicht auch Sorge trägt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels