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Tagung zur biologischen TransformationVoran zur Natur

Biologische Prozesse und Rohstoffe sollen vermehrt in der industriellen Produktion eingesetzt werden. Damit soll der Klimawandel abgemildert werden.

Aus dem Blickwinkel eines Adlers: Noch sind die Alpengipfel mit Schnee bedeckt Foto: ap

Berlin taz | Ist sie nur der „nächste heiße Scheiß“ einer Chemiebranche auf der Suche nach neuen Produkten und Märkten, oder stellt sie Konzepte und Technologien zur Verfügung, um die Megaprobleme Artensterben und Klimawandel in den Griff zu bekommen? Spielt die Biotechnologe mit ihren neuesten Methoden etwa der synthetischen Biologie Gott – oder sollte man ihre Fähigkeiten nicht überschätzen? Und was ist eigentlich die Grenze zwischen Natur und Technik?

Antworten auf diese Fragen suchten unter anderem Ingenieure, Biologen und Chemiker, Informatiker und Philosophen auf einer Tagung, die das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht aus Oberhausen zusammen mit dem Berliner Museum für Naturkunde und dem Zentrum für Medizinische Biotechnologie der Universität Duisburg-Essen kürzlich in Berlin veranstaltet hat.

Vor gut anderthalb Jahren hatte die Fraunhofer-Gesellschaft als einer ihrer „Prioritären Strategischen Initiativen“, unter denen sie ihre 72 Forschungsinstitute zusammenfasst, die „biologische Transformation“ ausgerufen. Dabei geht es darum, biologische und technische Systeme zu verbinden, biologische Prinzipien in der Produktion anzuwenden und biologische Rohstoffe, also etwa Mikroorganismen oder Pflanzen, zu verwenden.

Oder, nach der Definition von Thomas Marzi vom Fraunhofer-Institut Umsicht: „Biologische Transformation ist der Prozess der zunehmenden Nutzung von Materialien, Strukturen und Prozessen der belebten Natur in der Technik mit dem Ziel der nachhaltigen Wertschöpfung“.

Ein Roboter, der riechen kann

Ein Anwendungsbeispiel des Maschinenbau-Professors Thomas Bauernhansel, der die „biologische Transformation“ innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft vorantreibt: Ein Roboter wird mit lebenden Zellen ausgestattet, mit denen er schmecken und riechen kann. Er könnte dann morgens im Bad den Atem seiner Besitzerin checken und Auskunft über ihren Gesundheitszustand geben.

Man kann sich die Werbekampagne fürs überübernächste Weihnachten für das Gerät schon vorstellen. Aber löst dieser Roboter die Klimakrise?

Wenn Techniker, Natur- und Geisteswissenschaftler diskutieren, treffen eben immer noch Welten aufeinander

Denn dies, sagte Reinhard Loske in seinem Einführungsreferat, sei die Leitfrage, an dem sich die biologische Transformation messen lassen müsse. Kann sie einen relevanten Beitrag in den Feldern leisten, in denen die Menschheit die planetaren Grenzen schon überschritten hat?, fragte der Grüne, ehemalige Bremer Umweltsenator und heutige Präsident der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues.

Loske deklinierte die drei Bereiche durch, die derzeit am dringlichsten der Lösung bedürfen: den Verlust der biologischen Vielfalt, den Klimawandel und den außer Kontrolle geratenen Stickstoffkreislauf. Er fragte jeweils, welchen Beitrag die biologische Transformation zur Problemlösung leisten könne.

Muss es die Technik richten?

Das Problem: Letztlich führten, so Loske, derzeit alle Wege zu technischen Ansätzen wie der Biotechnologie. Laut der berühmten „Ipat-Formel“ entstehen Umwelteffekte (I) aus dem Zusammenspiel von der Größe der Weltbevölkerung (P), Lebensstilen und sozialen Praktiken (A) sowie Technologien (T). Die Länder des globalen Südens verweigern häufig Diskussionen über die Begrenzung der Bevölkerung, die reichen Länder des Nordens die über Lebensstile. „Bleibt die Technik“, so Loske.

Damit wollte er sich naturgemäß nicht abfinden und plädierte für einen problemorientierten Ansatz, der die zu lösende Aufgabe in den Mittelpunkt rückt und die Methoden danach ausrichtet. Für Loske gehört dazu selbstverständlich auch eine Diskussion über Lebensstile.

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Von der erwarten der Ingenieur Thomas Bauernhansel und der Chemiker Markus Wolperdinger erkennbar weniger. Sie konzentrieren sich auf das technisch Machbare, auf vegane Burger mit Fleischgeschmack aus Hämoglobin oder ein Wassermanagement, das auf der genauen Erhebung von Boden- und Pflanzendaten beruht.

Während Bauernhansel sich in seinem Referat rhetorisch auf den Klimawandel bezog und die biologische Transformation als Problemlöser anbot – „mit heutigen Produktionsweisen sind die materiellen Ansprüche zukünftiger Generationen nicht möglich“ –, teilt Wolperdinger, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, Loskes Leitfrage nach der Relevanz für die Nachhaltigkeit offenbar grundsätzlich nicht.

Brachliegende Stoffströme

Als das Publikum eines seiner Beispiele – für die chemische Industrie wertvolle Inhaltsstoffe des Buchenholzes, die über Zellstoff und Lignin hinausgehen und bislang kaum genutzt werden – zum Anlass nahm, um über die Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz zu diskutieren und auf bislang brachliegende Stoffströme von Altholz im Abfall hinzuweisen, antwortete er, das sei „doch hier nicht das Thema“. Da erscheint der Hinweis zu den planetaren Grenzen am Anfang dann als Nachhaltigkeits-Chichi, das man sich anhört, bevor es ernst wird.

Wenn Techniker, Natur- und Geisteswissenschaftler diskutieren, treffen eben immer noch Welten aufeinander. Neben dem anwendungsorientierten Vortrag von Bauernhansel/Wolperdinger standen eine ganze Reihe von Referaten, die sich grundlegende Gedanken darüber machten, was Natur eigentlich sei und was sie ausmache.

Beispielsweise diskutierte Marzi die Grenzen von Technik und Natur, in dem er die Entwicklung einer bestimmten Überschalldüse für ein Flugzeug als evolutionären Prozess beschrieb, um dann die „technische Dimension der Biomaschine Kuh“ hervorzuheben. Allerdings käme bei einer Technikentwicklung, die sich evolutionärer Prinzipien bediene, trotzdem „kein Pfau heraus“ mit seinem schwelgenden Federkleid. „Den Zweck in der Technik wird man nicht so recht los“, schlussfolgerte er.

Das war interessant, doch als sich das Publikum in verschiedenen kleinen Diskussionsrunden austauschte, kommentierten Teilnehmende, der Erkenntnisgewinn sei ja schön, aber wozu sei er gut? „Deswegen habe ich noch keinen Dübel in der Wand oder im Labor einen Stoff in einen anderen umgewandelt“.

Hier zeigt sich: Für eingefleischte Mitarbeiter der technik- und anwendungsorientierten Fraunhofer-Gesellschaft ist es immer noch neu, die eigene Arbeit öffentlich infrage zu stellen und vor Publikum zu überlegen, warum sie etwas erforschen und ob dies am Ende des Tages wirklich zum Wohl aller beitragen kann. Eine Selbstbefragung, die den Wert der Tagung ausmacht und eine Fortsetzung verdient.

Grenzen der Transformation

Neben der Frage, was biologische Transformation leisten kann, war die Frage, was sie darf der zweite große Diskursstrang im Berliner Naturkundemuseum. Die Antwort darauf hing auch von dem jeweiligen Begriff von Biologie und biologischen Prozessen ab: So stieß der Wirtschaftswissenschaftler Marco Lehmann-Waffenschmidt von der TU Dresden, der jedem „ergebnis- und verlaufsoffenen Prozess“ das Etikett der „Evolution“ anheften und so Entwicklungen von Unternehmen, Branchen oder Volkswirtschaften erklären wollte, auf deutliche Skepsis.

Biologen wie Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Schmallenberg oder der Bioethiker Hans Werner Ingensiep wehrten sich gegen solche Vereinnahmungen der Biologie. „Biologische Prozesse versuchten immer, sich der mathematischen Beschreibbarkeit zu entziehen“, argumentierte Schäfers.

Und Ingensiep warnte vor inhaltsleeren ­„Plastikbegriffen“. So sei etwa die „Selektion“ kein Naturgesetz, wie die Chemie oder Physik sie suchten, sondern ein weiches Prinzip. Da war er dann ganz bei Loskes Einführungsbeitrag, der gut gelaunt eine ganze Seite „Biobegriffe“ vorführte, von Biolandwirtschaft über Biosprit bis Biobourgeoisie. Mitunter ist eben alles bio – oder auch nichts.

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