Tagung zu syrischen Kulturerbe in Berlin: Gemeinsames gemeinsam bewahren
Die Nachrichten über zerstörtes syrisches Kulturerbe brechen nicht ab. Eine UNESCO-Konferenz will den Aktionsplan Syrien nun erweitern.
„Unsere Augen sind nicht trocken. Wir weinen, wenn die Hängebrücke von Deir ez-Zor zerstört wird“, sagt ein Archäologe aus Nordsyrien. Dass Hilfe für Menschen und Hilfe für Steine sich nicht gegenseitig ausschließen, wie oft behauptet, bringt Staatsministerin Maria Böhmer zum Auftakt der Konferenz auf den Punkt: „Menschen und Steine – das ist kein Gegensatz.“
Drei Tage lang berieten auf Einladung von Auswärtigem Amt und UNESCO mehr als 150 geladene Experten aus 25 Ländern, wie die syrischen und internationalen Aktivitäten zum Schutz und Erhalt des syrischen Kulturerbes effektiv zusammengeführt werden können.
Leitmotiv der von der UNESCO in Berlin einberufenen Tagung ‚Emergency Safeguarding of Syria's Cultural Heritage‘ war der Spirit of Berlin: der international bewunderte Wiederaufbau Berlins nach den Zerstörungen im 2. Weltkrieg.
An diesem Ort komme es darauf an, den syrischen Archäologen, Architekten und Restauratoren zuzuhören und ihnen ein Forum zu geben, um ihre Bedarfe zu formulieren. „Es gilt zu fragen, was ist getan, was ist nicht getan und was muss getan werden“, sagte UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova.
Kompetenzen im Bereich des Kulturerhalts
Als Auftakt der Tagung wurde ein Memorandum of Understanding zwischen UNESCO und ArcHerNet (Archaeological Heritage Network) unterzeichnet. Dieses vom Deutschen Archäologischen Institut begründete, koordinierte und von Außenminister Frank-Walter Steinmeier Ende April eröffnete Expertenetzwerk bündelt bereits ausgeprägte Kompetenzen von deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Bereich des Kulturerhalts, um Synergieeffekte zu erzielen.
Danach stellten Regierungs- und Nichtregierungs-Vertreter ihre unter schwierigsten Bedingungen laufenden, höchst beeindruckenden Aktivitäten zum Schutz und Erhalt des syrischen Erbes vor. „Der Gesamtumfang der Zerstörung ist noch unbekannt“, sagte eine syrische Expertin. Die syrischen Archäologen, Bauforscher und Restauratoren wünschen sich Partner, die verlässlich an ihrer Seite stehen; sie hoffen, in eine neue Phase international-syrischer Zusammenarbeit einzutreten.
Anschießend ging es zwei Tage in thematischen Workshops etwa um Identifizierung und Nutzung des Potenzials lokaler Gemeinschaften, Dokumentation und Archivierung, Schadenskartierung, Einsatz neuer Technologien und Verfahren, Aus- und Fortbildungsbedarfe und Verfeinerung der Planung von Notsicherungsmaßnahmen für Kulturerbestätten.
Digitale Dokumentation der syrischen Kulturstätten
Deutsche Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Deutsche Archäologische Institut wollen sich schwerpunktmäßig in Bereichen digitaler Dokumentation syrischer Kulturstätten engagieren ebenso wie bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Handels mit syrischen Kulturgütern sowie bei der Ausbildung syrischer Museumsfachleute und syrischer Experten für den Wiederaufbau.
Konkret bildet das DAI bereits Steinmetze in Jordanien und Libanon aus. Die Gerda-Henkel-Stiftung finanziert das Forum ‚Unite for Syrian Heritage‘, bei dem sich 20 junge syrische Experten treffen, um ihre Pläne darzustellen. Die junge Generation wird – so die Hoffnung – den Wiederaufbau in Syrien vorantreiben.
Leid und Verlusterfahrung sind unermesslich. Der Weg in die Zukunft muss jetzt gestaltet werden. Das zeigt sich auch in Initiativen wie ‚Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise‘ (DAI). Sie ist Plattform und Rahmen, um syrische Fachleute, Studierende und zukünftige Entscheidungsträger zusammenzubringen und in den Bereichen Architektur, Archäologie, Denkmalpflege, Bauforschung und Stadtplanung sowie im Handwerk in Deutschland, aber auch Ländern der Region aus- und weiterzubilden. Ziel des DAI-Projekts ‚Stunde Null‘ ist, syrische Fachleute dabei zu unterstützen, die Zukunft ihres Landes zu planen und zu gestalten.
Kommunizieren trotz politischer Divergenzen
Tag für Tag erreichen alarmierende Nachrichten über Zerstörungen des kulturellen Erbes die internationale Gemeinschaft. Es ist an der Zeit, den 2014 beschlossenen Aktionsplan Syrien der UNESCO fortzuschreiben und zu erweitern.
Der Erhalt der kulturellen Identität ist Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. Dass an der UNESCO-Konferenz syrische Experten verschiedener Gruppen trotz aller politischen Divergenzen teilnehmen und länder- und generationenübergreifend miteinander kommunizieren, kann von epochaler Bedeutung sein und dazu beitragen, gemeinsame Werte und gemeinsames Erbe zu bewahren.
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