Tag der Deutschen Einheit: Deutschlandfest für Autonome
In Stuttgart nimmt die Polizei eine Gewerkschafterin in Gewahrsam. Sie wollte gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit demonstrieren.
BERLIN taz | Drinnen wurde tapfer „Einheitsbrei“ gekocht, mit Hokaido-Kürbis für die „Volxküche“. Draußen lauerte derweil die Polizei. Zum zentralen Festakt anlässlich des Tags der Deutschen Einheit ging die Polizei am Donnerstagmorgen in Stuttgart mit einer Hausdurchsuchung sowie später mit Personenfeststellungen am linksalternativen Zentrum „Lilo Herrmann“ gegen Demonstranten vor, die am Nachmittag gegen die offiziellen Feierlichkeiten demonstrieren wollten.
Die Stuttgarter Polizei bestätigte der taz, das am Morgen eine Aktivistin in Unterbindungsgewahrsam genommen worden sei. Sie werde voraussichtlich nach Beendigung der angekündigten Gegenproteste am Abend wieder freigelassen. Es sei bei der Person davon auszugehen, „dass sie störende Handlungen plant“, sagte ein Sprecher. Grundlage für die Gewahrsamnahme sei ein Beschluss des Stuttgarter Amtsgerichts. „Wir haben seit Monaten Hinweise darauf, dass linke Gruppen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit stören wollen.“
Beim Unterbindungsgewahrsam handelt es sich um eine umstrittene Maßnahme, weil sie Personen trifft, die sich keiner Straftat schuldig gemacht haben müssen. Grundlage für den Freiheitsentzug ist die Annahme, dass er die Person von einer Straftat abhalten wird.
Laut eines kämpferisch verfassten Beitrags in einem linken Szeneportal soll es sich bei der Frau um eine Jugendsekretärin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Suttgart handeln. Bei der Hausdurchsuchung seien auch technische Geräte und Speichermedien sichergestellt worden. Ein Polizeisprecher wollte das weder bestätigen noch dementieren.
Später umstellten Polizeibeamte dann auch das alternative Zentrum „Lilo Herrmann“, führten Personenkontrollen durch und hielten sogenannte Gefährderansprachen. Aus Protest gegen die Maßnahmen versammelten sich spontan auch Gegner des Bauprojektes „Stuttgart 21“ vor dem Alternativzentrum.
Für den heutigen Tag werden in Stuttgart nach Veranstalterangaben bis zu 400.000 Menschen erwartet, die am Festakt des Landes Baden-Württemberg und des Bundes teilnehmen wollen. Neben Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind auch Kanlzerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck sowie zahlreiche Landes- und Bundesminister in Stuttgart.
Linksautonome Gruppen aus Süddeutschland haben für den Nachmittag zu zwei zeitgleichen Demonstrationen aufgerufen. Zu einer Demonstration mobilisiert ein „antinationales Bündnis“, zur anderen ein „antikapitalistisches Bündnis“. Am Dienstag hatten Unbekannte ein Gebäude der CDU in Stuttgart mit Farbbeuteln beworfen. Im Internet bekannten sich anonyme Verfasser dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland