Tablet-Spiel „Plague Inc.“: Total krank
Wenn der Welthass mal wieder zu groß ist: Einfach alle auslöschen! Eine Anleitung zum Humanozid mit dem digitalen Spiel „Plague Inc.“
Wenn die Erkältungswelle wieder zuschlägt, ist niemand vor ihm sicher – vor dem preußisch veranlagten Kollegen. Der ist krank. Anstatt aber daheim das Bett zu hüten, treibt ihn die Arbeitsmoral an die sprichwörtliche oder tatsächliche Werkbank. Und dann sitzt er neben dir in der Kantine und teilt aus: Das große Gabenfest der Mikroorganismen nimmt seinen Lauf.
Da nützt kein Frühsport, da helfen keine Vitamine; auch die kalte Dusche ist eitel Spielerei. Nach erfolgreicher Ansteckung bleibt nur der Weg in die Apotheke. Mit Tee, Tabletten und Taschentüchern bewehrt geht es in die Heia und dann wird kuriert, dass es nur so eine Art hat.
Das Rumgeliege wird irgendwann langweilig. Zum Glück gibt es ja diesen hübschen Tabletcomputer, der sich ganz handlich auch im Bett verwenden lässt. Darauf sind Programme, die auf elegante Weise die Produktivität steigern sollen, ein Internet hat es auch und mal für zwischendurch so ein bis zwei Spiele.
Da dieses „zwischendurch“ schon öfter aufgetreten ist, sind die ein bis zwei Spiele schon ordentlich durchgenudelt. Da in der Apotheke jedoch als kostenlose Beigabe zum Medikamentencocktail zwei Packungen Taschentücher überreicht wurden, sind die 79 Cent bis anderthalb Euro für eine neue Unterhaltungssoftware noch übrig.
Deutschland geht nicht
Was empfiehlt das Fachmagazin Wired in diesem Fall? In einer rührenden Geschichte über einen App-Entwickler, der mit einem Budget von 5.000 Dollar zum Millionär geworden ist, wird mir sein Spiel „Plague Inc.“ nahe gebracht. Es geht wohl darum, mit Krankheiten die gesamte Menschheit auszurotten. Dieser zynische Dreckskram immer. Gleich mal runtergeladen und angeschaut.
Sieben Stunden später: Der liebste Mensch der ganzen Welt (TM) steht in der Tür und schaut irritiert drein. War ich das grad, der da lautstark den tödlichen Pilzbefall in Australien gefeiert hat? War das wirklich ich, der wütend gegen die kostenfreie Distribution des Heilmittels in der ganzen Welt, auch der sogenannten Dritten welchen, gewettert hat? Ich weiß, das ist total krank, aber: ja.
Ich habe gelernt, das Land für den Ausbruch der Infektion klug auszuwählen. Deutschland mag zwar impulsiv die erste Wahl sein, ist seuchentechnisch aber wegen des hohen Lebensstandards und des permanenten Waschzwangs seiner Bevölkerung, die bei jedem Wehwehchen gleich zum Arzt rennt, völlig ungeeignet. Viele Menschen müssen im idealen Inkubationsraum wohnen, eine vergleichsweise schlechte Gesundheitsversorgung ist von Vorteil, eine gute Verkehrsanbindung unerlässlich – kurz: Indonesien.
„Hier, mach doch mal eitrige Beulen“
Ich habe Grönland und Madagaskar mit ihren rigiden Seuchenschutzprogrammen hassen gelernt. Polizeistaaten! Überhaupt, diese Inseln! Das dauert ewig, bis der Terrorvirus da ankommt. Aber wenn der Erreger erst mal fit gemacht ist für die extremsten Klimazonen und alle möglichen Übertragungswege geöffnet sind (Geduld und sparsamer Einsatz der Ressourcen sind im Ansteckungsgeschäft Schlüsselqualifikationen), dann kommt der kleine Massenmörder endlich zum Zug.
„Nimm das, Westafrika! Ha, schon 20 Millionen Tote in Japan! Schnell, ich brauche eine Mutation, die arbeiten zu schnell am Heilmittel!“ Und dann: „Hier, mach doch mal eitrige Beulen, das klingt gut.“ Der liebste Mensch der ganzen Welt (TM), inzwischen mit viel Empathie dabei, mischt sich ein. Wer wollte dem liebevollen Wunsch nach mehr eitrigen Beulen schon widersprechen?
Als die Killerkrankheit auch Deutschland endlich dahinrafft, stellen wir uns kurz vor, dass es grad alle KollegInnen erwischt hat, außerdem den Innensenator und den Arsch der immer auf dem Fahrradweg vor der Tür parkt. Alle!
Mit nässendem Ausschlag, fleischfressenden Parasiten oder simpler Atemnot wird so ein gutes Stück Psychohygiene betrieben und das ist wichtig, denn an einem gesunden Kopf hängt ja bekanntlich ein gesunder Körper dran. Trotzdem: Immer schön die Hände waschen und auch bei leichter Übelkeit gleich zum Arzt gehen! Und für mich noch ein Aspirin bitte.
Leser*innenkommentare
Mehr Metta
Gast
Ich weiß, das ist total krank, aber: ja.
Eben.
Fukusushi
Gast
Einen schönen lieben Gruss
Vom ollen Pfarrer Malthus.
Bayer-Pharma-Schering singt,
Wenn das Geld im Kasten klingt.
Über- Untermensch egal,
Virus kennt keine Moral.
Andreas H.
Gast
Juhu und wieder ein Abklatsch eines Flash-Games. Mensch, womit sich alles Geld verdienen lässt...
Thomas
Gast
Mensch, jan. Hättste den Artikel halt gelesen. Oder verstanden. Hätte, hätte, Herrntoilette, nichwahr? Trotzdem: Halt die Ohren steif. Kussi.
gerd
Gast
@jan reyberg
kann es sein, dass du nicht im geringsten verstanden hast, was der autor beschreibt. und das spiel kennst du auch nicht....aber schön, dass nun auch dein senf die menschheit bereichert.
Mehr Metta
Gast
Das ist nicht komisch.
Ich vermute, solche Artikel schreiben Leute, denen das Leben noch nicht wirklich wehgetan hat und die sich deshalb für unverwundbar halten.
Wenn dann z.B. der erste Mensch, der einem wirklich nah ist, stirbt, ändert sich das. Dann erkennt man, dass Zynismus etwas Gewalttätiges ist und dass es wichtig ist, in dieser Welt das Mitgefühl zu kultivieren.
Röhrpost
Gast
Wunderschön geschriebener Artikel, mit herrlicher Sprachvernudelung und viel Wortwitz. Danke hierfür!
@jan reyberg: es ist letztlich doch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Außerdem machen gerade Computerspiele dann am meisten Spaß, wenn sie einem erlauben so richtig durch zu drehen und Dinge zu tun, die man so in der Realität nie tun würde / könnte.
Ein vollkommen braves, anständiges Spiel? So "Zeugen-Jehovas"-tauglich? Ich könnte mir nichts Gräßlicheres und Langweiligeres vorstellen.
Es ist eben eine Geschmacksfrage, und hat nichts mit dem eigenen Sozialverhalten zu tun.
Akrat
Gast
Selten war ein Artikel so amüsant :)
Mal im fiktiven den allerbösesten Menschen spielen tut immer gut :D
HamburgerX
Gast
jan reyberg, Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
jan reyberg
Gast
Du scheinst ein etwas unausgeglichenes Verhältnis zu anderen Menschen zu haben, oder? Ich weiß nicht, ob virtuelle Unterstützung von Rachephantasien da helfen. Sei mal nett zu den Leuten und dir und vor allem: Lass die Finger von Ballerspielen.