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TV-Kameras im Gerichtssaal?„Nicht im Namen des Fernsehens“

Angst vor Übertragung: Justizminister Maas will das TV-Kameraverbot an Bundesgerichten lockern. Doch dort formiert sich Widerstand gegen den Plan.

Wohl einer der quotenträchtigsten Prozesse der Geschichte: 1995 stand O.J. Simpson vor Gericht. In Deutschland sollen laut Maas‘ Plänen aber nur die Urteilsverkündungen im Fernsehen laufen Foto: ap

Justizminister Heiko Maas (SPD) will die Fernseh- und Radioübertragung von Urteilen der Bundesgerichte erlauben. Doch alle Bundesgerichte seien dagegen, wie die Präsidentin des Bundesgerichtshofs (BGH), Bettina Limperg, bei einer Veranstaltung der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin erklärte. Seit 1965 sind Bild und Ton-Aufnahmen von Gerichtsverhandlungen in Deutschland generell verboten. Nur Urteile des Bundesverfassungsgerichts dürfen seit 1998 übertragen werden.

Diese restriktive Rechtslage will der Justizminister lockern. So sollen Urteile der fünf Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht) künftig für Radio- und Fernsehaufnahmen zugänglich sein. Sein Gesetzentwurf ist derzeit in der Ressortabstimmung.

Am stärksten betroffen wäre der BGH mit jährlich mehr als 600 mündlich verkündeten Zivil- und rund 150 Strafurteilen. Die ablehnende Haltung der Bundesgerichte sei aber einmütig, sagt Limperg. Es habe auch schon einen gemeinsamen Brief an Maas gegeben.

Limpergs Sorge ist der „Missbrauch“ der Bilder. Wenn sich ein Richter verhaspele oder verspreche, dann könnte das in Satireshows oder auf YouTube landen. „So etwas gefährdet das Ansehen der ganzen Justiz“, glaubt sie. ARD-Rechtskorrespondent Frank Bräutigam erinnerte Limperg daran, dass Urteile „im Namen des Volkes“ gesprochen werden. „Aber nicht im Namen des Fernsehens“, entgegnete die BGH-Präsidentin. Limperg befürchtet, dass die Übertragung von Urteilen der Bundesgerichte lediglich als Einstieg dient.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Forderung nach einer weiteren Öffnung der Justiz für Kameras kommt.“ Die Vernehmung von Zeugen und Angeklagten im Strafprozess sei hierfür jedoch völlig ungeeignet, dies gefährde die Wahrheitsfindung und verletze Persönlichkeitsrechte.

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8 Kommentare

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  • Die Argumention "[...]dann könnte das in Satireshows oder auf YouTube landen" verstößt gegen Presse- und Meinungsfreiheit.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die deutsche Justiz macht sich nicht lächerlich durch einen Versprecher bei der Urteilsverkündung. Sehr viel eher jedoch durch weltfremde Urteile, jahrelange Prozessverzögerung und schlampiges Arbeiten.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Dadurch macht die Dritte Gewalt sich Nicht lächerlich, sondern verfehlt via Ihrer Richter seinen Verfassungsauftrag, Verkürzt die Rechte betroffener Bürger

      Und ja - schädigt seinen Ruf.

      Neben den schon genannten - ihren Verfassungsauftrag sichernden

      Veränderungen -

      (Das Gerichtsverfassungsgesetz stammt Von 1877 - noch Fragen¿!)

      Wären fähige Journalisten gefragt -

      Die ihrer Kontrollfunktion - 4.Gewalt¿!

      Genügen würden.

      Wo aber laufen sie denn?

      Das ist von gelegentlichen;)

      Ausnahmen abgesehen - sach ich mal -

      Mit ca 40 Jährchen berufsaffiner

      Beobachtung - mit Verlaub -

      Schlicht - Nicht der Fall!

      Der Eingangsjob - Gerichtsreporter -

      Existiert all lang nicht mehr.

      Regelmäßig fehlen die fachlich-sachlichen Vorraussetzungen.

      Die Ergebnisse sind - sorry -

      Dementsprechend - & gern wird

      Mangels masse ins - sorry -

      Feature negligable ausgewichen.

      Oder - "unser Mann in Karlsruhe -

      Die ARD-Grinsebacke" -

      In inhaltsfreie Apologetik - gemacht!

      Daß Justiz ihrerseits traditionell immer noch den Hang zur Öffentlichkeitsscheu hat - stimmt.

      Andererseits liest niemand gern im

      Anschluß an Pressegespräche -

      Hanebüchenen Stuß! Doch Doch!

      So in etwa.

  • Gerichte gehören nicht ins TV.

    .

    Wenn die "Bewegtbilder" brauchen im ihren Text zu unterlegen sollen die auf Außenaufnahmen oder den üblichen "Aufsager" zurückgreifen.

    ,

    Schon die Mündliche Urteilsverkündung ist meist inhaltslos. Ein Urteil wird nur mit der schriftlichen Begründung nachvollziehbar. Also was sollen "Bilder" für einen 10-15 Sek. Nachrichtentext!

    .

    Öffentlichkeit aka Journalisten müssen ein "Urteil" erklären, wenn sie das nicht schriftlich oder mündlich können, sollten sie vielleicht den Job oder den Reportagegegenstand wechseln:-((

    .

    Meint

    Sikasuu

  • "Mensch - daß es so einer wie

    Fischer im Recht es bis in den

    BGH geschafft hat!"

    Ein exVGH-Kollege.

    Da liegt die Latte!!

    Wer "Im Namen des Volkes" - &

    Öffentliche Kontrolle in echt - Will¿!!

    Muß & Kann -;) bei u.a. ~>

    Auswahl Besetzung etc Ansetzen - &!

    Den JuMi in der heutigen Form

    Abschaffen!! - Ja - Zugunsten eines

    Conseil de Justiz - nach den

    Vorbildern - Italien Spanien Portugal

    Einen Rat der Justiz - um Obiges -

    Aus den Kaupel-Hinterzimmern

    Der wenigen ParteibonzInnen;((

    Zu Zerren - & Obiges

    Öffentlich & Transparent - &

    In Echtzeit - Zu Machen!!

     

    Fernie etc - Vergeßt es!

    Neben den Argumenten @PLUTO -

    Unterschätzt das Narziss-Potential

    Aller Beteiligten nicht!

    Fritz Teufel hat immer noch recht -

    "Wenns denn der Wahrheitsfindung

    dient!"

    Das sicher auch nicht!;-D

    So geht das.

  • Das ist jetzt natürlich nur ein Gedankengang ohne den geringsten Wahrheitsgehalt. Könnte es sein, dass Herr Maas sich für einen besseren, lukrativen Job warmläuft?

  • PR-Gag oder wirksames Kontrollinstrument?

     

    Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass wesentliche Ereignisse vor Gericht zu Protokoll gegeben werden müssen. Im Allgemeinen wird jedoch kein wortgetreues Protokoll erstellt, sondern z.B. vom vorsitzenden Richter in ein Aufnahmegerät diktiert. Das Protokoll hat Beweiskraft innerhalb der Verhandlung, denn nur was im Protokoll steht, hat auch stattgefunden. Dadurch wird der Willkür Tür und Tor geöffnet, unpräzise oder unvollständige Protokolle bewirken im Endeffekt eine Unterschlagung von Beweismitteln.

     

    Elektronische Aufzeichnungen können diesen nicht unwesentlichen Makel der deutschen Gerichtsbarkeit entfernen. Dieser Aspekt ist sicherlich wichtiger als eine "Öffnung" der Gerichte für die Öffentlichkeit.

    • 2G
      27741 (Profil gelöscht)
      @sTTefan:

      Was ist denn mit den anderen Anwesenden im Gerichtssaal. Rechtsanwälte, Zuschauer und Reporter, sind die alle blind, taub und stumm. Wenn die Fernsehanstalten wieder mal was neues neben Krimis, Kochshows und Ratespielen brauchen, sollen sie ihre Phantasie anstrengen. Ich fürchte auch, dass später eine Ausweitung geplant ist.Amerika lässt grüßen. Und denen haben wir schon das scheiß werbefinanzierte Fernsehen zu verdanken.

      PS: Mit ihrem Argument könnte man auch das Filmen von Unfällen durch Gaffer salonfähig machen, weil da ja was drauf sein könnte was später gerichtsrelevant sein könnte.