TV-Fauxpas im ZDF: Der nette Nachbar Gauland
Am Tag der Deutschen Einheit sitzt AfD-Spitzenmann Alexander Gauland bei Markus Lanz? Rechtspopulisten gehören nicht ins Wohlfühlfernsehen.
Was tun, wenn sich sowohl die Taktik der versuchten Eindämmung der Rechtsradikalen durch Ignorieren als auch die Praxis, jeden rassistischen Rülpser auf allen Kanälen mit lautem Echo nachhallen zu lassen als falsch erwiesen hat? Das probateste Mittel im Umgang mit Rechtspopulisten ist die Auseinandersetzung im doppelten Sinn: Zum einen die harte Konfrontation in Sachfragen – um mit guten Argumenten klar zu machen, dass Ressentiments nie auch nur ein einziges Problem lösen können. Zum anderen ein wortwörtliches Auseinander-Setzen – um zu verhindern, dass rassistische und revisionistische Positionen in den Salons der Republik fortan einen stinknormalen Diskussionsgegenstand bilden. Das ZDF hat in dieser Hinsicht im deutschen Herbst 2017 einen kapitalen Fehler begangen.
Am Tag der Wiedervereinigung, der Einheit also, lud Talkmaster Markus Lanz mit Alexander Gauland einen Mann in seine Sendung, der vehement an einer Spaltung der Gesellschaft arbeitet; der zudem ein ausgewiesener Rassist ist; der dazu anhält, stolz auf die Leistungen der deutschen Soldaten in beiden Weltkriegen zu sein.
Nicht dass es grundsätzlich falsch wäre, Mitglieder der falschen Alternative an die Polit-Talk-Tische des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu setzen. Ignorieren und Aussitzen ist ja eben keine Lösung. Es ist aber ein großer Unterschied, ob die Gaulands und Co. bei Anne Will von einer energischen Katja Kipping und einer besonnenen Katharina Barley gestellt werden, oder ob sie mit dem freundlichen Markus Lanz und dem witzelnden Atze Schröder in gemütlicher Runde beisammensitzen.
Markus Lanz betreibt keine dezidierte Politsendung, in der sich Kontrahenten rhetorisch, und zuweilen auch mit echten Argumenten, im Hinblick auf politische Inhalte messen. Bei Lanz werden Menschen als Ganze portraitiert. Von Wagenknecht bis Bosbach – wer auch immer in Lanz’ Sendung sitzt, wird nicht bloß politisch befragt, sondern kann sich allein durch den Charakter des Late-Night-Formats als Privatperson mit menschlichem Antlitz profilieren. Nun ist – auch wenn man die Ansichten der beiden politisch falsch finden mag – nichts dagegen einzuwenden, wenn es bei Wagenknecht und Bosbach mal ein klein wenig menschelt. Sollen demokratische Politiker aller Couleur doch ihr persönliches Profil aufhübschen, wenn sie sich davon irgendeinen Nutzen versprechen.
Stolz auf den Vernichtungskrieg?
Einem Rassisten und Geschichtsklitterer aber ein Podium zu stellen, auf dem er sich als nachdenklich, harmlos und humorvoll inszenieren kann, ist ein journalistischer Fauxpas erster Güteklasse. Alexander Gauland ist schon lange im Politbetrieb, er ist ein abgeklärter Medienprofi, der genau kalkuliert, was er wann und wo von sich gibt, auf welcher Bühne er welche Seite seines janusköpfigen Gesichts präsentiert, wann es sich empfiehlt, eine rote Linie zu passieren und wann es geboten ist, halbherzig zu dementieren.
Der eifrige Markus Lanz war dem – auch wenn er sich redlich bemüht hat – schlicht nicht gewachsen und wurde von dem derzeitigen AfD-Führer mehrfach gnadenlos ausgehebelt. So war es Gauland ein leichtes, Lanz freundlich entgegenzukommen, als dieser ihn fragte, ob er als Südtiroler mit seinem italienischen Pass für die AfD zum deutschen Volk gehöre. Da AfDler ihren Deutschlandbegriff je nach Bedarf entweder völkisch oder kulturell definieren, konnte Gauland dem überforderten Lanz mühelos das Zugeständnis machen, ein guter Europäer und seinetwegen auch ein ordentlicher Deutscher zu sein.
Lanz betonte zwar, dass ihm der aggressive Sound missfalle, in der die AfD ihren Wahlkampf geführt habe, äußerte aber auch Verständnis für die Sorgen und Ängste, und dass man das natürlich diskutieren müsse – ohne darauf hinzuweisen, dass das AfD-Programm auf die Wirren der Globalisierung nicht im Mindesten eine Antwort liefert.
Anstatt ihn zu fragen, inwiefern es opportun sei, auf die Leistungen der Wehrmachtssoldaten – somit den Vernichtungskrieg und den Massenmord im sogenannten Russlandfeldzug – stolz zu sein, und ob sich ein solches Statement für einen Bundestagsabgeordneten zieme, sollte sich Gauland zur Beschäftigung von Strategen der Donald-Trump-Kampagne im AfD-Wahlkampf äußern.
Die Maxime der Medien
Statt den Politiker also an seinen eigenen geschichtsvergessenen Aussagen zu messen, versuchte Lanz, ihn über Bande (die Trump-Karte) unmöglich zu machen. Klar, Trump ist Trumpf, Trump geht immer, mit Trump muss man den anderen doch bloßstellen können. Wiederum war es jedoch kein Problem für Gauland, zu versichern, von der unappetitlichen Wahlkampfrhetorik seines Kampa-Teams im Netz nichts gewusst und später heftig dagegen protestiert zu haben.
Zum Schluss dankte Markus Lanz dann Alexander Gauland für sein Kommen, und dafür, sich den schwierigen Fragen so tapfer gestellt zu haben. Weiter erklärte er, dass er sich freue, ihn als Gast gehabt zu haben und wünschte eine gute Oppositionsarbeit – „nur ein bisschen konstruktiver und weniger rückwärtsgewandt“.
Diese Art der Lanz’schen Versöhnlichkeit, das Hybride aus Zote und Ernsthaftigkeit, sowie das schlichte „Zusammensetzen“ eines deutschen Komikers wie Atze Schröder mit einem Rechtspopulisten wie Alexander Gauland, mit einem lachenden und klatschenden Publikum im Rücken, leistet einer Normalisierung Vorschub, die Demokraten unmöglich wollen können.
So kann bei manchen der Eindruck entstehen, der alte Mann mit dem kotzefarbenden Sakko und der Hundekrawatte sei ein mit seinen Ansichten zwar etwas kauziger, aber letztlich doch ganz netter, auf keinen Fall aber gefährlicher Nachbar von nebenan. Dass dieser Mann sehr fragwürdige ideologische Verbindungslinien in die deutsche Vergangenheit zieht, wird zur belächelten Nebensache. Die Maxime jedes anständigen Medienschaffenden aber sollte sein: Mit Rechtspopulisten setzt man sich nicht zusammen, es sei denn eben zur harten Auseinandersetzung. Unter Garantie aber gehören sie nicht ins deutsche Wohlfühlfernsehen.
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