TTIP-Verhandlungen in New York: Einigung nicht in Sicht
Europaabgeordnete warnen vor Abkürzungen und anderen Tricks: Die 13. TTIP-Verhandlungsrunde in New York hat begonnen.
Ihre Antwort klang gequält. Denn das „Buy American“-Label ist ein Knackpunkt bei den Verhandlungen über das TTIP-Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Bei der 13. Verhandlungsrunde, die am Montag in New York begann, könnte es deshalb zum Eklat kommen.
Den Mitgliedern der Verhandlungskommission aus der EU ist die Abschottung öffentlicher Beschaffungsmärkte in den USA ein Dorn im Auge. Sie wollen nicht hinnehmen, dass US-Bundesstaaten nur Autos, Straßenbahnen oder Züge „made in America“ bestellen. Zumindest Ausschreibungen auf der US-Bundesebene könnten für europäische Firmen geöffnet werden, heißt es in Brüssel. Die USA müssten ihr Angebot nachbessern, fordert Handelskommissarin Cecilia Malmström.
Die Amerikaner wollen jedoch stur bleiben. Schließlich sei der europäische Markt auch nicht so offen, wie die EU immer behauptet: US-Firmen hätten gerade einmal Zugang zu jeder zweiten EU-weiten Ausschreibung, heißt es. Der Streit um „Buy America“ zeigt, wie Amerikaner und Europäer aneinander vorbeireden. Dabei ist es nicht der einzige Knackpunkt. Auch bei den Schutzstandards für Umwelt, Arbeit und Gesundheit geht es kaum voran.
„Die Verbraucherschutz-Standards werden nach unten angeglichen werden“, warnt Lori Wallach von Public Citizen in den USA, der nach eigenen Angaben größten Verbraucherorganisation der Welt. „Das kann alles Mögliche betreffen, was derzeit in Europa besser geregelt ist. Denn einer der Tricks ist es, in den Vereinbarungen vage zu bleiben.“
Die EU-Kommission drückt aufs Tempo
Der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer teilt diese Sorge. In den letzten Entwürfen gehe es „leider darum, Standards zu untergraben“, sagte er der taz. Eine schnelle Einigung könne es nur geben, „wenn die europäische Seite in wesentlichen Fragen schmucklos einknickt – und das wäre nicht akzeptabel.“
Dabei machen Obama und Merkel Druck: Trotz massiver Proteste – am Samstag gingen in Hannover mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße – wollen sie die Verhandlungen noch in diesem Jahr abschließen. Die EU drängt sogar auf eine Einigung noch vor der Sommerpause. Denn danach, so die Sorge in Brüssel, wird Obama zur „Lame Duck“. Der Präsidentschaftswahlkampf könnte auch kleinste Zugeständnisse erschweren, zumal auch in den USA die TTIP-Kritiker Zulauf bekommen.
Lori Wallach, Public Citizen
Die EU-Kommission drückt deshalb aufs Tempo. Sie möchte bis Ende Juni einen „konsolidierten“, also fertig abgestimmten Text vorlegen. Doch das Europaparlament, das dem Abkommen zustimmen muss, tritt auf die Bremse.
Es sei praktisch ausgeschlossen, dass TTIP bis zum Sommer ausverhandelt wird, sagt der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). Die Amerikaner hätten erst zu 14 der 24 Verhandlungskapitel Vorschläge gemacht, kritisiert er. Sensible Fragen wie Dienstleistungen, Arbeitnehmerrechte, Investorenschutz, Anerkennung geografischer Herkunftsbezeichnungen und vieles mehr seien überhaupt noch nicht richtig angepackt worden, so Lange.
„Informelle Absprache“?
Keinerlei Einigung zeichnet sich zudem im Streit über den Schutz für Investitionen ab. Die EU hat zwar vorgeschlagen, die bisher üblichen privaten Schiedsgerichte (ISDS) durch ein neues öffentliches Handelsgericht zu ersetzen. Doch die USA sind auf diese Idee nicht gut zu sprechen.
„Die Amerikaner müssen sich noch in sehr vielen Bereichen bewegen“, sagt auch der CDU-Handelsexperte Daniel Caspary. Er wünscht sich zwar einen Abschluss noch in diesem Jahr. „Es gilt aber auch: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“
Ohne das grüne Licht aus Straßburg kann TTIP nicht in Kraft treten. Allerdings hört man im Europaparlament auch die Sorge, dass Obama und Merkel versuchen könnten, ein „TTIP light“ auszuhandeln und das Abkommen vorzeitig in Kraft zu setzen – also die vorgesehenen EU-Verfahren auszuhebeln.
Eine „informelle Absprache“ sei immer noch möglich, warnt Bütikofer. Doch da werde das Europaparlament nicht mitspielen, ergänzt Lange: „TTIP light oder so etwas – das machen wir nicht mit, da gibt es die rote Karte.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!