TROTZ BIN-LADEN-VIDEO: DIE USA MÜSSEN ALLE ERKENNTNISSE OFFEN LEGEN: Ein Indiz mehr, kein Beweis
Ist jetzt alles klar, der Täter überführt? Es kommt darauf an – zum Beispiel darauf, von wo aus man schaut. In Deutschland ist die Frage, über welche Beweise die USA verfügen, seit Bin Ladens erstem Videoauftritt am 7. Oktober versickert. In jenem Video übernahm Bin Laden in raffinierter Selbstinszenierung als mönchischer, sanfter Kämpfer die Rolle, die ihm der Westen zugeschrieben hatte: als Kopf des islamistischen Terrors gegen die USA.
In islamischen Ländern, in denen man den USA viel Übles zutraut, war man von Bin Ladens Schuld weit weniger überzeugt – zumal die USA ihre Beweise nicht veröffentlichten. Ist die Glaubwürdigkeitslücke nun ein für alle Mal geschlossen?
Lassen wir die reflexhafte Verdachtsrhetorik einmal beiseite, dass dieses Video eine tückische Fälschung der CIA sein könnte. Dafür spricht nichts außer dem Wunsch, dass es so sein soll. Fragen wir uns, welchen Aussagewert dieses Video hat. Es ist ein wichtiges Indiz, das den Verdacht erhärtet, dass Bin Laden an der Planung des Terrors vom 11. September zentral beteiligt war – nicht mehr, nicht weniger. Ein juristisch wasserdichter Beweis, ein finales Dokument, das alle Fragen beantwortet, ist es nicht.
Wir sehen Bin Laden, der sich lächelnd rühmt, den Massenmord geplant zu haben. Wir sehen jemand, der Fakten berichtet, die alle Welt kennt. Das Arkanwissen, das er preisgibt – dass viele der Attentäter nichts Genaues über die Aktion wussten –, kann niemand überprüfen. Kurzum: Können wir völlig ausschließen, dass dieser Bin Laden ein elender Angeber ist, der großtun will? Ein bösartiger Aufschneider, der mit Wonne die Rolle übernimmt, die ihm die USA zugewiesen haben?
Natürlich ist diese Version sehr, sehr unwahrscheinlich. Doch dass sie möglich sein könnte, dementiert das selbstgefällige, triumphale Gerede vom „endgültigen Beweis“. Deshalb gilt nach wie vor, dass die USA endlich alle Indizien vorlegen müssen. Wenn dabei geheime Quellen gefährdet werden, gilt es, diese zu schützen. Nur wenn das klandestine Gehabe aufhört, können die mannigfachen Verschwörungstheorien widerlegt werden. Und das müsste eigentlich im ureigenen Interesse der USA liegen. STEFAN REINECKE
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