piwik no script img

THW-Trainer über das Final Four von Köln„Enormen Willen gezeigt“

Der Plan von Filip Jicha, den THW zurück in die Erfolgsspur zu bringen, geht auf. Erst Meisterschaft, nun gewann er auch noch die Champions-League.

Frisch gebackener Champions League-Sieger: THW-Trainer Filip Jicha Foto: Marius Becker/dpa
Alina Götz
Interview von Alina Götz

taz: Filip Jicha, Ihr Sieg in der Handball-Champions-League ist nun zwei Wochen her. Können Sie es inzwischen glauben?

Filip Jicha: Ja, inzwischen habe ich es realisiert. Aber es brauchte ein paar Tage. Jetzt sind die Batterien wieder aufgeladen und ich freue mich riesig, die Mannschaft wieder zu sehen und weiterzuarbeiten. Die Jungs haben Geschichte geschrieben, ich bin extrem stolz.

Das Champions-League-Halbfinale gegen Veszprem war eines der besten Spiele, was Sie als Trainer oder Spieler je erlebt haben, sagten Sie danach. Warum?

Die Qualität war enorm. Was wir gezeigt haben, war sehr außergewöhnlich. Wir haben uns das ganze Spiel über nicht aus der Bahn bringen lassen. Auch in der zweiten Halbzeit, als wir wegen der Schiedsrichter unglaublich unter Strom standen.

Waren Sie nach dem Spiel sauer auf die Schiris? Einige Entscheidungen waren umstritten oder falsch.

Ich weiß, dass sie keinen leichten Job haben und ich respektiere das voll. Aber zu diesem Top-Ereignis im Vereinshandball hätte ich mir eine Ansetzung von anderer Qualität gewünscht.

Für das Finale gegen Barcelona wollten Sie sich dann was einfallen lassen, so kündigten Sie es an. Was war das genau? Geklappt hat es ja.

Das Allererste war, das haben wir uns schon vor dem Final Four versprochen, dass wir nie aufgeben werden. Bis dato hat Barca fast eineinhalb Jahre international nicht verloren. Aber im Final Four ist alles anders. Das wollten wir nutzen, auch wenn wir eine Verlängerung in den Knochen und kaum Wechselmöglichkeiten hatten. Aber die Jungs haben enormen Willen gezeigt und Barcelona schnell in eine unangenehme Situation gebracht. Das wollten wir, denn die sind keine ausgeglichenen Spiele gewöhnt. Gegen die offensive Abwehr haben wir auch gut mit dem siebten Feldspieler agiert und dadurch erfolgreiche Abschlüsse bekommen.

War es trotzdem ein Vorteil für Sie, dass Sie Barcelona gut kennen?

Definitiv. Aber auch ein Nachteil: Es war sehr emotional. Insgesamt für mich aber ein absolutes Traumfinale.

Nach dem Sieg mussten Sie sich direkt in die WM-Pause verabschieden. Wie nötig ist diese, angesichts der extremen Belastung in der Saison?

Ich kann das aus zwei Perspektiven betrachten. Zum einen aus meiner Trainersicht: Es ist eine unglaubliche Arbeit, wenn man jeden dritten Tag spielt und die Mannschaft so vorbereiten möchte, wie man überzeugt ist, dass es erfolgreich ist. Es ist wirklich unmenschlich, das in diesem Rhythmus weiterzumachen. Ich muss mich ständig fragen: Wie sorge ich für Erfolg, aber wie schütze ich meine Jungs auch vor Verletzungen? Ein schmaler Grat. Wir machen viel prophylaktisches Training. Aber daneben braucht man auch Reize, um als Sportler gut zu sein. Aber so ist es unmöglich, diese Reize zu trainieren. Dementsprechend haben die Jungs diese nur im Spiel und das reicht nicht.

Und aus Perspektive der Spieler?

Die Spieler sind mental total überspielt und haben auch keine Lust mehr, ihren Körper diesen extremen Belastungen auszusetzen. Physische Müdigkeit kennen sie, aber der psychische Druck ist schlimm. Über vier Wochen geht das vielleicht, nicht über zwei Monate. Entweder verletzt man sich oder baut enorm an Qualität ab.

Haben Sie eine Idee, wie man die Saison anders hätte gestalten können?

Momentan sind wir als Gesellschaft in einer einzigartigen Situation. Vieles erleben wir zum ersten Mal. Deswegen brauchen wir weniger Kritiker und mehr Zusammenhalt. Wenn das vorbei ist, können wir gucken, was wir hätten besser machen sollen. Vielleicht bezahlen wir dafür, mit schweren Verletzungen oder Burnouts. Aber momentan gilt es, das zusammen zu meistern. Denn viele sind auch am Rande ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten und brauchen die Spiele.

Im Interview: Filip Jicha

38, ehemaliger tschechischer Nationalspieler und seit 2019 Trainer des THW Kiel. Mit dem THW wurde er als Spieler siebenmal Meister, je fünfmal Pokal- und Supercup-Sieger sowie zweimaliger Champions League-Sieger. Mit Barcelona gewann er je zweimal Meisterschaft und Pokal.

Einige Ihrer Spieler fahren nun zur WM. Andere nicht, darunter die Kieler Pekeler, Wiencek und Weinhold, die mit ausschlaggebend für den Champions League-Sieg waren. Sind Sie froh, dass die drei zu Hause bleiben?

Ich freue mich für jeden, der sein Land repräsentiert. Aber ich freue mich auch für jeden, der die Entscheidung trifft: Das ist mir zu riskant. Davor habe ich Respekt. Viele von uns sind Familienväter und es gibt nichts Wichtigeres als das Wohl der Familie. Ich freue mich auch für die, die jetzt ihren Körper regenerieren und den Kopf abschalten können, bevor wir wieder sieben Monate am Stück in diesem Wahnsinns-Rhythmus sind.

Wie schätzen Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft nun ein?

Deutschland hat auch ohne die drei genug Qualität. Ob das gegen alle Top-Mannschaften reichen wird, weiß ich nicht. Eine Medaille sollte man als Ziel nicht formulieren. Aber vielleicht ist es auch ein Vorteil, dass da jetzt viele Spieler dabei sind, die ihre Chance nutzen wollen.

Auch die tschechische Mannschaft, für die Sie lange spielten, ist angeschlagen. Der Trainer und viele Spieler haben sich mit Corona infiziert.

Da ist eingetreten, was man nicht will: eine Infektionskette, die innerhalb der Mannschaft läuft. Das zu unterbinden, ist nun das Allerwichtigste. Da kann man nicht über sportliche Leistung bei der WM sprechen.

Finden Sie es sinnvoll, dass die WM stattfindet? Oder anders gefragt: Würden Sie hinfahren, wenn Sie noch Spieler wären?

Nein, würde ich nicht. Aber eine WM ist wichtig für unseren Sport. Unter normalen Umständen wäre ein Turnier in Ägypten eine Riesensache. Aber in der jetzigen Pandemie-Situation würde ich mir schon wünschen, dass die WM um ein Jahr verschoben wird.

Sie sind der erste Handballer, der die Champions League sowohl als Spieler als auch als Trainer mit einem einzigen Verein gewonnen hat. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist nett. Aber die Erfolge als Spieler sind viel bedeutender für Außenstehende wie Medien und Fans. Mir war immer das Gefühl wichtig, mich mit den besten messen zu können. Und jetzt als Trainer habe ich die Verantwortung für den Verein; dass wir dem Kieler Publikum wieder die Mannschaft präsentieren, die sie kennen. Das ist keine leichte Aufgabe. Die Erfolge bedeuten nun für mich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dafür lohnt sich das Leid dann.

Welche Hoffnungen haben Sie für die aktuelle Champions-League-Saison? In der Gruppe liegen Sie nur auf Rang fünf.

Bis auf die erste Niederlage gegen Nantes zu Hause war es okay. Die Niederlagen gegen Barca und Veszprem gingen in Ordnung, die waren an diesen Tagen stärker. Aber unser Ziel ist immer, die Möglichkeiten zu kreieren, etwas zu gewinnen. Dafür verwende ich meine Energie, meine Erfahrung. Sollte ich mal keine Energie mehr dafür haben und nachlassen, wäre das der Anfang vom Ende.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Offenbar sind Sportler alle immun gegen Corona, denn sie tragen meist keine Masken, machen Shake Hands - ey Alter....



    Bei internationalen Treffen stellt sich dann heraus, dass ein größerer Prozentsatz infiziert ist. Was für eine Überraschung.



    Aber die Sportmaschine muss weiterlaufen, egal was es kostet. Die Menschen wurden süchtig gemacht.



    Eine Woche ohne Fußball im Fernsehen bewirkt wahrscheinlich Massenselbstmord. Deshalb kramt man uralte Aufzeichnungen raus - Hauptsache da rollt was Rundes über den Rasen. Das ist krank, sehr krank!



    Torwandschießen - etwas für 6-jährige!