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TAZ-SERIE "SO WIRD 2012" (TEIL 4)"Letztlich ist Astrologie eine Fiktion"

Die Finanzkrise wird uns noch einige Jahre beschäftigen. Das hat der Astrologe Markus Jehle aus den Planetenkonstellationen gelesen. Grundsätzlich glaubt er aber nicht an Astrologie.

Ob diese Sterne wohl zu deuten sind? Das neue Jahr wird's zeigen. Bild: dpa
Interview von Manuela Heim

taz: Herr Jehle, war Klaus Wowereit schon mal zum Astro-Coaching bei Ihnen?

Markus Jehle: Nein.

Sollte er mal kommen? Früher hatte schließlich jeder König seinen Hausastrologen.

Er muss die politischen Entscheidungen selbst fällen und verantworten. Ich würde ihm keine Ratschläge erteilen. Aber für einen interessanten philosophisch-erkenntnistheoretischen Diskurs über die Entwicklung Berlins und die Rolle des Regierenden wäre ich schon zu haben. Denn was mich stört, ist die Kurzatmigkeit der Politik. Da könnte eine astrologische Betrachtung zu fundierteren, besonneneren Entscheidungen führen.

Die würden eh nichts nützen, falls am 21. Dezember alles den Bach runtergeht. Kommt er nun, der Weltuntergang?

Ich sag mal so: Wir leben in Zeiten tief greifender Umbrüche und Veränderungen. Wir Astrologen lesen das daran ab, dass sich gegenwärtig Pluto im Quadrat zu Uranus befindet. Das letzte Mal gab es eine Uranus-Pluto-Konstellation in den 1960er Jahren, als auch starke Umwälzungen stattfanden. Denken Sie an die Befreiung der Schwarzen, die 68er Revolution. Und als sich Pluto das vorletzte Mal im Steinbock befand, hat Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür genagelt. Sie sehen, wir Astrologen denken in Zyklen. Von daher bin ich auch völlig entspannt, weil ich weiß, die Zyklen gehen noch weiter.

Und woher wissen Sie das?

Die Astrologie bezieht sich auf Planetenzyklen, und die kann ich auch für die Zukunft berechnen. Daher ist eh klar, dass die gegenwärtige Krise ein Prozess ist, der über den Dezember 2012 hinausgeht.

Wir gehen also nicht unter, aber es wird uns schlecht gehen?

Die einen bauen Schutzmauern und die anderen setzen Segel. Für Menschen, die Angst haben, dass sich etwas ändert, sind solche Zeiten natürlich bedrohlicher.

Warum sind Sie denn besser auf die Umbrüche vorbereitet als jemand, der sich nicht mit Astrologie beschäftigt?

Es wäre anmaßend, das zu behaupten. Aber die Astrologie hilft, den Dingen, die geschehen, Bedeutung zu verleihen. Zu verstehen, worum es dabei geht.

Kommen in der Krise mehr Menschen zu Ihnen, um sich beraten zu lassen?

Es kommen andere Menschen. Dadurch, dass Pluto im Steinbock steht, fühlen sich zum Beispiel im Steinbock Geborene stärker angesprochen, obwohl sie normalerweise sehr nüchterne, pragmatische Menschen sind, die mit Astrologie nichts am Hut haben. Sie kommen mit Fragen zu ihrer persönlichen oder beruflichen Entwicklung.

Und warum glauben Sie noch mal, dass Planeten und Sternzeichen damit irgendetwas zu tun haben?

Mal abgesehen von dem sehr offensichtlichen Einfluss von Sonne und Mond haben die Sterne keinen Einfluss auf uns.

Die Antwort habe ich nicht erwartet.

Schauen Sie mal: Für uns Astrologen ist Pluto ein ganz wichtiger Planet. Der ist aber am weitesten weg, wurde am spätesten entdeckt und wird inzwischen von Astronomen gar nicht mehr als Planet betrachtet. Nein, wir reden nicht von Einfluss, so funktioniert Astrologie nicht. Letztlich ist Astrologie eine Fiktion. Aber auf jeden Fall eine nützliche und eine, die funktioniert.

Wie Gott?

Na ja, eher wie der Kommunismus oder der Euro.

Sehen das alle Astrologen so?

Was?

Dass Astrologie eine Fiktion ist.

Die jüngere Generation schon, die Älteren tun sich schwer damit. Aber vergegenwärtigen wir uns doch mal, wie die Astrologie entstanden ist: Damals in Babylon haben die Menschen den Himmel beobachtet, ihr gesammeltes Wissen hineinprojiziert und so für die Nachwelt konserviert.

Wie in einem Buch?

Im Prinzip schon. Ein viel älteres Buch als die Bibel übrigens.

Das erklärt aber nicht, wie dieses erdachte System Auskunft über zukünftige Entwicklungen geben soll.

Wir Astrologen glauben, dass es von entscheidender Bedeutung ist, wann eine Sache beginnt. Weil im Anfang schon alles enthalten ist. Aber in symbolisch verschlüsselter Form, nicht im Sinne einer konkreten Entsprechung. Man konnte zum Beispiel schon seit geraumer Zeit an den Sternen ablesen, dass das Thema Schuld und Schulden ab 2008 wichtig wird. Aber dass das den Euro betrifft oder den Dollar oder die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, hat sich erst jetzt gezeigt. Weil die Astrologie mit Symbolen arbeitet, kann sie nur das Thema benennen, nicht die konkrete Entwicklung.

Sind Astrologen, die Vorhersagen abgeben, Quacksalber?

Seriöse Astrologen können keine Ereignisse vorhersagen, sondern nur deren Bedeutung. Prognosen sind nicht meine Aufgabe, und ich finde sie auch langweilig.

Im Frühjahr haben Sie im Fernsehen die Erfolgschancen für die Ehe von Kate und Prinz William vorhergesagt.

Es ist mir ein Anliegen, die Astrologie, von der ich sehr viel halte, bekannter zu machen und zu zeigen, was sie im Vergleich zu Zeitungshoroskopen wirklich leisten kann. Aber das ist eine Gratwanderung, und im Nachgang muss ich sagen, das Trauhoroskop hat recht wenig über die Kunst der Astrologie verraten.

Sie sind eigentlich Psychologe. Hat Ihnen das nicht gereicht, um Menschen zu beraten?

Die Psychologie hat einen entscheidenden Nachteil: Sie ist im diagnostischen Bereich sehr schwach. Der Psychologe macht zwar riesige Testreihen, um Menschen zu untersuchen. Aber für die Beurteilung kann er nur die Abweichung von Normen definieren, und dafür gibt es in der Regel nicht mehr als zwei bis drei Typen. Die Astrologie hat dagegen 12 Häuser, 12 Zeichen und 10 Planeten - das sind 1.440 Möglichkeiten. Das ist viel differenzierter, als es die Psychologie und jedes andere erdachte System hinkriegen. Deshalb ist die Astrologie so schnell und effektiv. Ich mache zum Beispiel eine anderthalbstündige Sitzung mit einem Klienten, den ich vorher nie gesehen habe. Ich brauche nur seine Geburtsdaten. Und der fragt nach einer halben Stunde: Haben Sie meine Tagebücher gelesen? Wie können Sie mich so tief in meiner innersten Motivation erkennen und so genau beschreiben?

Und wie können Sie? Implizieren Sie damit nicht doch, dass die Geburt unter einer bestimmten Sternenkonstellation Auswirkungen auf das gesamte Leben hat …

Nein. Wer Sie sind, hängt natürlich von Ihren Eltern ab, welches Geschlecht Sie haben und in welches Milieu Sie hineingeboren wurden. Die Astrologie kann abbilden, was Sie im Innersten bewegt, aber sie ist nicht die Ursache dafür.

Es fällt mir schwer, daran zu glauben.

Das macht nichts.

Müssen die Menschen, die sich von Ihnen beraten lassen, an Astrologie glauben?

Nein. Ich glaube ja auch nicht dran.

Sie glauben nicht an die Astrologie, wollen aber von Ihren Klienten 150 Euro pro Sitzung?

Für mich ist das Horoskop ein Werkzeug. Sie glauben doch auch nicht an Ihr Mikrofon. Aber Sie haben die Erfahrung gemacht, dass es funktioniert. So geht es mir mit der Astrologie. Das Horoskop sagt mir, was einen Menschen ausmacht und wo er gerade steht. Aber es ist nicht die Ursache dafür, sondern ein präzises Messinstrument. Im Prinzip ist die Astrologie die älteste Statistik der Welt.

Wenn ich etwas von Technik verstünde, dann könnte ich Ihnen erklären, wie und warum mein Mikrofon funktioniert.

Wir Menschen neigen dazu, permanent Ursache-Wirkung-Beziehungen herzustellen. Kant hat schon vor 200 Jahren formuliert, dass Kausalität eine der Vorbedingungen für die menschliche Wahrnehmung ist. Dabei lehrt uns die moderne Wissenschaft, dass Kausalität der Sonderfall in der Natur ist. 99 Prozent aller Ereignisse sind akausal.

Na gut. Und wie geht es jetzt mit der Krise weiter?

Noch steht Saturn in Waage. Da kann man mit Diplomatie, aber auch Drumherumreden das Schlimmste verhindern. Aber wenn Saturn im nächsten Oktober in Skorpion wandert, dann werden schmerzhafte Einschnitte kommen. Auch, was den Wohlstand der Europäer betrifft.

Wann geht es wieder aufwärts?

2020 steht Pluto Ende Steinbock, und es beginnt mit Jupiter und Saturn gleichzeitig ein neuer Zyklus, eine neue Ordnung.

Und was sagen die Sterne zu Berlin?

Wowereit passt so gut zu Berlin wie einst Kohl zur damaligen Bundesrepublik. Und der hat immerhin 17 Jahre regiert. Ansonsten bin ich sehr neugierig auf die Rolle der Piraten. Uranus-Pluto heißt eben auch, es finden Mutationen statt. Und es sieht so aus, als seien die Piraten die Mutanten, die in das System eingeschleust wurden, damit es wirklich zu fundamentalen Veränderungen kommt.

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