Syrien WHO geißelt „unfassbare Lage“ im belagerten Teil von Aleppo, Ärzte ohne Grenzen sprechen von „Todeszone“. Bomben auf Kinder: „Wir fordern: Stoppt das Töten!“
Die Vereinten Nationen schlagen angesichts der Lage der Menschen in der umkämpften syrischen Großstadt Aleppo erneut Alarm. „Die Situation ist wirklich unfassbar“, sagte Rick Brennan von der Weltgesundheitsorganisation WHO am Freitag in Genf mit Blick auf die rund 250.000 Einwohner der eingekesselten Enklave der Rebellen im Osten der Stadt.
In den vergangenen Wochen sind in den Rebellengebieten Aleppos nach WHO-Angaben mindestens 338 Menschen getötet worden, darunter 106 Kinder. Zudem seien mindestens 846 Menschen bei den Kämpfen verletzt worden, davon 261 Kinder. „Wir fordern vier Dinge: Stoppt das Töten, stoppt die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, lasst die Kranken und Verletzten raus, und lasst die Hilfe rein“, sagte Brennan. Die syrische Armee hat den Osten Aleppos umzingelt und die Luft- und Bodenangriffe auf die Enklave intensiviert.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte die syrische Regierung und Russland auf, die Bombenangriffe sofort zu stoppen. Der gesamte Osten Aleppos sei eine einzige „Todeszone“, über der ein stetiger Bombenhagel niedergehe, erklärte MSF-Einsatzleiter Xisco Villalonga am Freitag.
Unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden von Ost-Aleppo berichtete MSF, allein binnen fünf Tagen Ende September seien in den wenigen noch funktionierenden Krankenhäusern 278 Leichen eingeliefert worden, darunter die von 96 Kindern. Zudem seien mehr als 820 Verletzte behandelt worden. „Alle Intensivstationen sind voll“, erklärte Villalonga. Seit August sei es nicht mehr gelungen, medizinische Güter nach Ost-Aleppo zu liefern.
Am Freitag jährte sich der Beginn russischer Luftangriffe in Syrien. Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind bei Russlands Angriffen bislang 9.364 Menschen ums Leben gekommen. 3.804 seien Zivilisten, davon 906 Kinder. Getötet worden seien zudem 2.746 Mitglieder des IS und 2.814 Angehöriger anderer Rebellengruppen. Die russische Regierung wies die Angaben zurück.
In den USA wird angesichts der Lage ein Kurswechsel erwogen. US-Präsident Barack Obama habe Geheimdienste, Außen- und Verteidigungsministerium angewiesen, neue Optionen zu erarbeiten, sagte der stellvertretende Außenminister Antony Blinken vor Abgeordneten. Reuters hat erfahren, dass die USA eine bessere Ausrüstung der Rebellen durch Verbündete in der Region erwägen. rtr, dpa, Afp
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