Syrien-Tagebuch Folge 6: Lehrer zwischen Regime und IS
In der Stadt Rakka im Nordosten Syriens wollen die Dschihadisten das Schulwesen umkrempeln. Sie führen einen neuen Lehrplan ein.
Rakka ist die syrische Hochburg des Islamischen Staates (IS). Die Stadt wurde wiederholt von der Luftwaffe des Regimes sowie der US-geführten Koalition bombardiert.
Doch auch hier gibt es Dissens: Die Gruppe „Raqqa is Being Slaughtered Silently“ („Rakka wird leise geschlachtet“) berichtet auf ihrer englischen Website über die Lage in der Stadt. Der folgende Text ist, leicht gekürzt und bearbeitet, der Website entnommen.
Nachdem der IS die Schulen lange geschlossen hatte, werden sie jetzt wieder geöffnet. Gleichzeitig wurde ein neuer Lehrplan erlassen, der als wichtigstes Fach den Wahhabismus (die in Saudi-Arabien vorherrschenden Strömung des Islam, d. Red.) vorsieht. Alle natur- und geisteswissenschaftlichen Fächer werden in dem Curriculum vernachlässigt.
In einem neuen Rundschreiben des IS werden die Lehrer und Angestellten des Lehrkörpers aufgefordert, sich in bestimmten Moscheen einzufinden, um ihrer „Abhängigkeit von dem ungläubigen alawitischen Schulsystem“ abzuschwören – so, als seien die Lehrer Mitglieder einer von Assads Milizen gewesen oder die Bücher, mit den die Kinder unterrichtet wurden, von Assad und seiner Bande persönlich geschrieben worden. Ehe der IS die Uhren des Unterrichts in die Zeit des Mittelalters zurückgestellt hat, verfügte Syrien über ein gut entwickeltes Bildungssystem.
Alltag in Deir ez-Zor, Syrien
Die Lehrer stehen heute zwischen zwei Seiten. Das Regime hat hat aufgehört, ihre Löhne zu zahlen, nur weil sie in einer Region wohnen, die vom IS kontrolliert wird. Dieser sieht die Lehrer als Abtrünnige und Ungläubige an, falls sie dem Regime nicht abschwören, und ihnen dann möglicherweise Strafen oder sogar der Tod drohen. Der IS hat auch den Besitz von Lehrern konfisziert, die außerhalb der von ihnen kontrollierten Gebiete wohnen.
Auch Lehrer im Ruhestand, selbst wenn sie schon lange nicht mehr gearbeitet haben, werden Opfer solcher Maßnahmen. Der IS verlangt von ihnen zwei Fotos und einen Bürgen, um vor der Gruppe reingewaschen zu werden. Ergo stehen die Lehrer zwischen zwei Fronten, dem Feuer des Regimes und den Messern des IS.
Quelle: www.raqqa-sl.com/en
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei