Syrien-Tagebuch Folge 6: Lehrer zwischen Regime und IS
In der Stadt Rakka im Nordosten Syriens wollen die Dschihadisten das Schulwesen umkrempeln. Sie führen einen neuen Lehrplan ein.
![](https://taz.de/picture/56699/14/rakka0942.jpeg)
Rakka ist die syrische Hochburg des Islamischen Staates (IS). Die Stadt wurde wiederholt von der Luftwaffe des Regimes sowie der US-geführten Koalition bombardiert.
Doch auch hier gibt es Dissens: Die Gruppe „Raqqa is Being Slaughtered Silently“ („Rakka wird leise geschlachtet“) berichtet auf ihrer englischen Website über die Lage in der Stadt. Der folgende Text ist, leicht gekürzt und bearbeitet, der Website entnommen.
Nachdem der IS die Schulen lange geschlossen hatte, werden sie jetzt wieder geöffnet. Gleichzeitig wurde ein neuer Lehrplan erlassen, der als wichtigstes Fach den Wahhabismus (die in Saudi-Arabien vorherrschenden Strömung des Islam, d. Red.) vorsieht. Alle natur- und geisteswissenschaftlichen Fächer werden in dem Curriculum vernachlässigt.
In einem neuen Rundschreiben des IS werden die Lehrer und Angestellten des Lehrkörpers aufgefordert, sich in bestimmten Moscheen einzufinden, um ihrer „Abhängigkeit von dem ungläubigen alawitischen Schulsystem“ abzuschwören – so, als seien die Lehrer Mitglieder einer von Assads Milizen gewesen oder die Bücher, mit den die Kinder unterrichtet wurden, von Assad und seiner Bande persönlich geschrieben worden. Ehe der IS die Uhren des Unterrichts in die Zeit des Mittelalters zurückgestellt hat, verfügte Syrien über ein gut entwickeltes Bildungssystem.
Alltag in Deir ez-Zor, Syrien
Die Lehrer stehen heute zwischen zwei Seiten. Das Regime hat hat aufgehört, ihre Löhne zu zahlen, nur weil sie in einer Region wohnen, die vom IS kontrolliert wird. Dieser sieht die Lehrer als Abtrünnige und Ungläubige an, falls sie dem Regime nicht abschwören, und ihnen dann möglicherweise Strafen oder sogar der Tod drohen. Der IS hat auch den Besitz von Lehrern konfisziert, die außerhalb der von ihnen kontrollierten Gebiete wohnen.
Auch Lehrer im Ruhestand, selbst wenn sie schon lange nicht mehr gearbeitet haben, werden Opfer solcher Maßnahmen. Der IS verlangt von ihnen zwei Fotos und einen Bürgen, um vor der Gruppe reingewaschen zu werden. Ergo stehen die Lehrer zwischen zwei Fronten, dem Feuer des Regimes und den Messern des IS.
Quelle: www.raqqa-sl.com/en
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