Syrien-Abkommen: Plötzlich ein Wendepunkt?

Syrien hat die ersten Unterlagen über seine Chemiewaffen übergeben. Der Iran mischt sich ein. Auf diplomatischer Ebene scheint derzeit viel in Bewegung.

Ein Waffenstillstand wäre notwendig – Provinz Idlib Bild: ap

BERLIN taz | An diesem Wochenende erfolgt der erste Test, wie weit das vor einer Woche zwischen den USA und Russland vereinbarte Abkommen zum syrischen Chemiewaffenverzicht trägt. Bis Samstag soll die syrische Regierung eine vollständige Übersicht ihrer Chemiewaffenarsenale abgeben, bis Mitte nächsten Jahres sollen die Waffen zerstört sein.

Die ersten Unterlagen sind bereits am Freitag bei der Haager Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) angekommen. In den kommenden Tagen würden weitere Informationen erwartet, erklärte die OPCW gegenüber Reuters. Eine eigentlich für Sonntag geplante Sitzung der Organisation wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Was aber geschieht, wenn Syrien diesen Verpflichtungen nicht oder nicht glaubwürdig nachkommt? Noch immer ist es den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates nicht gelungen, sich auf eine Resolution zu einigen, die dem US-russischen Abkommen Nachdruck verleiht. Russland lehnt jede Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta ab, die bei Zuwiderhandlung auch eine Gewaltanwendung völkerrechtlich legitimieren würde.

Darüber hinaus besteht Russland darauf, dass der Giftgaseinsatz vom 21. August nicht von syrischen Regierungstruppen, sondern von Rebellen durchgeführt wurde. Dabei hatten die UN-Inspekteure in ihrem Anfang der Woche veröffentlichten Bericht indirekt deutlich gemacht, dass sie der US-Auffassung zuneigen, wonach das Regime für den Giftgaseinsatz verantwortlich war.

Deutlicher konnten die UN nicht werden, weil eine Nennung der Verantwortlichen nicht in ihrem Mandat enthalten war. Eine UN-Sicherheitsratsresolution, die Syrien ernsthaft unter Zugzwang bringt, bleibt unwahrscheinlich.

Iran bietet Vermittlung an

Und doch scheint auf der diplomatischen Ebene derzeit viel in Bewegung. „Weder die bewaffnete Opposition noch das Regime können die andere Seite besiegen,“ sagte Syriens Vizeministerpräsident Kadri Dschamil dem britischen Guardian, und das werde auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wenn die Gegenseite das akzeptiere, könne er sich einen durch UN-Truppen überwachten Waffenstillstand und eine neue Syrienkonferenz vorstellen, über deren Zusammensetzung allerdings noch heftig gestritten wird.

Als Vermittler hat sich nunmehr der Iran angeboten. In einem Gastbeitrag für die Washington Post schrieb der neu gewählte iranische Präsident Hassan Ruhani, seine Regierung sei bereit, einen Dialog zwischen der syrischen Regierung und der Opposition zu vermitteln.

In Washington fragt man sich, ob all das ernstzunehmen oder reine Verzögerungstaktik ist. Sicher scheint, dass die Zustimmung des US-Kongresses zu einem US-Militärschlag derzeit noch viel schwerer zu bekommen wäre als noch vor zwei Wochen – und schon da galt sie als sehr unwahrscheinlich.

Die meisten Kommentatoren in den US-Medien sind sich einig, dass trotz aller Fehler der Obama-Regierung plötzlich die Möglichkeit zu einem Wendepunkt gegeben sei – auch in Bezug auf Iran und sein Atomprogramm. Möglich, dass sich Obama und Irans neuer Präsident in der kommenden Woche in New York „zufällig“ über den Weg laufen, wenn beide bei der UN-Generalversammlung auftreten wollen – ob sie sich, wenn auch nur zum kurzen Händedruck, treffen oder nicht, dürfte hohen Symbolgehalt haben.

Auch das aber wird vermutlich davon abhängen, was die syrische Regierung an diesem Wochenende nun eigentlich vorlegt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.