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Swift-AbkommenJenseits des Datenschutzes

Sollen die USA weiterhin die europäischen Bankdaten ausspähen können? Wie sich Innenminister Thomas de Maizière im EU-Ministerrat auch entscheiden wird, das Koalitionsklima ist belastet.

FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz: "Von effektivem Rechtschutz sind wir noch weit entfernt". Bild: dpa

Schluss mit dem Burgfrieden in der Innenpolitik. Die Koalition steuert auf den ersten Konflikt um die innere Sicherheit zu. Am Montag wird in Brüssel ein Abkommen zur Abstimmung gestellt, das amerikanischen Antiterrorbehörden Zugang zu europäischen Bankdaten gewährt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will den vorliegenden Entwurf ablehnen oder die Abstimmung verschieben. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich enthalten und damit das Abkommen passieren lassen.

Schon seit 2001 greifen die USA zur Terrorabwehr auf die Daten des globalen Finanzdienstleisters Swift zurück. Sie wollen wissen, von wem Terrorverdächtige Geld bekommen und an wen sie etwas überweisen. Dazu besorgen sich die USA die Daten des internationalen Überweisungsverkehrs bei Swift. Zwar erhalten sie nicht alle Daten, aber doch "Millionen" Datensätze, wie die New York Times 2006 enthüllte, eingegrenzt nur nach Regionen und einer vagen "Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse". Diese Daten werden dann in den USA im Rahmen des TFTP-Programms (Terrorist Finance Tracking Program) ausgewertet. Nach US-Angaben ist nur etwa ein Prozent der erhaltenen Swift-Daten tatsächlich relevant. Die nicht benötigten Daten werden nach fünf Jahren gelöscht. Wenn jedoch eine Information als Beweis benutzt wird, etwa um einem Terrorverdächtigen das Konto zu sperren, kann sie auch länger gespeichert werden.

Dieses Programm starteten die USA kurz nach den Anschlägen von 2001. Ab 2003 gab es eine informelle Vereinbarung mit Swift, ab 2007 machten die USA gegenüber der EU einige Zusicherungen zum Datenschutz. Jetzt aber soll ein verbindliches Abkommen geschlossen werden. Denn die EU hat durchaus ein großes eigenes Interesse, dass die Amerikaner die europäischen Bankdaten auswerten, man hofft, so von den Erkenntnissen der Amerikaner zu profitieren. Immerhin 1.450 Hinweise, die mit TFTP erzielt wurden, haben die USA seit 2001 den europäischen Regierungen zur Verfügung gestellt, heißt es in einem Non-Paper, das derzeit in Brüssel zirkuliert.

Auch die FDP ist nicht gegen den Zugriff der Amerikaner auf die Swift-Daten, er soll aber rechtsstaatlicher erfolgen als bisher geplant. Die Liberalen berufen sich dabei auf den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU. Dort ist zum Beispiel ein "effektiver Rechtsschutz" gefordert. "Davon sind wir noch weit entfernt", beklagt FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz. Benachrichtigungspflichten, Auskunftsrechte und Klagemöglichkeiten der Betroffenen seien nicht ausreichend.

Auch die im Koalitionsvertrag geforderten "klaren Regeln" für die Weitergabe von Swift-Informationen an Drittstaaten sieht Piltz noch nicht gegeben. Wenn ein Anschlag unmittelbar bevorsteht, soll eine Weitergabe zwar möglich sein, allerdings müssten die USA dabei auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet werden.

Weniger Probleme sieht die FDP dagegen bei der Zweckbindung der Daten. Der Vertrag sieht - wie auch frühere Zusicherungen der USA - eindeutig vor, dass die Swift-Daten nur zur Terrorbekämpfung genutzt werden dürfen. Wirtschaftsspionage oder die Verfolgung von Steuerhinterziehern soll ausgeschlossen sein. Davon soll sich regelmäßig ein von der EU bestimmtes Vierer-Gremium überzeugen können, dem auch zwei Datenschützer angehören werden.

Eigentlich wollte die FDP auch, dass das Abkommen erst in Kraft tritt, wenn die nationalen Parlamente zustimmen. So steht es eindeutig auch im Koalitionsvertrag: "Das Abkommen ist unter Ratifizierungsvorbehalt zu stellen." Doch davon ist nicht mehr die Rede. Im Entwurf der schwedischen Präsidentschaft sind die nationalen Parlament überhaupt nicht erwähnt.

Dass nicht alle deutschen Forderungen erfüllt sind, weiß auch Innenminister de Maizière. Deshalb will er sich am Montag im Rat, so ist zu hören, nur enthalten. Wenn kein anderer EU-Staat dagegen stimmt, wäre damit das Abkommen aber angenommen. Noch aber konnte de Maizière sich in der Regierung damit nicht durchsetzen. Ein Treffen mit Leutheusser-Schnarrenberger endete am Dienstagabend ergebnislos. Ein weiteres Gespräch am Mittwochmorgen ebenso, trotz Anwesenheit der Kanzlerin. Offiziell verhandelt Deutschland noch mit der schwedischen Präsidentschaft über die Details.

Um einen Konsens zu finden, drängt die FDP massiv auf eine Vertagung der EU-Abstimmung. "Alles andere wäre ein Bruch des Koalitionsvertrags", sagt Gisela Piltz. Die Vertagung hätte aber auch einen zweiten Vorteil. Wenn der Rat erst im Dezember entscheidet, muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Denn am 1. Dezember tritt der Vertrag von Lissabon in Kraft, der die EU gerade im Bereich der inneren Sicherheit demokratisiert.

Eigentlich besteht keine Eile, denn das Swift-Abkommen soll ohnehin erst im Februar nächsten Jahres in Kraft treten. Für eine Vertagung der Abstimmung setzten sich auch Konstantin von Notz von den Grünen und Jan Korte von der Linken ein. "Dem Europäischen Parlament werden sonst wichtige Mitspracherechte entzogen", sagt Korte.

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5 Kommentare

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  • K
    kitekat

    Die Abstimmung gehört vertagt und zwar pronto.

    Wir Europäer haben uns nicht von den Amis in unsere Konten schauen zu lassen, schließlich dürfen wir den Amis auch nicht in deren Konten schauen.

     

    Dass die SWIFT-Daten nur zur Terrorabwehr benutzt werden sollen, soll wohl ein Witz sein.

     

    Die US-Wirtschaft ist im Ar*** und die versuchen jetzt, ihre miserable Wirtschaft zu retten, mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen: Abhören und Technik klauen (Echelon, Swift-Daten), Kriege anzetteln, Unfrieden unter Europäern und deren Nachbarn stiften (Georgien-Konflikt!), wirtschaftliches Störfeuer gegen andere, angebliche Terrorbekämpfung usw.

     

    Erinnert ihr euch noch daran, dass die USA sämtliche Passagierdaten haben wollen?

    Was wäre wohl passiert, wenn

    1. die EU sich geweigert hätte? Dann hätten die Europäer eben keine Geschäfte mehr in den USA machen können - was ein Verlust für die USA gewesen wäre, denn die brauchen die Importe in die USA und die Verbindungen in die EU.

    2. die EU sich geweigert hätte, US-Bürger einreisen zu lassen - dann wäre das ein noch größerer Verlust für die USA gewesen.

     

     

    Unsere EU-Politiker mögen bitte mehr Standhaftigkeit entwickeln und auch mal nein sagen, herrgottnochmal. Vielleicht können wir nicht ohne die Amis aber die können noch viel weniger ohne uns.

  • GH
    G. H. Pohl

    In früheren Zeiten liefen sich Spione den Wolf, wollten sie an solche Daten gelangen. Wurden sie bei ihrem Tun geschnappt, war das Landesverrat, mit entsprechenden Folgen für sie. Heute präsentieren einige unserer so seriösen, staatstragenden Volksvertreter in Berlin und besonders in Brüssel ausländischen Staaten die Daten auf dem Silbertablett.

    Wenn’s aber um Gammelfleisch geht, erfährt man allenfalls über Umwege, wer der Schuldige ist – wegen des Datenschutzes!

    Toll. Da darf die Frage erlaubt sein, wer da was und wieviel von wem auf’s Barockhändchen bekommen hat….

  • B
    baba

    Hier geht es in Wahrheit um systematische Wirtschaftsspionage.

     

    Dass man in Zukunft Auswertungen über sämtliche Finanztransaktionen eines europäischen Konkurrenzunternehmens bei einer "Tochterfirma" der CIA wird erwerben können, ist in Anbetracht des globalen Wettbewerbs bestimmt ein immenser Vorteil für den "Standort Europa"...

     

    Es sollte hierzu eine Sammelklage ALLER europäischen Unternehmen gegen die EU geben. Ich hoffe, es ist überhaupt möglich diesen wahnsinnigen, antieuropäischen Apparat zu verklagen.

  • A
    alcibiades

    da wird sich ja zeigen, was von den versprechungen der fdp zu halten ist. abgesehen von der unerträglichen schnüffelei der amis stellt ein freies zirkulieren der kontodaten im datenschutztechnischen entwicklungsland usa auch ein enormes sicherheitsrisko dar. das erzählt mir doch keiner, dass die daten auf den servern des cia, fbi oder heimatland-wasauchimmer sicher sind. und die können fünf jahre lang nachvollziehen, wann DU wieviel geld wann für welche pornoseite bezahlt, welche software DU bestellt hast, wohin DEIN urlaubsflug ging und für wen DU arbeitest. na vielen dank an die helden vom EP, die haben wirklich die interessen der europäischen bürger im sinn. davon fühle ich mich mehr bedroht als von alkaida und dergleichen.

  • SV
    Schnauze voll von der "Uber"-Nation

    Die Diskussion läßt sich mit einer einfachen Frage zusammenfassen: Wieso müssen wir Europäer (und der Rest der Welt) uns von den VSA überwachen lassen?