Svenja Bergt über das Freihandelsabkommen TTIP: Die Illusion von Transparenz
Beim Freihandelsabkommen TTIP geht Transparenz so: Abgeordnete dürfen – mit Anmeldung – für zwei Stunden, abgeschottet von der Außenwelt, in den Verhandlungstext schauen. Ihn weder abschreiben noch fotografieren, sich keine Notizen dazu machen und schon gar nicht hinterher mit jemandem darüber reden. Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, muss sich trotzdem allein durch die Seiten kämpfen. Generöserweise hat das Wirtschaftsministerium dafür ein paar Wörterbücher bereitgestellt. Zwei Stunden lesen minus zehn Minuten Vokabeln nachschlagen minus fünf Minuten Haareraufen – immerhin geht keine Zeit fürs Notizenmachen ab.
Nein, das ist natürlich keine Transparenz, auch wenn es die Verhandler auf beiden Seiten des Atlantiks gern so darstellen. Aber während fehlende Einblicke schon ein ausreichend großes Problem wären, ist es in diesem Fall noch viel schlimmer: Der Leseraum mit all seinen Restriktionen schafft eine Illusion von Transparenz. Die Vorspiegelung, dass die immer als geheim kritisierten Verhandlungen doch so geheim überhaupt nicht seien.
Die Abgeordneten haben zwar nicht annähernd genug Befugnisse, um die aus den Lesesitzungen gewonnenen Informationen irgendwie in die öffentliche Debatte einfließen zu lassen. Aber gerade so viel, dass hinterher niemand sagen kann, es sei doch alles geheim gewesen. War es ja nicht. Nur durften die wenigen, die etwas wussten, nicht darüber sprechen. Scheinheiliger geht es nicht.
Dass die Zahl der Abgeordneten, die das Angebot nutzen, bisher eher überschaubar ist, sagt alles. Trotzdem ist das Desinteresse fatal. Denn es signalisiert, dass die – faktische – Geheimhaltung schon in Ordnung geht. Dabei müsste genau das Gegenteil passieren: Abgeordnete, Unterhändler, Beteiligte, die auf allen Wegen versuchen, die Dokumente doch in die Öffentlichkeit zu bringen. Und so für echte Transparenz sorgen.
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