Sven Hansen über die Drohungen auf der koreanischen Halbinsel: Wettbewerb des Schreckens
Der Norden droht dem Süden mit atomarem Erstschlag. Doch die Südkoreaner leben weiter, als beträfe sie das nicht. Sie sind solche Drohungen längst gewöhnt, die sich stets als heiße Luft erwiesen haben. Das offizielle Südkorea reagiert allerdings auf eine Art, die nicht beruhigt. Am Montag begann im Süden das größte gemeinsame Militärmanöver mit den USA, das es dort je gegeben hat. 17.000 US-Soldaten und mehr als 300.000 Südkoreaner trainieren offiziell die Abwehr eines Angriffs des Nordens. Im Frühjahr ist Saison für diese Manöver. Der Norden sieht sie als Invasionsübungen, weshalb er versucht, sie mit Drohungen zu verhindern.
So schaukeln sich beide Seiten gegenseitig hoch. Über Nordkoreas Atomwaffenpotenzial herrscht Unklarheit, doch bezweifelt niemand, dass seine Fähigkeiten zunehmen. Laut Medienberichten übt der Süden jetzt erstmals, wie mit „chirurgischen“ Schlägen Atomwaffen ausgeschaltet werden können. Der Norden sieht sein Atomwaffenprogramm als Überlebensgarantie seines Regimes. Deshalb weist Pjöngjang stets auf diese Bewaffnung hin, auch wenn sie ebenso gut ein Bluff sein könnte. Der Süden und die USA, die dem Norden früher selbst mit Atomwaffen gedroht haben, gehen in ihren Manövern vom worst case aus. Dabei kann der Norden schon mit konventionellen Waffen im Süden große Verwüstungen anrichten. Seoul signalisiert, deshalb bei Provokationen gnadenlos zurückzuschlagen, mit erschreckend schriller Rhetorik.
Die Reaktionen beider Seiten sind so nachvollziehbar wie erwartbar. Das Risiko besteht darin, dass der Wettbewerb des Schreckens durch eine Fehleinschätzung aus dem Ruder läuft. Da das Regime im Norden mit dem Rücken zur Wand steht, ist vor allem der Süden gefordert, Fantasie zu entwickeln, die bisherige Spirale zu verlassen. Doch dazu kommt aus Seoul leider nichts. Südkorea war da schon mal weiter.
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