Suspendierter Bürgermeister: Der Herzensbrecher
Gegen den Bürgermeister von Henstedt-Ulzburg liegt ein Strafbefehl vor, aber die Bürger lieben ihn trotzdem. Am Sonntag entscheiden sie über seine Abwahl.
HAMBURG taz | Gegen Torsten Thormählen (parteilos) ist ein Strafbefehl des Amtsgerichts Norderstedt wegen Betrugs ergangen. Das Strafmaß: Zehn Monate Haft auf Bewährung. Seit Februar 2012 ist er als Bürgermeister der Gemeinde Henstedt-Ulzburg suspendiert. Am kommenden Sonntag sollen die Bürger von Henstedt-Ulzburg nun über seine Abwahl entscheiden. Doch die gilt keineswegs als sicher: Der suspendierte Bürgermeister hat viele Fans unter den Bürgern.
Thormählen wird zur Last gelegt, in den Jahren 2007 bis Mitte 2011 seine Nebentätigkeit als Vorstand der Kommunalbetriebe Ellerau seinen Dienstherren nicht vollumfänglich angezeigt zu haben. So soll er der Abführungspflicht für die erhaltenen Gelder entgangen sein. Dadurch sei der Stadt Norderstedt ein Schaden von 56.000 Euro und der Gemeinde Henstedt-Ulzburg in Höhe von 13.800 Euro entstanden.
Zudem wird Thormählen vorgeworfen, Beschäftigte der Kommunalbetriebe Ellerau nicht bei dem zuständigen Sozialversicherungsträger angezeigt und dadurch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile vorenthalten zu haben.
Zu all dem schwieg Thormählen über Monate, um dann in einer Bürgerversammlung im vergangenen August alle Schuld von sich zu weisen. Er klagte über „Unwahrheiten, Gerüchte und bösartige Unterstellungen“ und den „von Anfang an zu Unrecht“ erhobenen Vorwurf der Bestechlichkeit und Untreue. Außerdem liege ihm die Expertise „einer renommierten Anwaltskanzlei“ vor, die eine Abführungspflicht für die genannten Verträge „ausdrücklich verneint“.
Als Thormählen die fast 500 Anwesenden schließlich aufforderte, ihn am 22. September dennoch abzuwählen, um Schaden von der Gemeinde abzuwenden, gab es kein Halten mehr: Thormählen erhielt donnernden Applaus, die Bezeichnung „Bürgermeister der Herzen“ machte die Runde. In Anzeigen und öffentlichen Erklärungen schlugen sich nun auch Persönlichkeiten wie der ehemalige Bürgervorsteher Joachim Süme auf die Seite Thormählens. Weil noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, sehen die Thormählen-Fans die Unschuldsvermutung beschädigt und fordern dazu auf, gegen die Abwahl zu stimmen.
In der Politik sorgen die Sympathiewerte des Bürgermeisters für Ratlosigkeit: Thormählen hat sich seine Beliebtheit nicht durch politische Entscheidungen erarbeitet. „Er ist der Traum einer jeden Schwiegermutter“, sagte Bürgervorsteher Uwe Schmidt schulterzuckend, „er kommt einfach gut an.“
Sonst oft heillos zerstritten, hatten sich nach dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft sämtliche 41 GemeindevertreterInnen für ein Abwahlverfahren entschieden. Auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz aller Fraktionsvorsitzenden und der ehrenamtlichen Stellvertreterin Thormählens warb man kürzlich fast schon verzweifelt für die Abwahl des Mannes, dem Henstedt-Ulzburg in jedem Fall noch Gehälter bis zum 31. Juli 2018 zahlen muss.
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