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Surfer über den Wolken

■ Der Maler und Kunstsammler Julian Schnabel verfilmt mit Staraufgebot den Aufstieg von Jean-Michel Basquiat zum rebellischen Popkünstler in der Galerienszene Sohos

Ein Karton steht in der Morgensonne, öffnet sich. Ein schwarzer junger Mann mit Dreadlocks schält sich heraus. Jean-Michel Basquiat blickt verträumt zum Himmel und sieht über den Wolkenkratzern einen imaginären Surfer in imaginären Wellen. New York, Anfang der achtziger Jahre, Jean-Michel Basquiat beginnt unter dem Pseudonym SAMO zu malen. Wenige Jahre später schafft er den Durchbruch, weg vom East Village, hin zur aufgeheizten Galerienszene in Soho.

Basquiat wird in diesen Jahren mit berauschender Geschwindigkeit zu einem weltweiten Sinnbild für den rebellischen Popkünstler, der schließlich so schnell verbrennt, wie er aufgestiegen ist – eine klassische Neuauflage der „Angry-young-man“-Geschichte mit einigen Prisen Rassismus, Drogen, Affären und Homosexualität gewürzt.

Damals lernt Basquiat auch den Maler Julian Schnabel kennen. Der setzte dem 1988 mit 27 Jahren Verstorbenen jetzt ein filmisches Denkmal. Sechs Jahre arbeitete der Malerstar, der auch die Basquiat-Bilder für den Film malte, an dem Projekt, das seine sehr persönliche Sicht des jungen Kollegen mit vielen Anekdoten und großem Staraufgebot in Szene setzt. David Bowie spielt Andy Warhol mit einem kleinen Schuß Bowie, Schnabel selbst gibt sich ein Alter ego namens Albert Milo, den Gary Oldman spielt, und in Nebenrollen erscheinen Dennis Hopper, Christopher Walken, William Dafoe, Tatum O'Neal und Courtney Love – eine Besetzung für ein großes Hollywood-Epos. Aber Schnabel bleibt Künstler und wählt deswegen auf der erzählerischen Ebene gerne metaphorische Bilder, inszeniert seinen Film wie ein Gemälde: Satte Farben werden zusammengefügt.

Die Begegnung zwischen Milo und Basquiat (die erste Hauptrolle von Jeffrey Wright) mag beispielhaft für diesen szenischen Stil sein: Basquiat arbeitet als Handwerker in Mary Boones Galerie, Milo tritt ein. „Ich bin Jean-Michel Bas-quiat“ – „Sollte ich dich kennen?“ – „Ich bin auch ein Maler.“ Von Farbe verklebt verläßt der noch Unbekannte die Galerie. Später die erste Begegnung mit Warhol. Zusammen mit seinem Galeristen Bruno Bischofberger (Hopper) entsteigt Warhol einer Stretch-Limousine. Basquiat verfolgt die beiden in ein teures „Mineral-Water-Lunch“-Restaurant. Legt zehn winzige Zeichnungen auf den Tisch. Warhol, fasziniert, aber bargeldlos, kauft sie alle. Bischofberger zahlt.

Basquiat und Warhol werden für kurze Zeit die Künstlerfreunde. Eine Reihe gemeinsamer großformatiger Werke entstehen. Kurz darauf stirbt Warhol und man sieht Basquiat allmählich zusammenbrechen. Im Jeep eines Freundes steht er, nur bekleidet mit einem Bademantel, auf und sieht noch einmal auf die Surferwellen über Manhattan – nur der Surfer fehlt. ts

Abaton, Zeise Ein Interview mit Julian Schnabel ist morgen in der tazhh zu lesen!

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