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Sunak wird britischer PremierOhne Wahlkampf an die Macht

Nun ist klar: Rishi Sunak wird Parteivorsitzender der britischen Konservativen – und damit Premier. Er übernimmt einen politischen Scherbenhaufen.

Umjubelt: Rishi Sunak vor dem Büro der Konservativen in London Foto: Kevin Coombs/reuters

London taz | Am Ende dauerte es nur wenige Sekunden. „Wir haben eine gültige Nominierung erhalten und Rishi Sunak ist damit als Führer der Konservativen Partei gewählt“, sagte Graham Brady, Vorsitzender des für parteiinterne Abstimmungen bei den britischen Tories zuständigen „1922 Committee“, um 14.02 Uhr Ortszeit vor den versammelten Unterhausabgeordneten seiner Partei. Er musste sich nicht einmal setzen. Beifall übertönte seine Worte.

Der Nachfolger von Liz Truss als Premierminister des Vereinigten Königreichs ist damit bestimmt worden, ohne dass irgendjemand tatsächlich eine Stimme gab oder er selbst ein Wort gesagt hat. Sein wichtigster Gegenkandidat Boris Johnson, erst am Samstag aus der Karibik zurückgekehrt, um den Kampf um das Premier­minister­amt aufzunehmen, hatte am späten Sonntagabend seinen Verzicht erklärt, ohne überhaupt offiziell angetreten zu sein.

Seine einzige offiziell angetretene Gegenkandidatin Penny Mordaunt zog sich am Montag um 13.59 Uhr aus dem Rennen zurück, wortwörtlich in allerletzter Minute vor Ablauf der Kandidatenfrist um 14 Uhr. Damit war alles klar. Einen richtigen Wahlkampf hat es nicht einmal innerhalb der Fraktion gegeben. Eine Abstimmung durch die Parteibasis erübrigt sich sowieso.

Am Ende hatte Sunak 202 Unterstützer in der 357 Abgeordneten starken konservativen Unterhausfraktion auf sich vereint – nicht nur viel mehr als die nötige Mindestzahl von 100, sondern eine klare Mehrheit der Fraktion insgesamt. Johnson hingegen war selbst nach eigenen, unbestätigten Angaben nicht über 102 hinausgekommen. Die Aussicht, selbst bei einem Sieg unter den Parteimitgliedern gegen die eigene Parlamentsfraktion regieren zu müssen und so zum Scheitern verurteilt zu sein, zwang Johnson zum Rückzug. Mordaunt kam nie über 30 bestätigte Unterstützer hinaus.

Finanzpolitische Kehrtwenden unter Truss

Formal ist Sunak jetzt lediglich als Parteichef der Konservativen gewählt, nicht als britischer Regierungschef. Die Kür des Premierministers steht nicht in der Macht einer einzelnen Partei, auch nicht in der des Parlaments. Liz Truss, die am vergangenen Donnerstag ihren Rücktritt erklärt hatte, wird voraussichtlich am Dienstag zum Königspalast fahren und ihr Amt niederlegen. Charles III. wird dann, wie es die Regeln vorsehen, den Chef der größten im Parlament vertretenen Partei anrufen – also Rishi Sunak – und ihn bitten, eine Regierung zu bilden.

Rishi Sunak, der Verlierer vom September, übernimmt im Oktober das Amt in ungleich schwierigeren Zeiten, denn die beiden abrupten finanzpolitischen Kehrtwenden seiner kurzlebigen Vorgängerin Liz Truss haben das Vertrauen der Finanzmärkte in die Verlässlichkeit der britischen Politik und das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenz ihrer Regierenden schwer erschüttert.

Was Sunak insgesamt politisch plant, bleibt ein Rätsel, denn mangels Wahlkampf musste er dazu bisher nichts sagen

Im verzweifelten Versuch, ihre Regierung zu retten, hatte Truss zuletzt den prominentesten noch politisch aktiven Vertreter der alten Austeritätsregierung von David Cameron aus der politischen Versenkung geholt und zum Finanzminister gemacht, obwohl er keine Erfahrung auf dem Gebiet hatte: ­Jeremy Hunt stoppte umgehend fast das gesamte Truss-Programm und kündigte nicht nur Steuererhöhungen an, sondern auch Einsparungen „bis zur Schmerzgrenze“. Die will er am kommenden Montag – zufällig Halloween – bei der Präsentation seiner mittelfristigen Finanzplanung im Unterhaus vorstellen.

Unter Wirtschaftsexperten mehren sich mittlerweile Warnungen vor einem zu abrupten und scharfen Sparkurs. Sunak hat als Premierminister immerhin sowohl die Erfahrung als auch die Statur, den zur Selbstüberschätzung neigenden Jeremy Hunt in die Schranken zu weisen – sofern er ihn überhaupt im Amt belässt.

Viele Fragezeichen

Was der nächste Premierminister insgesamt politisch plant, bleibt allerdings ein Rätsel, denn mangels Wahlkampf musste er dazu bisher nichts sagen. Im Wahlkampf gegen Truss im Sommer drehte sich die Diskussion fast ausschließlich um Wirtschaftspolitik.

Vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik ist Sunak ein unbeschriebenes Blatt, was so manchen Beobachtern Sorgen bereitet, die um die britische Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine bangen. So hatte Verteidigungsminister Ben Wallace zuletzt Boris Johnsons Rückkehr favorisiert, weil Sunak sich nicht auf steigende Verteidigungsausgaben festlegen wollte, wie sie unter Johnson geplant worden waren.

Sunak kann sich zwar kaum leisten, Wallace nicht in seinem Amt zu behalten – er ist der beliebteste Politiker der Konservativen. Aber sollte Sunak den Verteidigungshaushalt kürzen und Wallace dann, wie er gedroht hat, zurücktreten, wäre dies ein schwerer Schlag für die neue Regierung gleich zu Beginn.

Aufschluss über seine Pläne dürfte Sunak dann geben, wenn er das Amt des Premierministers übernommen hat und die übliche Rede vor der schwarzen Tür von 10 Downing Street hält. Am Montagnachmittag beschränkte er sich auf einen Auftritt hinter verschlossenen Türen vor der konservativen Parlamentsfraktion, gefolgt von einem sehr kurzen öffentlichen Statement. „Wir stehen vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Herausforderung. Wir brauchen jetzt Stabilität und Einheit“, sagte er und versprach „Integrität und Bescheidenheit“.

Manche Hindus feiern

Die Hürde zum Erfolg in 10 Downing Street und zur Befriedung einer tief zerstrittenen Partei ist nach mehreren turbulenten Jahren jedenfalls in allen Bereichen sehr hoch. Catherine Haddon vom renommierten Institute for Government formuliert die Herausforderungen kompakt in fünf Fragen: „Kann der neue Premierminister ein beständiges und einiges Kabinett ernennen? Einen glaubwürdigen Wirtschafts- und Steuerplan entwerfen? Eine kohärente politische Agenda entwerfen? Einen funktionierenden Amtssitz leiten? Lernen, wie man mit konservativen Abgeordneten im Parlament umgeht?“ An diesen Fragen waren Sunaks Vorgänger gescheitert. Von seinen Antworten hängt jetzt Großbritanniens Zukunft ab.

Freude und Stolz herrscht bei Großbritanniens zahlreichen indischen Hindus. Einer der Ihren wird als nächster Premierminister verkündet – ausgerechnet am Tag des Hindu-Lichterfestes Diwali, gleichbedeutend mit dem Neujahrstag. Der einflussreiche indische Publizist Sudhir Chaudhary jubelt auf Twitter: „Nachdem es uns 200 Jahre regiert hat, wird Großbritannien nun von einem Hindu-Premierminister regiert.“

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4 Kommentare

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  • Rishi Sunak wird nicht viel besser als seine Vorgänger, weil er für die Privilegien der Reichen in UK einstehen muss.

    Zu allem Überdruß hat er ja eine Millionenschwere Frau, die aber nicht ihren Reichtum teilen muss, ihr helfen tolle Tricks, Steuer in Großbritannien zu vermeiden. Wo die einen superreich sind, müssen die anderen dann die Zeche zahlen. Dafür genau steht Sunak.

    Er macht keine verrückten Reagonomics, sondern er holt sich das Geld, wo er rankommt, bei der britischen Mittelklasse. Die wird er mächtig abkassieren und damit auch deklassieren. Das absurde britische Wahlrecht macht ihm das möglich, er kann dabei noch nicht mal total abstürzen, sondern die Konservativen werden Sunak überleben, so wie Truss und Johnson, viel schlimmer kann es ja nicht werden.

    Für mich ist seit Margret Thatcher dieses Land verloren. Kleine Hoffnungen, die ich für Blair und Labour, hegte, haben sich aufgelöst, für micht sind fast alle britischen Politiker unfähig, ihr Land zu regieren. Es sind die Reste des 20. Jahrhunderts, die heute die Substanz dieses Land ausmachen.

    Und mit so einem Menschen wie Sunak kann es nicht besser werden, es sieht bunter aus: Sein mulitkultureller Hintergrund ist aber nur eine Camouflage für die unglaubliche Brutalität, die hinter dieser Konservativen Partei steht. Dass ein Teil ihrer Führer in ihrer Jugend Kneipen demollierte und sich in Verantwortungslosigkeit übte, sagt einiges über diese Politiker und was sie machen, wie sie denken. Vor allem immer dies: Anderen was abverlangen, sich selber entziehen. Und das sieht bei Sunak so aus, dass seine Frau eben reich und reicher ist, während andere sparen und verarmen. Warum soll es solidarisch zugehen?

    Vor 20 Jahren hätte ich auf eine Labour-Regierung gehofft, das spare ich mir.

    = Es wird nicht besser, egal wie lange dieser Mensch regieren wird. Bei Zeiten wird er vom nächsten Schwachmaten abgelöst.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Was fehlt

    Sunak ist kein überzeugter Europäer. Die Achse seiner Welt ist Silicon Valley-London-Mumbai, nicht London-Paris-Berlin, 2016 war er



    ein hardline Brexiteer.

    Aber wenn er jemals einige der verrückten wahnhaften Vorstellungen aus dem Irrenhaus des Brexitismus geteilt hat, hat er sie inzwischen sicherlich verloren. Wie er diesen Sommer bei seinem Führungswettbewerb der Konservativen Partei mit Truss demonstrierte, ist er ein Realist, der solide öffentliche Finanzen und die Glaubwürdigkeit des Marktes an erste Stelle setzt – Beispiel Margaret Thatcher. Realismus verlangt, dass Sie unter außerordentlich herausfordernden wirtschaftlichen Bedingungen die Hindernisse für Geschäfte mit Ihrem größten Binnenmarkt (der EU) abbauen - und nicht weiter erhöhen müssen.

    Die Realität hat die Brexitisten eingeholt und die britische Öffentlichkeit beginnt, die Realität zu reflektieren. Wenn es morgen Parlamentswahlen gäbe und die Menschen so wählen würden, wie sie es den Meinungsforschern derzeit darstellen, würden die Tories praktisch ausgelöscht. Noch aufschlussreicher ist, dass der jahrelange Restglaube an den Brexit unter denen, die für ihn gestimmt haben, gebrochen ist. In einer durchgeführten YouGov-Umfrage gaben 34 % der Befragten an, dass Großbritannien Recht hatte, die EU zu verlassen, während 54 % sagten, es sei falsch.

    In den letzten acht Jahren ist Großbritannien unter dieser konservativen Partei vom pragmatischen Euroskeptismus von David Cameron zum mittelweichen Brexit, der von Theresa May vorgeschlagen wurde, zum harten Brexit von Boris Johnson und von dort zum Fantasie-Brexit von Truss hinabgestiegen.

    Was momentan noch auf sich warten lässt ist die Gegenbewegung, welche die Kinder des Brexits verschlingen wird.

    Klartext:



    Sunaks Fachwissen als erfolgreicher Bankmensch hin oder her - die radikal rechtsgewendeten Tories durch das Fluten der Partei durch ehemalige UKIP - Mitglieder wird er auch nicht wiedervereinen können.

  • Es bleibt dabei - “Die Heloten haben noch immer die Macht übernommen!“

    “Rishi Sunak wurde 1980 als ältestes von drei Geschwistern in England geboren. Sein Vater Yashvir kommt aus Kenia und seine Mutter Usha aus Tansania. Beide Familien stammen aus dem indischen Punjab und emigrierten in den 1960er-Jahren aus Ostafrika nach Southampton, wo sie sich kennenlernten. Sein Vater war Praktischer Arzt beim NHS, seine Mutter Usha Apothekerin. Rishi Sunak ist Hindu.



    Sunak studierte nach seinem Abschluss am Eliteinternat Winchester College am Lincoln College in Oxford Philosophie, Politik und Wirtschaft und schloss mit einem Bachelor ab. Danach arbeitete er unter anderem als Analyst für Goldman Sachs und als Hedgefonds-Manager. An der Stanford Graduate School of Business erwarb er 2006 einen Abschluss als Master of Business Administration.

    Bei der britischen Unterhauswahl am 7. Mai 2015 kandidierte Sunak im Wahlkreis Richmond (Yorks) und gewann mit 51,4 % der Stimmen einen Sitz im Unterhaus (House of Commons). Bei der vorgezogenen Unterhauswahl am 8. Juni 2017 erhielt er im selben Wahlkreis 63,9 % und bei der Unterhauswahl am 12. Dezember 2019 63,6 % der Stimmen.

    Sunak unterstützte den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs. Bei der Kabinettsumbildung am 13. Februar 2020 übernahm Sunak das Amt des Schatzkanzlers in der Nachfolge des zurückgetretenen Sajid Javid. Er machte zwei Monate nach Beginn der COVID-19-Pandemie im Vereinigten Königreich den Vorschlag, allen Erwachsenen und Kindern Gutscheine im Wert von 500 £ beziehungsweise 250 £ zukommen zu lassen, um damit Wirtschaftssektoren zu stärken, die stark von der Krise betroffen waren.…



    In der allgemeinen Regierungskrise, die durch den Skandal um den konservativen Whip Christopher Pincher ins Rollen gekommen war, gab Sunak am 1. Juli 2022 seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt.



    In seinem Rücktrittsschreiben kritisierte er offen den Führungsstil Johnsons.



    de.wikipedia.org/wiki/Rishi_Sunak

  • Johnny English! STOPPEN Sie diesen Schurken.

    Andererseits, die Briten haben es ja so gewollt.