Südkoreanischer Horrorfilm „Exhuma“: Grabesruf mit politischer Botschaft
Oft sind Filme nur eines: Horror oder Politik. Der südkoreanische Film „Exhuma“ versucht, beides miteinander zu verbinden.
Der Horror lauert immer und überall, gerne in national-eigentümlicher Form und Gestalt. In den südkoreanischen Bergen zum Beispiel, die Grenze zu Nordkorea im Blick. Hier lungern Füchse im Wald um einen Grabstein herum. Unter dem Grabstein ein Sarg, darin eine Leiche, die exhumiert werden muss – und unter dem Sarg, wie sich später herausstellt, ein weiterer Sarg, mit Stacheldraht bewehrt, auch der wird entfernt. Hier sind ganz üble Geister zugange. Es ist eine lange und alte Geschichte.
Sie nimmt in den USA ihren Ausgang. Ein koreanisch-amerikanischer Vater ruft eine koreanische Meister-Schamanin zu Hilfe, sein neugeborener Sohn scheint von üblen Geistern bedrängt. Die Schamanin Lee Hwa-rim (Kim Go-eun) erklärt, dass ein „Grabesruf“ (wie der spökenkiekerische Fachbegriff lautet) aus Korea der Grund ist: Der tote Großvater wirkt posthum aus der Ferne, weshalb er exhumiert und verbrannt werden muss.
Die Schamanin rekrutiert Kim Sang-deok (Choi Min-sik), einen alternden Meister des Feng-Shui, mit ihr die Lage vor Ort zu sondieren. Irgendwas stimmt, wie sie feststellen muss, an diesem Grab überhaupt nicht, sie will einen Rückzieher machen, lässt sich vom Feng-Shui-Meister aber zu einem recht spektakulär und ziemlich wahnsinnig aussehenden Ritus überreden, den der Film unter Einsatz von Messern und Tanz sowie eines kleinen Trommelclubs und fünf gepfählter Schweineleichen mit heftig bewegter Kamera lustvoll inszeniert.
Der Großvater war ein Kollaborateur
Damit scheint der Fluch zunächst gebannt. Stellt sich aber heraus: Der Großvater war ein nationaler Verräter, nämlich Kollaborateur der im Krieg dann mit den Nazis verbündeten Japaner, die Korea in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert besetzt hatten. Und das Grab lag an der ungewöhnlichen Stelle, weil darunter ein älteres, wahres Grab lag, nämlich das eines japanischen Samurai-Geistes, der bei der Exhumierung besser nicht geweckt worden wäre, aber leider geweckt worden ist.
„Exhuma“ (Südkorea 2024,Regie: Jang Jae-hyun). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.
Damit bekommt der Horrorfilm eine ordentliche Injektion Politik. Sicher ein Grund dafür, dass „Exhuma“ seine Weltpremiere in diesem Jahr in der eigentlich nicht genreorientierten „Forum“-Sektion der Berlinale erlebte.
Um dann im nach wie vor kinoverrückten Südkorea sogleich seinen Siegeszug am Box Office anzutreten, wo er mit fast zwölf Millionen verkauften Tickets der erfolgreichste heimische Horrorfilm aller Zeiten und auch der meistgesehene Film in diesem Jahr ist. Die politische Dimension spielt dabei sicher herein, die Tendenz des „elevated horror“, der das Viszerale mit Botschaft verknüpft, ist auch aus Hollywood (etwa mit Jordan Peeles „Get Out“) vertraut.
Das Schamanische als Hokuspokus
Aber auch am Viszeralen lässt es „Exhuma“ ganz ausdrücklich nicht fehlen, es rumpelt und dräut, in Fenstern und anderem Glas spiegeln sich Wesen, denen man lieber nicht genau ins Gesicht sehen will. Dazu das Schamanische als Hokuspokus, der viel Körpereinsatz verlangt und den der Film so halbwegs ernst nimmt, wie ihn ein straighter Genrefilm ernst nehmen muss.
Und der aus dem Grab entbundene Samuraigeist macht erst recht keine halben Sachen. Jagt als wilder Feuerball über den Himmel, greift, wenn es sein muss, auch beherzt mit krallenartigen Händen tief in Menschenkörper hinein. So fliegt einem hier in Wendungen, hinter denen man nicht immer ohne weiteres hinterherkommt, allerlei um die Ohren, die versehentlich gerufenen Geister der Geschichte, viel Blut, viel Gewalt.
Natürlich wird am Ende das Böse gebannt. Fürs Erste. Denn der Horror lauert immer und überall, und man kann sicher sein, dass der nunmehrige Erfolgsregisseur Jang Jae-hyun dem nächsten Grabesruf folgt.
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