piwik no script img

SüdkaukasusSchüsse und Schuldzuweisungen

An der Grenze zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien fallen wieder Schüsse, für die sich die beiden verfeindeten Seiten gegenseitig verantwortlich machen.

Der südossetische Präsident Eduard Kokoity (l), hier zusammen mit Russlands Präsident Dmitry Medvedev (r), versichert, dass kein neuer Krieg bevorstehe. Bild: dpa

BERLIN taz | Zwischen der abtrünnigen Republik Südossetien und Georgien ist es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zu den schwersten Schusswechseln seit Ende des Krieges im August 2008 gekommen. Dies berichten übereinstimmend georgische und russische Medien. Gegen Mitternacht sei sein Dorf eine Stunde lang von der südossetischen Seite beschossen worden, so ein Bewohner des georgischen Dorfes Zemo Nikosi, Georgi Mindiaschwili, in der Nesawisimaja Gazeta. Die Dorfbewohner seien sehr beunruhigt, gingen dem Krieg im letzten Jahr doch ähnliche Schießereien voraus.

Südossetien beschuldigt dagegen die georgischen Streitkräfte. Diese hätten die Außenbezirke der südossetischen Hauptstadt Zchinwali eine Stunde lang beschossen. "Die ganze Nacht saßen wir im Keller, dachten schon, nun sei wieder Krieg", berichtet ein Bewohner dem Kommersant. Der Beschuss von Wohnhäusern in Zchinwal, so eine Quelle des südossetischen Innenministeriums, sei vom georgischen Dorf Nikosi ausgegangen. Offizielle aus Russland und Südossetien verwenden inzwischen konsequent die ossetische Bezeichnung der Hauptstadt Südossetiens ohne "i" am Ende.

Unterdessen traf der Sonderbeauftragte der EU für den Südkaukasus, Peter Semneby, in der Region ein. Er äußerte sich besorgt über die Vorfälle. Am 25. Juli hatten die 27 EU-Außenminister den Beobachtereinsatz in Georgien um ein Jahr verlängert. Kurz nach Kriegsende hatte die EU im Oktober 2008 Beobachter zur Überwachung des Waffenstillstands in das Land entsandt. Zu deren Aufgaben gehört auch, den Waffenstillstand in Abchasien und Südossetien selbst zu kontrollieren. Doch beide lassen die Beobachter nicht in die von ihnen kontrollierten Gebiete. Der georgische Staatsminister für Euro-Atlantische Integration, Georgi Baramidse, fordert als Folge der jüngsten Schüsse eine Verstärkung der Beobachtermission. Der wirft Südossetiens Präsident Eduard Kokoity dagegen eine Mitverantwortung für die Schüsse vor, seien diese doch von einem Gebiet ausgegangen, in dem sich die Beobachter aufhielten. Erzürnt ist man in Abchasien und Südossetien über eine ins Spiel gebrachte Erweiterung der EU-Beobachter um US-Personal im September.

Ein Krieg stehe nicht bevor, beruhigte Kokoity die Südosseten. Durch die Vereinbarungen mit Russland sei man vor Georgien geschützt. Trotzdem flohen am Donnerstag mehrere Bewohner. Am Jahrestag des kriegerischen Überfalls vom 8. August 2008 wollen sie lieber nicht in Südossetien sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • M
    MalaI

    @Diether: "Um sein Ziel des Staates Georgien innerhalb der sowjet-kolonialen Grenzen zu erreichen..."? Was möchten Sie damit sagen?

    Außerdem wissen wir, was zu Beginn des letzten Krieges stand: ein Angriffskrieg Georgiens.Was soll immer dieses verklausulieren, also ob hier unbekannte Geister aus dem Universum zugeschlagen hätten?

    Von neuerlichen Schießereien, die, wie ich vermute, von Georgien ausgehen, profitiert in einer schwierigen innenpolitischen Situation alleine der georgische demokratisch-diktatorische Präsident. Damit möchte er vermutl. die Reihen hinter ihm wieder schließen und den Westen zu neuerlicher antirußischer Intervention ermutigen.

    @ taz: Georgien liegt in Asien. Und sollte dann wohl auch unter der entsprechenden Rubrik erscheinen. Auch wenn die EU von "unmittelbarer Nachbarschaft" spricht.

  • D
    Diether

    Wer greift hier wen an? Die Frage, die auch am Anfang des letzten Waffengangs in Georgien stand. Wir wissen es nicht und werden es wohl auch nicht erfahren. Nur eins steht für mich fest: Saakaschvili ist die Lunte am Pulverfass Kaukasus. Um sein Ziel des Staates Georgien innerhalb der sowjet-kolonialen Grenzen zu erreichen, wagt er alles, auch wenn so mancher NATO-Potentat ihm hinter verschlossenen Türen den Vogel zeigt. Schade nur, dass diese Spielchen mal wieder unschuldige und vollkommen sinnlose Opfer kosten.