Sudan-Friedensgespräche in Genf: Über Sudan reden
US-Sonderbeauftragter Perriello eröffnet in Genf Gespräche über einen Waffenstillstand im Sudan. Die Armee boykottiert das, die RSF-Miliz nimmt teil.
Wenigstens die Kulisse stimmte, als am Mittwoch eine Sudan-Friedenskonferenz in Genf begann. Unter den Flaggen der USA und Saudi-Arabiens als Verhandlungsführer und der Schweiz als Gastgeber erinnerte Tom Perriello, Sudan-Beauftragter des US-Außenministeriums, in seiner Eröffnungsansprache an die Notwendigkeit, das Leid und den Krieg in Sudan zu beenden: „Die Kriegsparteien müssen das humanitäre Völkerrecht respektieren und humanitäre Hilfe zulassen“, fasste er auf X seine Worte zusammen: „Es ist höchste Zeit, dass die Waffen schweigen!“
Die Kriegsparteien waren bei dieser Eröffnung allerdings gar nicht dabei. Sudans Regierung lehnt die Gespräche, zu denen die US-Regierung vor drei Wochen geladen hatte, rundherum ab, weil sie erst den seit April 2023 tobenden Krieg gegen die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) gewinnen will.
Während sich in Genf die Diplomaten versammelten, bekräftigte Sudans Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan in einer Rede am Regierungssitz Port Sudan seine ablehnende Haltung: „Solange die Rebellenmiliz unsere Heimat besetzt, kann es keinen Frieden geben“, sagte er. „Die Militäroperationen werden nicht eingestellt, bevor die allerletzten Milizen aus den Städten und Dörfern abziehen, die sie überfallen und besetzt haben.“
Burhan konnte an diesem Tag kaum etwas anderes sagen – der 14. August wird in Sudan als „Tag der Armee“ gefeiert, zum Gedenken an die Einrichtung der ersten einheimischen Armeeführung am 14. August 1954 zwei Jahre vor der Unabhängigkeit. Traditionell hält Sudans Armeechef an diesem Tag eine patriotische Rede an die Streitkräfte.
Der Armeechef ist seit Jahrzehnten in Sudan auch der Staatschef, seit 2019 in der Person von General Burhan, der mit einem Putsch 2021 auch die bestehende zivil-militärische Übergangsregierung beseitigte – damals noch gemeinsam mit Mohamed Hamdan Daglo (genannt Hametti), Chef der paramilitärischen RSF-Miliz, der dann am 15. April 2023 in den Aufstand gegen ihn trat.
Zuletzt scheiterten UN-Bemühungen
Aus Sicht Hamettis ist Burhan seit Kriegsbeginn nur noch Armeechef und nicht mehr Staatschef. Dieser Dissens ist einer der Gründe, warum Friedensgespräche zwischen Sudans Kriegsparteien immer wieder scheitern. Zuletzt hatte der UN-Sudan-Beauftragte Ramtane Lamamra, ehemaliger algerischer Außenminister, zwischen 11. und 19. Juli in Genf indirekte Verhandlungen geführt: Vertreter der Armee und der RSF saßen an getrennten Orten, Lamamra fuhr hin und her, zu insgesamt zwanzig Gesprächsrunden über „die Verteilung humanitärer Hilfe“ und „den Schutz von Zivilisten, wie er am Ende mitteilte. Die beiden Delegationen hätten „ihre Positionen geäußert“, sagte Lamamra – mehr war offenbar nicht möglich.
Das Scheitern dieser indirekten Gespräche brachte die US-Regierung dazu, einen Sprung nach vorn zu wagen und beide Kriegsparteien für den 14. August zu Waffenstillstandsgesprächen einzuladen. Es gehe um „ein Ende der Gewalt“ sowie „das Ermöglichen humanitären Zugangs zu allen Bedürftigen“, aber „diese Gespräche zielen nicht darauf, weitergehende politische Themen zu behandeln“, so Perriello.
Burhan schlug die Einladung aus. Hametti nahm sie an und in einem Statement am 12. August bekräftigte er seinen „ehrlichen Willen, den Krieg sofort zu stoppen“. Gleichzeitig gab er die Gründung einer „Spezialtruppe zum Schutz von Zivilisten“ bekannt – der RSF werden brutale Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung vorgeworfen.
In welcher Weise die RSF-Delegation nun an den Gesprächen in Genf teilnimmt, die bis zum 24. August angesetzt sind, ist noch nicht bekannt. Die Vereinigten Arabischen Emirate als wichtigster RSF-Waffenlieferant und Ägypten als politisch-militärische Schutzmacht der Regierung Burhan sind jedoch ganz offiziell präsent. Formal geht es um Maßnahmen zur Gewährleistung humanitärer Hilfe, die beide Kriegsparteien im Mai 2023 im saudischen Dschiddah vereinbarten und seither nie eingehalten haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge