Suche nach einem Endlager für Atommüll: Stress mit der Bewegung
Anti-Atom-Initiativen kritisieren den Abschlussbericht der Endlagerkommission. Auch innerhalb des Gremiums gab es in vielen Punkten keine Einigkeit.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der als einziger Umweltverband in der Kommission vertreten war, hatte den Abschlussbericht bereits in der letzten Sitzung des Gremiums abgelehnt. Nach der offiziellen Übergabe des Berichts haben am Dienstag weitere wichtige Gruppen scharfe Kritik geübt. „Nach zwei Jahren bleibt ein Scherbenhaufen“, sagte Jochen Stay von der Initiative ausgestrahlt; er gilt als ein zentraler Akteur der Anti-Atom-Szene. „Der Konflikt ist nicht gelöst, sondern lediglich vertagt“, bemängelt Stay. „Wesentliche Entscheidungen werden der neuen, mächtigen Atommüll-Behörde überlassen.“
So wird es auch diese neue Behörde sein, die anhand der von der Kommission beschlossenen Kriterien entscheidet, ob der umstrittene Standort Gorleben im Verfahren bleibt. Dass der Salzstock im Wendland nicht von vornherein ausgeschlossen wurde, war ein zentraler Kritikpunkt vieler Atomkraftgegner.
Dieser Streit zog sich auch durch die Kommission, die aus 16 stimmberechtigten Wissenschaftlern und VertreterInnen der Zivilgesellschaft sowie 17 nicht stimmberechtigten PolitikerInnen bestand. „Gorleben hätte von Anfang an aus dem Verfahren herausgemusst“, sagte der ehemalige SPD-Staatssekretär Michael Müller als einer der Kommissionsvorsitzenden. Die zweite Vorsitzende, die CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser, widersprach: Ein politischer Ausschluss von Gorleben hätte den Konsens für einen Neustart der Endlagersuche verhindert.
Jochen Stay, Initiative Ausgestrahlt
Ob Gorleben anhand der beschlossenen Kriterien aus dem Verfahren ausscheiden wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Martin Donat von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg meint: „Es ist genau darauf geachtet worden, dass die Kriterien Gorleben nicht ausschließen.“ Ein Teil der Kommissionsmitglieder ist genau der gegenteiligen Überzeugung, darunter auch Müller. „Bei korrekter Anwendung der Kriterien scheidet Gorleben aus“, ist auch die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl überzeugt. So wurde ein unbeschädigtes Deckgebirge, das bei Gorleben fehlt, als Kriterium festgelegt – allerdings nur als ein sogenanntes Abwägungskriterium, über dessen Gewichtung am Ende die Behörde entscheidet.
Auch jenseits der Gorleben-Frage war sich die Kommission in vielen Punkten uneinig. So votierte das Land Sachsen ebenso gegen den Bericht, weil man dort mit den Kriterien für die mögliche Einlagerung von Atommüll in Granit nicht einverstanden ist. Sondervoten gab es auch von den Vertretern der Industrie, vom Land Bayern und vom Linken-Abgeordneten Hubertus Zdebel.
Die Vorsitzenden hoffen dennoch darauf, dass die Politik den Vorschlägen folgt. Das Problem der Endlagerung müsse „unabhängig von früheren Positionen“ gelöst werden, sagte Müller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück