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Stuttgart 21High Noon am Nordflügel

Der Streit über das Milliardenprojekt geht in die entscheidende Phase. Teile des alten Bahnhofs sollen jetzt abgerissen werden. Und der Widerstand der Gegner wächst.

Eine Mahnwache am Bahnhof soll dem Abrissbagger Einhalt gebieten. Bild: dpa

BERLIN taz/dpa | In Stuttgart wächst der Widerstand gegen den geplanten Mega-Umbau des Hauptbahnhofs samt Gleisanlagen. Seit Wochen halten Projektgegner rund um die Uhr eine Mahnwache vor dem Nordflügel des alten Kopfbahnhofs. Sie wollen verhindern, dass die Bahn mit dem Abriss beginnt und damit das nach offiziellen Angaben 4,1 Milliarden Euro teure Projekt kaum mehr umkehrbar ist.

Am Montagabend gab es die wöchentliche Demo, die seit Ende vergangenen Jahres stattfinden. Mittlerweile kommen meist mehrere tausend Projektgegner. Am Wochenende errichtete die Bahn Bauzäune vor dem Nordflügel, binnen einer halben Stunde kamen Hunderte von Demonstranten zusammen. Mit dem Abriss des Gebäudes wird wohl in den nächsten Tagen begonnen. Den genauen Termin kenne man selbst nicht, hieß es aus dem Büro des Projektsprechers. Die Behörden halten den Zeitplan geheim, um weiteren Protesten vorzubeugen.

Der Protest ist vielfältig: Seit Ende Juli rufen der Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler und der Staatstheaterregisseur Volker Lösch täglich um 19 Uhr zum "Schwabenstreich" - in der ganzen Stadt versammeln sich kleine Menschenmengen, um 60 Sekunden lang zu lärmen. Andere Aktivisten planen, sich an Bauzäunen und Bäumen festzuketten, und wollen Sitzblockaden errichten. Seit Wochen trainieren sie dafür. Sie wollen weitermachen, auch nach dem Abriss von Teilen des alten Bahnhofs. "Solange die Tunnel nicht gebohrt sind, können wir ,Stuttgart 21' noch stoppen", sagt Thomas Renkenberger, einer der Sprecher der Mahnwache. Er wendet sich dagegen, der Protest könne militant werden: "Die verbohrten Betonköpfe und Profiteure der CDU und FDP versuchen, mit angeblichen Gewalttaten ihre Stammtische zu mobilisieren."

Die Demonstranten kritisieren die hohen Kosten und bezweifeln den Nutzen des Umbaus; sie plädieren für eine Modernisierung des Kopfbahnhofs. Am Samstag ist die nächste große Demonstration geplant, erwartet werden mehrere tausend TeilnehmerInnen.

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6 Kommentare

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  • AC
    Astrid Cordts

    manchmal bedauere ich ja die Bewohner in der Schweiz, weil sie so oft über Gesetze abstimmen müssen. Mittlerweile sage ich aber, daß ich diese Regelung in der Schweiz begrüße und mir auch für Deutschland wünschen würde.

     

    Ein Bürgerentscheid wäre hier in der Frage zu Stuttgart 21, Laufzeiten von Atomkraftwerken und Entsendung von Soldaten in Krisengebiete usw. sinnvoll.

     

    Voraussetzung dafür, daß die Bürger sich hier eine Meinung bilden können wäre allerdings eine EHRLICHE Inforfationspolitik aller Beteiligten (und daran scheitert meine Idee....) und die Bereitschaft vieler Bürger sich sachlich zu informieren und mit zu gestalten. Und dies ist bei der derzeit herrschenden Politikverdrossenheit mancher Mitmenschen auch schwierig.

     

    Ich bin für einen Bürgerentscheid in Sachen S 21 auch wenn dafür die rechtlichen Gegebenheiten geändert werden müßten, denn Demokratie ist mir sehr wichtig. Solange die Demokratie mit Füßen getreten wird, werde ich aktiv, aber ohne Gewalt, gegen S 21 vorgehen.

  • KP
    konservativer Protest

    Ich finde den Kommentar der TAZ "konsverativer Protest" sehr scharfsinnig. Die Protestler sind eher älter, eher ökologisch und die Argumente sind eher technokratisch: da werden Tunnelbiegungen und Grundwassersenkungen nachgerechnet und Risiken aus anderen Studien abgeleitet. Es ist interessant, wie die Stimmung "die da oben" sich in dieser Kritik sammelt. Übrigens: ich bin 43, Informatiker und Befürworter von Stuttgart 21.

  • K
    Katharina

    Noch eine Ergänzung zu meinem Eintrag vom 3.8. (s. unten):

     

    Unter http://stuttgart-21-kartell.org/ wird der "Dunstkreis von Machtmissbrauch und Größenwahn" in Zusammenhang mit dem unterirdischen Prestigeprojekt "Stuttgart 21" dargestellt.

    Diese Website ist definitiv einen Besuch wert!

  • KH
    Klaus H

    Auch bei der taz sind sie offensichtlich zwischenzeitlich viel zu faul um wenigstens im Netz zu rechergieren.

    Ich machs Euch noch einfacher:

    http://kopfbahnhof-21.de/

    Also 1 Klick, lesen müsst Ihr dann aber schon selber.

  • K
    Katharina

    Mittlerweile gibt es - während der Protest immer größer und lauter wird - neue brisante Nachrichten aus Stuttgart:

     

    Wie die stuttgarter Zeitungen berichten, hat sich "die Firma Wolff & Müller, mit 1600 Mitarbeitern und jährlich 500 Millionen Euro Bauvolumen eines der großen Bauunternehmen in privater Hand, [...] die Dienste des Stuttgarter Finanzbürgermeisters Michael Föll gesichert. Föll (CDU) berät die Wolff & Müller-Holding seit dem 14.Juli 2010 als Beiratsmitglied. Der Nebenjob wird "im kleineren Rahmen" entschädigt, sagt das Stuttgarter Bauunternehmen."

     

    Weitere Infos dazu hier:

     

    http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.finanzbuergermeister-michael-foell-beraet-bauunternehmen.3c9adcea-931a-4dee-98fb-28f786a49426.html

     

    und hier:

     

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2579688_0_9223_-wegen-hilfe-fuer-wolff-mueller-kaemmerer-unter-druck.html

  • S
    stopsignal

    Stuttgart 21 ist so lange umkehrbar, wie die oberirdischen Gleise liegenbleiben. Und das wird so lange sein, bis alle Tunnels fertig und betriebsbereit sind. Es wäre natürlich billiger und vernünftiger, wenn man Stuttgart 21 sofort stoppt.