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"Stuttgart 21"-ProjektleiterHany Azer gibt auf

Überraschend gibt der anerkannte Tunnelbauexperte und Chefplaner des Projekts "Stuttgart 21", Hany Azer, die Leitung ab. Er habe zuletzt nur noch unter Personenschutz arbeiten können.

Unter S21-Gegnern stark umstritten: Bauleiter Hany Azer (re). Bild: dpa

STUTTGART/BERLIN dpa | Der Chefplaner von Stuttgart 21, Hany Azer, gibt überraschend die Leitung des umstrittenen Bahnvorhabens ab. Er werde diese Funktion auf eigenen Wunsch nur noch bis zum 31. Mai ausüben, teilte die Bahn am Montag in Berlin mit.

Azer habe sich immer wieder persönlichen Anfeindungen bis hin zu Drohungen ausgesetzt gesehen. Zuletzt sei es dem 1949 in Kairo geborenen Azer nur unter Personenschutz möglich gewesen zu arbeiten. Er soll in Stuttgart nie richtig heimisch geworden sein und seine Familie deshalb auch nicht nachgeholt haben, sagen Insider.

Azer werde eine andere Aufgabe im Konzern übernehmen, teilte die Bahn weiter mit. Ein Nachfolger soll bis Ende Mai berufen werden. Ein Ersatz für die exponierte Stellung dürfte schwer zu finden sein. Denn der zweifache Familienvater gilt als einer der renommiertesten Tunnelbauexperten Europas. "Es muss ein hoch qualifizierter Mann mit starken Nerven sein", sagte der frühere Projektsprecher Wolfgang Drexler (SPD).

Für 4,1 Milliarden Euro will die Bahn den Stuttgarter Kopfbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umwandeln und durch einen fast zehn Kilometer langen Tunnel über den Flughafen Stuttgart an die geplante Schnellbahntrasse nach Ulm anschließen. Azer leitete das Projekt seit April 2008. Zuvor war der Ingenieur unter anderem für den Berliner Hauptbahnhof verantwortlich gewesen.

Bahnchef Rüdiger Grube bedauerte Azers Entscheidung und dankte für dessen "beispiellosen persönlichen Einsatz". In der Öffentlichkeit wirkte Azer stets reserviert und wenig auskunftsfreudig. Für Interviews war der Mann, der Gartenarbeit, Schach, Angeln und Sport als Hobbys angibt, kaum zu haben.

Kurz vor der Landtagswahl im März hatte ein Brief Azers für Wirbel gesorgt, in dem er vor Kostenrisiken gewarnt hat. Die geplanten Einsparungen von 900 Millionen Euro, mit denen die Bahn die Kosten auf dem bisherigen Stand von 4,1 Milliarden Euro drücken will, seien nur schwer realisierbar, hatte der Ingenieur geschrieben. Aus Sicht der Befürworter hatte es sich um einen ganz normalen regelmäßigen Brief zum Planungs- und Baufortschritt gehandelt.

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16 Kommentare

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  • D
    davidly

    @Nichtversteher:

     

    Nochmal zu betonen, das nachkommen lassen geht um Stuttgart, nicht Deutschland. Ich weiß nicht von andere Zeitungen, aber Du kommentierst dieser Artikel, oder?

     

    Naja, egal. Es gibt mehr Infos zu Azer: seine Familie lebt doch in Deutschland, sind hier geboren. Er pendelt Wochenenden zwischen ihre deutsche Heimat und wo auch immer er arbeitet.

  • N
    Nichtversteher

    @ davidly und Ich bin dagegen

    danke für die aufklärung

    andere zeitungen zitieren es aber so das er sich in deutschland nicht wohl fühlt.macht auch sinn weil sonst könnte er ja seine familie woanderst nachkommen lassen - es gibt auch andere schöne fleckchen in deutschland - muss ja nicht stuttgart sein!

    wichtiger wäre mir aber erklärt zu bekommen warum der

    bürger 3 mal für ein grundstück bezahlen muss das ihm

    eigentlich eh schon gehört (staat = alle bürger)???

  • D
    davidly

    @nichtversteher:

    Die indirekte Aussage über sein nicht-heimisch-sein hat mit Stuttgart zu tun, nicht Deutschland. Hany Azer ist Deutschstaatsbürger und lebt seit über 35 Jahre in Deutschland.

     

    @Marie: Ich kann Dir teilweise zustimmen. Azer hat immer Tacheles geredet, die Bahn dagegen alles immer durchdrücken wollen. Ob der Ingenieur wirklich gedroht worden ist, das ist eine offene Frage.

     

    Dass er dieses Projekt aufgibt ist der richtige Schachzug. Hätte er es bloß früher gemacht.

  • 7
    70499

    Bevor die S21-Gegner und Grünenwähler in eine Ausländerhatz-Ecke gestellt werden, sei daran erinnert, dass im Innenstadt-Bezirk von Stuttgart die Grünenkandidatin Muhterem Aras (geboren in der Türkei) Stimmenkönigin der Grünen bei der letzten Landtagswahl in BW wurde. Sie holte ganz locker ein Direktmandat. Wie soll das zusammenpassen: Aras wurde gewählt und Azer soll bedroht worden sein - vom gleichen Publikum?

    Der Ingenieur Azer hat ganz andere Probleme: S21 - 1. verkehrskonzeptionelle Fehler, 2. verschleierte technische Risiken, 3. die Kostenlügen der DB AG: Berlin (Hauptbahnhof, 40% teurer) oder Leipzig (City-Tunnel, 100% teurer, http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/das-schwarze-loch-zu-leipzig/).

  • IB
    Ich bin dagegen

    @ von nichtversteher:

     

    ihr name scheint programm zu sein...

    wie im text eindeutig geschrieben steht, fühlt sich der gute ing. nicht in deutschland sondern STUTTGART unwohl... und wem kann man das wohl verdenken, oder soll er seine familie den ganzen stress und drohungen aussetzen?

  • A
    Anna

    Verletzt wurden ja wohl hauptsächlich friedliche Demonstranten, die leider keinen Personenschutz hatten, wir Herr Azner. Tut mir Leid Herr Azner, ich kann kein Mitleid haben, was den friedlichen Demonstranten schon an körperlichen und seelischen Schmerzen durch Gewalt und Beleidigungen wiederfahren ist, wird hier gar nicht erwähnt. Wer zahlt denn den Personenschutz Herr Azners?, wahrscheinlich sogar wir Bürger. Und wir dürfen uns nicht mal gegen die Polizei verteidigen, wenn diese uns angreift.

  • AB
    Armin Burkhardt

    Herr Azer wurde von den S21-Gegnern nie als

    Verantwortlicher thematisiert. Er stand auch

    nicht unter Polizeischutz, sondern wohlgemerkt

    unter Personenschutz seitens der Bahn.

     

    Man beachte die treffende Karikatur auf

    http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=4

  • M
    Marie

    Wir sind zwar keine Berufsdemonstranten, aber von Beginn an engagiert im Widerstand gegen dieses Unsinnsprojekt. Wer immer noch nicht glaubt wie unsinnig es ist, dem empfehlen wir sämtliche Stern- Beiträge zum Thema. Hany Azer wurde vom Widerstand hier in Stuttgart nie persönlich angegegriffen. Er wurde nicht einnal wahrgenommen. Zum Personenschutz fällt mir ein, wie Stephan Mappus seit dem letzten Herbst nirgendwo ohne eine Heerschar von Polizisten um sich herum auftauchte. Im Wahlkampf waren das dann manchmal seine einzigen "Gäste", neben ein paar ebenso eifrigen wie friedlichen Demonstranten mit ihren Plakaten und "Mappus weg" Rufen. Hany Azer hat man wohl vorsorglich auch in Polizei verpackt. Aber der wahre Grund seines Rücktritts ist mit hoher Wahrscheinlichkeit darin zu suchen, dass dieses Projekt niemals zu dem veranschlagten Preis gebaut werden kann, dass es enorme Risiken birgt und dass dabei eine excellent fachkundige Bürgerschaft jede Baubewegung und jedes auftretende Problem beobachten und lautstark an die Öffentlichkeit zerren wird. Und bei keinem dieser Probleme wird man behaupten können, es sei "unvorhersehbar" aufgetreten. Die Fachwelt sieht hier alles mögliche und unmögliche voraus und wacht mit Argusaugen. Ein Projektleiter wird in jedem Fall für alle Seiten der Sündenbock sein. Herr Azer hat also klug gehandelt, indem er zurücktrat.

  • F
    fhirsch

    Es gibt immer ein paar ultra-linke gewaltbereite Spinner, die solche Drohungen verbreiten. Das steht aber nicht repräsentativ für die vielen friedlichen S21-Gegner.

     

    Bevor es hier wieder heißt, "die armen S21-Befürworter" möchte ich an dieser Stelle an die vielen grün denkenden Leute in der Stuttgarter Stadtverwaltung und der Bahn, die vor der Landtagswahl massivem Druck ausgesetzt waren.

  • M
    Martin

    Die beispiellose Hatz der Linken und Grünen auf diesen Ingenieur mit Migrationshintergrund ist eine Schande für Deutschland. Ich schäme mich mittlerweile dafür, jemals einer linken oder grünen Partei meine Wählerstimme gegeben zu haben. Das wird auch nie wieder vorkommen.

  • R
    Rassisten?

    Der arme Mann wurde ohne Ende bedroht...scheinbar sind unter den Gegner sehr viele "Nazis" ! Schlimm und so weit ist es schon in Deutschland, dass er Personenschutz braucht

  • RB
    Roland Beck

    Für mich als "Berufsdemonstrant" klingt die Behauptung, es hätte Drohungen gegen Herrn Azer gegeben nach einem Versuch, den Widerstand gegen S21 zu diffamieren. Natürlich gibt es wie in jeder Bewegung auch Wirrköpfe, die vielleicht in emotionalen Situationen Drohungen aussprechen. Nur stand Herr Azer nie im Fokus der Bewegung. Herr Grube, Herr Kefer, Herr Schuster und (bis zur Wahl) Herr Mappus und Frau Gönner sind das "Gesicht" von S21, nicht Herr Azer.

     

    Bleibt also die Frage nach dem wahren Rücktrittsgrund und der ist meiner Meinung nach bei den Projektrisiken von S21 zu suchen.

  • W
    Wissender

    Der Mann hat die Zeichen der Zeit erkannt und verlässt das sinkende Schiff. Die Aussage bzgl. der Kosten ist doch wohl deutlich genug! Schade nur, das er es nicht so sagt und stattdessen diese doch etwas diffuse Bedrohung als Grund angibt.

  • N
    nichtversteher

    da kann ich mal gönner zitieren!

    "Also ich finde das schon bemerkenswert"

    er fühlt sich in deutschland nicht wohl

    arbeitet aber für die deutsche Bahn (also eigentlich auf staatskosten) mit einem wahrscheinlichen gehalt

    das ihn und seiner ganze sippe in ein paar jahren

    die schäfchen ins trockene holt - was bekommt

    ("verdient") der denn?

    das projekt sollte doch ursprünglich 2,6 milliarden kosten

    jetzt sind wir bei 5 milliarden? und die 900 millionen

    um die zu letzt versprochenen (angedrohten) 4,1 milliarden zu erreichen sollen auf kosten der sicherheit gehn? also die planer haben sich um 100%

    verkalkuliert?hätten sie das auch gemacht wenn die bahn komplett wie jedes andere unternehmen für ihre bauvorhaben selbst zahlen müsste?

    ist das richtig was ich sage:die bahn bekommt neue gleise/grundstücke auf staatskosten geschenkt

    wenn sie sie nicht mehr braucht verkauft sie die grundstücke an die stadt??? auf staaatskosten

    der bahnfahrer zahlt dann höhere trassenpreise

    weil die strecke so toll neu ist?

    ihr tollen geschäftsleute überlegt doch mal wie der bürger noch ein 4tes mal für ein und dieselbe sache

    den vollen anschaffungspreis bezahlt

    (da lässt man lieber die alten verrotten und lässt sich neue schenken) kann mir das mal jemand erklären?

  • E
    ebenerdig

    Wer hat Hany Azer eigentlich bedroht?

    Waren es nicht seine "eigenen" Leute?

  • U
    Unbequemer

    "Er habe zuletzt nur noch unter Personenschutz arbeiten können."

     

    Bei der Ökodiktatur heiligt der Zweck wohl auch alle Mittel. Drohen für den guten Zweck. Da muß Licht rein in diese verlogene grüne Heiligkeit.