Studieren in Kriegszeiten: Durchhalten im Hörsaal
Im Krieg gegen die Ukraine versuchen die Universitäten ihren Betrieb fortzusetzen. Viele Studierende aber sind nur im Onlinestudium – oder im Ausland.
![Studierende der Universität in Lemberg protestieren mit Schildern in der Hand Studierende der Universität in Lemberg protestieren mit Schildern in der Hand](https://taz.de/picture/6962252/14/35168446-1.jpeg)
Dieses Glück haben nicht alle ukrainischen Studierenden. Sogar in der Hauptstadt Kyjiw, die am besten vor russischen Raketen geschützt ist, sind viele Universitäten wieder zum Onlinestudium übergegangen. Der Grund dafür sind oft nicht nur Raketenangriffe, sondern auch das Bemühen, Energiekosten zu sparen. Zudem fehlen zunehmend auch die Studierenden.
Nach Angaben des ukrainischen Ombudsmanns für Bildung, Sergei Gornatschow, studiert mittlerweile jede*r Vierte im Ausland. Und auch die Zahl der Abiturient*innen nimmt ab. Seit Beginn des russischen Überfalls im Februar 2022 sind bereits mehr als 800.000 Schüler*innen in einem EU-Staat zur Schule gegangen. Die ukrainische Regierung hat deshalb in diesem Jahr eine unpopuläre Entscheidung getroffen: Wenn es in kleineren Städten mehrere Universitäten gibt, werden diese zusammengelegt.
Die Katholische Universität in Lwiw wurde von dieser Maßnahme verschont. Sie finanziert sich über Mäzene und Studiengebühren und steht heute in allen Bildungsrankings der Ukraine an der Spitze. Ein Studium an der UKU ist auch deshalb attraktiv, weil es hier ein großes Gemeinschaftsgefühl gibt. „Ich habe hier vor 20 Jahren meinen Abschluss gemacht, aber ich gehe nicht weg, ich stehe der Universität und ihren Menschen nahe“, sagt etwa der Absolvent Mikhail Salo.
Studierende engagieren sich ehrenamtlich
Dieses Gemeinschaftsgefühl ist dieser Tage besonders wichtig. Normalerweise treffen die Studierenden an der UKU neben ihren Vorlesungen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder besuchen ergänzende Veranstaltungen mit berühmten Wissenschaftler*innen. Seit Beginn des Angriffskriegs engagieren sich die meisten Studierenden ehrenamtlich.
Der Student Ivan Konkevitsch und seine Kommiliton*innen etwa stellen Tüten mit Trockenlebensmitteln für die Front zusammen. Sie gehen an Schulen und zeigen, wie dort geholfen werden kann. Trotz allem findet ein weitgehend regulärer Uni-Betrieb statt: „Heute hatte ich vier Stunden Unterricht und einen zusätzlichen Deutschkurs. Ich habe den Mitarbeiter*innen in der Bibliothek geholfen, war bei einem Treffen mit einem berühmten Architekten, und am Abend gibt es einen Uni-Filmwettbewerb über das Studentenleben“, schreibt der angehende Soziologe seinen Eltern. Aber es gibt auch solche Meldungen: „Gestern Nacht ist eine Rakete über uns hinweggeflogen, wir waren von 4 bis 7 Uhr morgens in einem Luftschutzbunker.“
Lwiw liegt 70 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt, aber auch bis hierher fliegen die russischen Raketen. Bei Luftalarm ist es verpflichtend, Schutzräume aufzusuchen. Wie ernst die Bedrohung ist, zeigt eine Gedenkecke im Hauptgebäude. Sie erzählt von Absolventen der Uni sowie von Angehörigen, die im Krieg gestorben sind. Es sind mehrere Dutzend.
Eine andere Folge des Krieges sind die „Flüchtlingsuniversitäten“. Nach dem 24. Februar 2022 zogen 44 Universitäten aus dem Osten und Süden in andere Städte um – die meisten aus Cherson und Mykolajiw. Laut Oleg Scharow, der im ukrainischen Bildungsministerium für den Bereich Hochschulen zuständig ist, hätten die evakuierten Einrichtungen an Qualität verloren.
Die Universitäten Charkiw, Saporischschja und Dnipro sind nicht umgezogen, einige ihrer Gebäude wurden zerstört, der Unterricht findet online statt. Die Nationale Technische Universität Donezk musste seit 2014 bereits zweimal den Ort wechseln. Heute ist sie in Luzk zu finden.
Aus dem Russischen von Barbara Oertel
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