Studiengebühren in Bayern: Auch die letzten Bastionen wackeln
Vor der Landtagswahl in Bayern trommeln die Freien Wähler gegen das Bezahlstudium. Die bayerische Landesregierung hält das Volksbegehren für unzulässig.
MÜNCHEN/BERLIN taz | Vor der Landtagswahl im nächsten Jahr kocht in Bayern die Debatte um die Studiengebühren hoch. Hintergrund ist ein Volksbegehren, das die Freien Wähler (FW) zur Abschaffung der Campusmaut initiiert haben. Die bayerische Landesregierung hält das Volksbegehren für unzulässig. Bis Herbst muss nun das bayerische Verfassungsgericht entscheiden. Sollte das Gericht das Volksbegehren kippen, dürfte das Thema im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen.
Im Kern geht es vor dem bayerischen Verfassungsgericht um die Frage, ob Studiengebühren Teil des Staatshaushaltes sind oder nicht. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts ist der Artikel 73 der bayerischen Verfassung. Darin heißt es: „Über den Staatshaushalt findet kein Volksentscheid statt.“ Über die Auslegung dieses Paragrafen gibt es geteilte Meinungen.
„Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass das Verfassungsgericht den Artikel meist recht weit ausgelegt hat“, sagt der hochschulpolitische Sprecher der Freien Wähler im bayerischen Landtag, Michael Piazolo. Das heißt, jede Vorschrift, die den Staatshaushalt tangiert, ist von einem Volksbegehren ausgeschlossen. Die Freien Wähler versuchen nun dennoch ihr Glück –auch um für die Landtagswahl 2013 junge, urban verwurzelte WählerInnen anzusprechen. Bisher ist die Partei vor allem auf dem Land aktiv. Abgeschaut haben sich die Freien Wähler die Kampagne von den bayerischen Piraten. Auch die sammeln Unterschriften für ein Volksbegehren.
Neben den Freien Wählern und den Piraten haben sich auch Grüne und SPD für die Abschaffung der Studiengebühren ausgesprochen. Doch während die SPD eine Massenpetition zum Thema initiierte und bereits im März 32.000 Unterschriften gegen Studiengebühren an die Präsidentin des Bayerischen Landtags übergab, haben die Grünen als einzige Partei bislang auf weitere Aktionen verzichtet. Nur ein Regierungswechsel könne zur Abschaffung der Studiengebühren führen, so die Grünen.
Und in Niedersachsen?
Neben Bayern ist Niedersachsen das einzige Land, das noch an der Campusmaut festhält. Doch auch im schwarz-gelb regierten Norden könnten die Gebühren mit der Landtagswahl im nächsten Jahr kippen, sollte die Opposition an die Macht kommen. „Wir werden die Studiengebühren definitiv abschaffen. Und das so rasch wie möglich“, sagte SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil der taz. Wann genau, hänge aber von der Haushaltslage ab.
Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) hält an den Gebühren von 500 Euro pro Semester fest. Sie geht sogar davon aus, dass es wegen der Schuldenbremse in den Ländern bald wieder bundesweit Studiengebühren geben könnte. „Ich würde auf das Gegenteil wetten“, so Weil. „Studiengebühren haben in Deutschland keine gesellschaftliche Akzeptanz.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin