piwik no script img

Studie zur finanziellen GleichberechtigungEs ist ein Skandal

Frauen in Deutschland steuern im europäischen Vergleich am wenigsten zum Haushaltseinkommen bei – nur 22 Prozent. Was läuft da schief?

Soviel zu: „Aber wir sind doch schon alle gleichberechtigt“ Foto: dpa

Es ist irritierend: Da gibt es in Deutschland eine Kanzlerin, ein paar Ministerinnen, eine Quote für Topjobs und das allgemeine Bekenntnis zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Trotzdem beschreibt der aktuelle Bericht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) die Bundesrepublik als geschlechterpolitisches Hinterland.

In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Nur rund 22 Prozent, also nicht einmal ein Viertel, erwirtschaften Frauen für die private Haushaltskasse. In Dänemark, das den ersten Platz in diesem Ranking belegt, beträgt der Einkommensanteil der Frauen zwar immer noch nicht die gewünschte Hälfte, aber immerhin 42 Prozent.

Skandal, könnte man jetzt aufschreien. Und ja: Es ist ein Skandal. Aber er überrascht nicht. Eher bestätigt die OECD erneut einen jahrelangen Trend: Deutschland hinkt bei der Aufteilung von unbezahlter Haushaltsarbeit zwischen Frauen und Männern hinterher. Mit 39 Prozent arbeiten zu viele Frauen Teilzeit, manche weniger als 20 Stunden, andere in Minijobs. Das sind nicht nur Mütter, die keinen Kita- oder Hortplatz finden, sondern auch kinderlose Frauen. Das Ehegattensplitting vor allem für kinderlose Paare mit einem Gutverdiener fördert den Anreiz für die Frau, nicht erwerbstätig zu sein.

Auch darüber, wie man das ändern kann, reden sich ExpertInnen hierzulande seit Jahren den Mund fusslig. In Talkshows liefern sie sich verbale Gefechte mit VertreterInnen tradierter Familien- und Rollenbilder, die stärker denn je Gehör finden. Nutzt also alles nichts, könnte man jetzt sagen.

Die sogenannte Work-Life-Balance

Stimmt aber so auch nicht. Immerhin sind heute 70 Prozent der Frauen in Deutschland erwerbstätig – wenngleich zu häufig in schlecht bezahlten Teilzeitjobs. 1986 waren es in den alten Bundesländern noch 48 Prozent. Im Osten ist die Erwerbsquote von Frauen traditionsgemäß höher.

Ständiges Darlegen der Faktenlage – weibliche (Alters-) Armut beispielsweise infolge von Trennung und Scheidung, größere Zufriedenheit und ein positiveres Selbstbild berufstätiger Frauen – wirkt. Nur: Dafür braucht es einen langen Atem.

Das beweisen die skandinavischen Länder. Seit den frühen 1980er Jahren wurden dort stetig Kita-Plätze ausgebaut, Vätermonate, Modelle für die Vereinbarkeit von Job und Pflege Angehöriger sowie die Quote für Aufsichtsräte eingeführt. Die sogenannte Work-Life-Balance ist in Norwegen und Schweden kein hohles Schlagwort, sondern Realität. Ebenso annähernd gleicher Lohn von Frauen und Männern sowie grundsätzlich innerhalb der Gesellschaft. Das trägt nicht nur zu einem sozialen Frieden bei, sondern auch zu mehr Zufriedenheit bei Paaren.

Die OECD-Studie trägt übrigens den Titel „Dare to share“. Deutsch: Teilen wagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    In einem zumindest sind wir uns einig: Alle vom Staat geschaffenen Anreize nicht arbeiten zu gehen gehören abgeschafft. Das kostet den Staat unnötig Geld und es motiviert Menschen die bezuschusst werden zu einer fremdbestimmten Lebensweise. Nicht nur auf die Kürze, sondern auch auf lange Sicht. Die Altersarmut winkt denjenigen schon die zu lange nicht in die Rentenkasse einzahlen.

     

    Das mit der Gleichstellung sollten Sie sich allerdings nochmal genau ansehen. Im GG heißt es: “Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.”

     

    Die Beseitigung bestehender Nachteile, nicht die Beseitigung bestehender Verhältnisse. Das Ganze ist weit weniger generell gefasst als Sie es hier darstellen.

     

    Das heißt auch die vorherrschenden Verhältnisse können absolut legitim sein, wenn Frauen sich bewusst und ohne Zwang für einen anderen Lebensstil entscheiden als Männer.

    Um eine echte Gleichstellung zu erreichen müsste man also erstmal daran interessiert sein im Detail festzustellen was Frauen und Männer sich denn überhaupt wünschen und wie viel sie bereit sind dafür zu tun. Erst dann kann man kontrollieren wie es sich mit der Gleichberechtigung in der Praxis verhält.

     

    Das passiert freilich nicht, stattdessen wird in sozialmarxistischer Manier davon ausgegangen das Gleichberechtigung dann besteht wenn in allen Bereichen 50/50 Verhältnisse herrschen. Das ist der Punkt an dem ich in Sachen Feminismus großen Anstoß nehme. Es geht hier überhaupt nicht darum den Menschen gerecht zu werden, sondern der eigenen Ideologie!

    • @33523 (Profil gelöscht):

      "In einem zumindest sind wir uns einig: Alle vom Staat geschaffenen Anreize nicht arbeiten zu gehen gehören abgeschafft. "

       

      Richtig, nicht nur das Ehegattensplitting, auch das Erbrecht gehört abgeschafft.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Kurzer Einwurf zum ersten Absatz: "...Anreize nicht arbeiten zu gehen, gehören abgeschafft". Nö, sind wir uns nicht einig. Wenn ein Mann oder eine Frau entscheiden, dass sie statt Erwerbsarbeit nachzugehen, lieber Kinder grossziehen wollen, dann ist das meiner Meinung nach tatsächlich förderungswürdig. D.h. durch eine solche Entscheidung darf man m.E. keinen Nachteil erleiden. Z.Zt. ist es so, dass (vorwiegend) Frauen, die sich so entscheiden, später nicht selbstbestimmt leben können (weil meist von einem Mann abhängig, der die Kohle ranschafft.). Und das ist meiner Meinung nach ein Skandal. Aber andere Politik wäre eben nicht wirtschaftskonform. Und nebenbei noch nicht mal auf einer Linie mit der vorherrschenden Form des Feminismus.

      Da wird sich also nix tun. Schade.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Markus M:

        Ich habe nichts dagegen wenn Menschen zu Hause bleiben wollen um ihre Kinder grossziehen. Absolut okay für mich. Ich will nur nicht das der Staat sie dazu animiert indem er sie dafür finanziell entlastet.

         

        "D.h. durch eine solche Entscheidung darf man m.E. keinen Nachteil erleiden."

         

        Warum denn das nicht? Das sind erwachsene Menschen (hoffentlich) und die sind für ihr eigenes Leben zuständig. Wenn sie entscheidungen treffen müssen sie die Konsequenzen dieser auch tragen. Und die Konsequenz aus der Entscheidung nicht weiter zu arbeiten ist der Verlust des Gehaltes.

         

        "Aber andere Politik wäre eben nicht wirtschaftskonform."

         

        Kurzfristig ja. Langfrsitig leiden unter schlechter Wirtschaft nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen und zwar massiv. Die Wirtschaft ist kein selbstzweck, sondern notwendig damit der Lebensstandard an den man sich gewöhnt hat gehalten und weiter erhöht werden kann.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          "Alle vom Staat geschaffenen Anreize nicht arbeiten zu gehen gehören abgeschafft."

          Warum abgeschafft? In anderen Ländern (nuja, Schweden) gibt es da ganz interessante Regelungen, die die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung auch wirklich fördern und verhindern, dass Eltern durch diese Unterbrechung Nachteile entstehen:

          http://aufnachschweden.blogspot.de/2014/01/elternzeit-planen.html

           

          Bei uns gibt es leider zu wenig Menschen mit etwas Fantasie in dieser Richtung und Gleichberechtigung scheint in vielen Köpfen noch irgendwie was negatives zu sein.

          • @Artur Möff:

            Nunja, zu erst einmal attestiert ja diese Studie, dass das Zuhausebleiben etwas negatives ist (da wenn Frauen es öfters tun als Männer dies ein negativer Zustand ist), dieses dann für Männer stärker zu fördern hat eine gewisse inkoheränte Logik.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Kinder großziehen, bedürftige Familienmitglieder pflegen, soziale aber weitgehend unbezahlte Dienste leisten etc. stellt einen Dienst an der Gesellschaft dar. Daher sollte es honoriert, nicht bestraft werden. So meinte ich das.

          • @Markus M:

            Dann muss aber der Staat die Hausfrau mit 3 Kinder mehr unterstützen als mit weniger Kinder.

             

            Auch wieder nicht gut, da damit das klassische Familienmodell zementiert wird (was man ja nicht will)

             

            Eine Vollzeithausfrau bringt nun mal mit 3 Kindern mehr "honorierte" Dienste an der Gesellschaft als die Alleinerziehende mit einem Kind, die nebenher noch ihrer Selbstverwirklichung nach geht.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @33523 (Profil gelöscht):

          "Ich will nur nicht das der Staat sie dazu animiert indem er sie dafür finanziell entlastet."

           

          Hätte heißen sollen: "Ich will nur nicht das der Staat sie dazu animiert indem er sie dafür finanziell entlohnt."

  • ich sehen den Skandal nicht. Vor einigen Tagen habe ich in anderem Zusammenhang auf die vielen Studien verwiesen, wonach für Frauen bei der Partnerwahl wichtig ist, dass der Mann mindestens gleich viel, besser mehr verdient. Dass es umgekehrt nicht so ist und die Gesellschaft Frauen durchaus respektiert, die zum Haushaltseinkommen wenig beitragen, während Männer sich dafür rechtfertigen müssen. Bei diesem Rollenbild ist es normal, dass sich das auch wiederspiegelt, Männer also mehr aufs Geld achten, wenn es um die Berufswahl geht.

  • Eine weitere Sache, die in nordeuropäischen Ländern zum Erfolg geführt hat: Massive Einschränkung des Mutterschutzes.

     

    Wenn eine Frau pro Kind 3 Jahre zu Hause bleibt (bleiben kann) führt das zu deutlichen Gehaltseinbußen und ist hinderlich für ihre Karriere.

  • Warum ist der "gewünschte" Anteil eigentlich die Hälfte? Warum wird angenommen, dass Frauen und Männer im Durchschnitt dasselbe wünschen? Warum ist das Ziel Gleichstellung, nicht Gleichberechtigung? Warum ist die Politik (und der feministische Aktivismus) nicht daran ausgerichtet, Männer und Frauen ein selbstbestimmtes Leben (in Arbeit und Rente) zu ermöglichen, anstatt alle in dieselbe Form zu pressen?

     

    Ach ja, das liegt daran, dass "Gender", nicht "Sex" (also kulturelles, nicht biologisches Geschlecht) als bestimmende Variable dient. Und damit jeder Unterschied im durchschnittlichen Verhalten zwischen Frauen und Männern auf Diskriminierung zurückgeführt wird, nicht vielleicht auf unterschiedliche Prioritäten (wohlgemerkt: Im Durchschnitt, nicht im Einzelfall!).

     

    Ich frage mich, ob es Zufall ist, dass die Gendertheorie und der Kapitalismus dasselbe Ziel haben: alle Menschen nach Einkommen in sortieren und in kapitalistische Arbeitswelten zu pressen.

  • Studie? - kleiner Flirt -

    Samstagnachmittag bei REWE.

     

    Angesichts todschicker Türkin anne Kasse:

    "Meinscheißenocheins - alle wieder was aufgebrezelt!"

    "Klar - wir arbeiten hier alle - für Lippenstift&Makeup!;)