Studie zur Nutzung von Kultur in Berlin: Ein Blick vor die Bühne

Kino ist das beliebteste Kulturangebot für BerlinerInnen, klassischen Konzerten droht das Publikum wegzusterben. Das zeigt eine neue Studie.

Blick in den Zuschauerraum des Berliner Ensemble mit sehr wenigen Sitzplätzen

Wer sitzt auf diesen Stühlen? Und wer nicht? Blick in den Zuschauerbereich des BE Foto: dpa

BERLIN taz | Es hätte sicher bessere Zeiten gegeben für Klaus Lederer (Linke), um eine Studie zur „kulturellen Teilhabe“ vorzustellen als diesen Montag. Schließlich wird der Kultursenator nicht müde zu betonen, dass die Kultur mit am meisten von den Auswirkungen der Coronakrise getroffen ist und weiter auf entsprechende Unterstützung angewiesen sein wird. Aktuell stellt sich also weniger die Frage, wer denn die Kulturangebote in Berlin wahrnimmt und wer nicht, sondern vor allem, welche Kulturangebote es überhaupt gibt und wenn ja, in welcher Form.

Doch da es bisher laut Lederer kaum Untersuchungen dieser Art gibt und sie künftig alle zwei Jahre wiederholt werden soll, lohnt sich ein vorsichtiger Blick auf die Studie, erstellt von einem Institut der öffentlich-rechtlichen „Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung“. Vorsichtig unter anderem deswegen, weil bisher nur ein Teil der Ergebnisse bekannt ist; der Rest soll Lederer zufolge spätestens im Winter folgen.

Neu an der Studie ist, dass sie nicht nur die BesucherInnen von Kulturangeboten in den Blick nahm, sondern repräsentativ die Kulturnutzung der Bevölkerung Berlins untersucht, also auch jene Menschen befragt hat, die in den letzten zwölf Monaten eben nicht im Kino, im Theater, bei einer Lesung, auf einem Popkonzert, in der Oper, in einer Ausstellung oder auch im Zoo und Tierpark waren.

Schließt man letztere beiden Ausflugsziele ein und wertet sie als Kultur – was laut Studienleiterin Vera Allmannritter etwa in Großbritannien durchaus üblich sei –, dann kommt die Untersuchung zum fulminanten Ergebnis, dass lediglich sieben Prozent der BerlinerInnen kein solches Angebot wahrgenommen hat. Das heißt umgekehrt, dass die hiesigen GroßstädterInnen echte Kulturfans sind. Klammert man den Zoo aus, sind es immer noch 73 Prozent.

Einmal kostenlos pro Monat ins Museum? Der Aktionssonntag soll nun erst nächstes Jahr kommen

Wenig überraschend führt das Kino die Rangliste an: Mehr als 80 Prozent haben innerhalb der vergangenen zwölf Monate mindestens ein Mal vor der großen Leinwand gesessen, gut die Hälfte mindestens vier Mal. Danach folgen die Tierparks, die von 64 Prozent der Befragten mindestens einmal besucht wurden; Rock-, Schlager- und andere popkulturelle Konzerte mit 55 Prozent und Ausstellungen mit knapp 50 Prozent. Geantwortet hatten auf die schriftliche Umfrage rund 3.400 Menschen, gefragt wurde im Zeitraum von Juni bis Oktober 2019.

Am Ende der Liste stehen experimentelle Musik (20 Prozent mit mindestens einem Besuch), Literatur-Lesungen (25 Prozent), aber auch die Gruppe aus Oper, Ballett und Tanztheater (30 Prozent) sowie klassische Musik (35 Prozent). Letzteren Konzerten droht, so die Untersuchung, gar das Verschwinden des Publikums: Der Anteil der Zuschauer über 60 ist fast doppelt so hoch wie der zwischen 17 und 29. „Das könnte ein Problem werden“, sagte Vera Allmanritter. Bei Ausstellungen oder auch Theater sind die Alterstufen einigermaßen gleich verteilt. Das Kino wiederum wird eher von jüngeren und der großen Gruppe zwischen 30 und 59 Jahren besucht.

Jene, die zuletzt keine klassischen Kulturangebote genutzt haben, gaben als Grund dafür vor allem fehlendes Geld und teure Eintrittspreise an, oder auch, dass zu wenige Angebote sie interessieren würden oder diese in der näheren Umgebung sein müssten.

Die Vielfalt Berlins abgebildet?
Grafik zeigt kulturnutzen

Infografik: Infotext

Es sei sein Ziel, dass möglichst viele Menschen in den Genuss von Kultur kommen können, betonte Lederer am Montag. Die Ergebnisse der Untersuchung seien hilfreich für ihn und die jeweiligen Institutionen, um zu schauen, ob all jene Menschen erreicht werden, die man erreichen will, und ob es gelingt, „die Vielfalt der BerlinerInnen“ innerhalb der BesucherInnen abzubilden.

Der unter anderem deshalb geplante eine Sonntag pro Monat mit kostenlosem Eintritt in Museen sei wegen Corona auf kommendes Jahr verschoben worden, sagte Lederer, betonte aber zugleich: „Auch kostenfrei geht ein Teil der Bevölkerung einfach nicht hin.“ Er forderte deswegen mehr Anstrengungen der Bildungsverwaltungen, in Kitas und Schulen musikalische und künstlerische Bildung anzubieten. Denn: Wer nicht schon in jungen Jahren Kunst und Kultur nahe gebracht bekomme, sehe man später auch nicht mehr in Museen oder Konzerten.

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