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Studie zur Integration von MuslimenDeutschland auf gutem Weg

Muslime, die schon lange in Deutschland leben, sind vergleichsweise gut integriert. Doch es gibt auch Schattenseiten, glaubt eine Bertelsmannstudie.

Im europäischen Vergleich steht Deutschland bei der Integration gut da Foto: dpa

Gütersloh epd | Die Integration von Muslimen in Deutschland macht laut einer aktuellen Studie deutliche Fortschritte. Muslime seien spätestens seit der zweiten Generation mehrheitlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag in Gütersloh bei der Vorstellung des „Religionsmonitors 2017“.

Besonders erfolgreich verlaufe die Integration der rund 4,7 Millionen in Deutschland lebenden Muslime in den Arbeitsmarkt. Drei von vier Kindern muslimischer Einwanderer (73 Prozent) wachsen der Studie zufolge mit Deutsch als erster Sprache auf. Ihr Anteil steige von Generation zu Generation.

Der Grad der Beschäftigung von Muslimen unterscheide sich kaum vom Bundesdurchschnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung, hieß es. Rund 60 Prozent der Muslime arbeiteten in Vollzeit, 20 Prozent in Teilzeitstellen. Auch die Arbeitslosenquote gleiche sich an. Muslimische Folgegenerationen holten den Bildungsrückstand ihrer Eltern und Großeltern zunehmend auf. In Deutschland verlasse jedoch noch mehr als jeder dritte muslimische Jugendliche (36 Prozent) vor Ende des 17. Lebensjahres die Schule. In Frankreich, wo Kinder gemeinsam länger lernten, sei es nur jeder neunte (elf Prozent).

Die Studie bemängelte, dass es für hochreligiöse Muslime in Deutschland schwer sei, einen qualifizierten Job zu finden. Sie verdienten erheblich weniger als Muslime, die ihre Religion nicht praktizierten. In Großbritannien hingegen seien sehr religiöse Muslime bei gleicher Qualifikation in den gleichen Berufsfeldern vertreten.

Deutschland habe bei der rechtlichen Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften und in der Antidiskriminierungspolitik noch einen Nachholbedarf, erklärte die Islamexpertin der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menour. Die Autoren der Studie beklagen zudem, dass die Integrationsleistungen von Muslimen in Deutschland zu wenig gewürdigt würden. So gebe jeder fünfte Bundesbürger (19 Prozent) an, keine Muslime als Nachbarn haben zu wollen.

Der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung vergleicht international die Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Grundlagen sind repräsentative Bevölkerungsumfragen. Die Studie wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt.

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3 Kommentare

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  • Die Bertelsmann-Stiftung sorgt für sozialen Frieden und macht die Wohnstubenwelt schöner als sie ist. Darin besteht die systemische Hauptaufgabe der Kapitalstiftung.

     

    Der Kapitalismus der Bundesrepublik definiert sich über die materielle Teilhabe an der Gesellschaft. Wenn nach bürgerlich-wissenschaftlicher Untersuchung rund 50 Prozent der Bevölkerung über kein materielles Vermögen verfügen, so die Hälfte ohne nennenswertes privates Eigentum, wo befindet sich dann „die Mitte der Gesellschaft“? Demnach könnte doch nur die obere Hälfte der Gesellschaft, die oberen 50 Prozent, über eine Mitte verfügen.

     

    „Rund 60 Prozent der Muslime arbeiteten in Vollzeit, 20 Prozent in Teilzeitstellen.“

     

    Worin besteht die Vollzeitarbeit? Und wie hoch ist die Vergütung im Lohnvergleich, bzw. die Differenz zum gesellschaftlichen Durchschnitt der eigentumslosen, der lohn- und erwerbsabhängigen Bevölkerung? Analoges gilt auch für die Teilzeitarbeit. Dabei müssen wir auch noch berücksichtigen, dass beide Bereiche der Erwerbsarbeit, mit Bezug auf die Höhe der durchschnittlichen Erwerbseinkommen, in den letzten fünfundzwanzig Jahren, – für die davon in ihrer sozialen Reproduktion abhängige Bevölkerung –, in den sprichwörtlichen Keller gefahren wurden.

     

    Der Allgemeinplatz „Schule“ sagt noch nichts aus, über das Niveau der Schule, die ohne Abschluss verlassen wurde. Offensichtlich handelt es sich hierbei um die Hauptschule. Wie hoch ist der Anteil mit Hauptschulabschluss und der mit höheren Abschluss? Auf welchem Niveau befinden sich die Schulen, insbesondere die "Hauptschule"? Und welchen Stellenwert haben entsprechende Schulabschlüsse?

     

    Wie groß ist die Bildungs-, Aufklärungs-, Ausbildungs-, Berufs-, Lohn- und Einkommensdifferenz zu den Menschen ohne muslimischen Hintergrund? -- Und vor allem die Ausgrenzung oder Teilhabe der muslimischen Frauen? Sind Frauen mit muslimischen Hintergrund überhaupt Erwerbstätig? Ist die Frau "mit" oder "ohne" berufliche Ausbildung und Qualifikation tätig

  • Wieso muss eigentlich die private Bertelsmann-Stiftung diesen Monitor durchführen? Wieso macht das nicht der öffentliche Bundesinnenminister, wenn die Integrations-Frage eine von öffentlichem Interesse ist?

     

    Im Übrigen frage ich mich, wie repräsentativ Stichproben sind. Für den Religionsmonitor 2013 sind, las ich, in 13 Ländern Telefon- und sogenannte „Face-to-Face-Interviews“ mit „jeweils 1.000 repräsentativ ausgewählte Menschen“ durchgeführt worden. Unter den 13 Ländern waren so grundverschiedene Staaten wie Indien (~ 1,34 Milliarden Einwohner), die USA, (~ 303 Mio. Einwohner), Brasilien (~ 205 Mio. Einwohner), Südkorea (~ 50,5 Mio. Einwohner), die Schweiz (~ 8,4 Mio Einwohner) und Israel (~ 8.3 Mio. Einwohner). Und was ganz genau ich mir unter „repräsentativ ausgewählt“ vorzustellen habe, wüsste ich auch gerne.

     

    In Deutschland (~ 82 Millionen Einwohner) wurden immerhin 1.600 Menschen + 400 repräsentativ ausgewählte Muslime befragt. Das entspricht 0,0025 Prozent der Gesamtbevölkerung. (Zum Vergleich: Im Einwanderungsland USA betrug die Quote 0,00033 Prozent, im Vielvölkerstaat Indien 0,000075 und in der übersichtlichen Schweiz 0,012 Prozent). Wieso den Deutschen mal wieder eine Extrawurst gebraten wurde von Bertelsmann, bleibt ein Geheimnis der Studien-Auftraggeber. Ebenso bleibt Herrschaftswissen, was genau sich Bertelsmann eigentlich verspricht von der Publikation seiner Ergebnisse. Die „Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ kann man meiner Ansicht nach auch ohne solche Zahlen-Akrobatik debattieren. Auf rein intellektueller Grundsatz-Ebene beispielsweise oder auch auf individuleeler Gefühls- bzw. Erfahrungs-Ebene.

     

    Aber hey!, wer wäre der Bertelsmann-Stiftung dann dankbar für die Mühe, die sie sich gegeben hat für fremdes Geld? Und wer wäre beeindruckt von der Magie der konkreten Zahl?

    • @mowgli:

      Der Bertelsmann-Stiftung dürfte es vor allem um den Topos "Integration durch Arbeit" gelegen sein. So eine supi Integrationsmaschine will man doch im Fall der Fälle nicht durch einen Mindestlohn oder andere bürokratische Hemmschuhe ausbremsen, nicht wahr?