Studie zum tauenden Permafrost: Hinweise auf Methan-Lecks
In Sibirien gab es 2020 eine enorme Hitzewelle. Dabei könnten große Mengen Treibhausgas aus dem Permafrostboden entwichen sein.
Eine Studie gibt nun Hinweise darauf, dass die sibirische Hitzewelle im vergangenen Jahr schon Unmengen Methan in die Atmosphäre entlassen haben könnte. Mithilfe von Satellitenbildern untersuchten die Forscher:innen um den Geologen Nikolaus Froitzheim von der Uni Bonn, wie viel Methan die Luft in Sibirien enthielt. Ergebnis: Auf der Halbinsel Taymyr in Nordsibirien seien die Werte während und nach der Hitzewelle deutlich erhöht gewesen.
Besonders stark betroffen sind der Studie nach zwei Gebiete mit viel Kalkstein. Das ist insofern auffällig, als dort auch im nicht gefrorenen Zustand kaum Boden gebildet wird, also sich tote Tiere und Pflanzen Methan produzierend zersetzen.
Froitzheim und seine Kolleg:innen befürchten deshalb, dass die Hitze so weit in den Boden gedrungen ist, dass durch das Tauen unterirdische Erdgaslager undicht geworden sind. „Dadurch dürfte Erdgas, das zum größten Teil aus Methan besteht, den Weg an die Erdoberfläche gefunden haben“, sagt Froitzheim.
Studie hat methodische Tücken
Ob der Permafrostboden infolge des Klimawandels schon jetzt Treibhausgas dauerhaft abgibt, ist in der Fachwelt umstritten. Laut dem Sonderbericht des Weltklimarats von 2019 gibt es dazu eine mittelmäßige Anzahl von Forschungsergebnissen, und die stimmen nur in wenigen Punkten überein. Es besteht also noch einiger Forschungsbedarf.
Guido Grosse, Geowissenschaftler
Die aktuelle Studie ist allerdings umstritten – obwohl sie im anerkannten Fachmagazin PNAS erschienen ist und im Vorfeld von unabhängigen Fachkolleg:innen geprüft wurde.
Vor allem drei methodische Punkte kritisieren andere Wissenschaftler:innen: In der Studie kommen nur Daten von diesem und dem vergangenen Jahr vor, sodass man eigentlich nicht gesichert sagen kann, ob die aktuellen Werte wirklich erhöht sind.
Die Satellitenbilder sind möglicherweise nicht zuverlässig, weisen nämlich teilweise auch Methan-Hotspots in Weltregionen aus, in denen das nicht sinvoll erscheint. Und sie zeigen eine erhöhte Methankonzentration ausgerechnet im Frühling, wenn der Boden nach der Hitzewelle schon einen Winter lang wieder zugefroren war.
Das muss nicht heißen, dass die Ergebnisse falsch sind, lässt aber Fragen offen – teilweise nennen die Autor:innen die Kritikpunkte auch selbst in ihrer Studie. Methan-Emissionen zu lokalisieren ist generell schwierig.
Hitzewelle war ohne Klimawandel „nahezu unmöglich“
Eigentlich müsse man hinfahren und nachmessen, meint der Geowissenschaftler Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, der selbst nicht an der Arbeit beteiligt war. Interessant findet er sie trotz ihrer methodischen Mängel.
„Wenn alles so stimmt, wie es die Studie präsentiert, ist es durchaus ein umfangreicheres Problem, das noch nicht auf dem Schirm war“, sagt Grosse. Auch er habe schon mit Kolleg:innen in einer Studie darauf hingewiesen, dass Permafrost als ein Deckel für darunterliegende geologische Gaslager fungieren kann und dieser Deckel löchriger wird, wenn der Boden taut.
Was im Übrigen sehr gut belegt ist: Hitzewellen werden mit dem Klimawandel häufiger und intensiver. Und die aus dem vergangenen Jahr in Sibirien wäre ohne ihn „nahezu unmöglich“ gewesen, wie Klimawissenschaftler:innen schon im vergangenen Juli in einer Attributionsstudie schrieben. Die menschengemachten Treibhausgasemissionen haben die hohen Temperaturen – im sibirischen Werchowjansk kletterte das Thermometer Ende Juni auf 38 Grad – demnach mindestens 600-mal wahrscheinlicher gemacht.
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