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Studie zum Rückgang von WanderfischenBarrieren stören Störe

Bestände wandernder Süßwasserfischarten sind in Europa um 93 Prozent geschrumpft. Vor allem menschengemachte Barrieren tragen dazu bei.

Ein Stör, „Acipenser güldenstaedt“ Foto: OceanPhoto/imago

BERLIN taz | Stör, Aal und Forelle – diese Fischarten sind besonders bedroht. Das entspricht einem allgemeinen Trend: Die Bestände vieler wandernder Süßwasserfisch­arten sind weltweit zurückgegangen. Von 1970 bis 2016 sind sie um 76 Prozent geschrumpft, in Europa sogar um 93 Prozent. Das geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Report der World Fish Migration Foundation, der Zoologischen Gesellschaft London und der Umweltstiftung WWF hervor.

Insgesamt wurden 1.400 Bestände untersucht. Wandernde Fische legen zum Laichen weite Strecken zurück und leben zeitweise auch im Meer. Für den drastischen Rückgang gebe es eine Hauptursache, heißt es beim WWF: Viele Gewässer werden immer mehr zugebaut. „Mindestens eine Million Barrieren hindern Europas Flüsse am freien Fließen“, erklärt WWF-Süßwasserexperte Philipp Wagnitz.

Bei der Frage, warum die Zahl gerade in Europa so hoch ist, müssten noch mehr Daten erhoben werden. „Wir können vermuten, dass solche Barrieren in Europa häufiger vorkommen“, sagt Wiebke. Wasserkraftwerke, Dämme, die vor Überschwemmung schützen sollen – alles Barrieren, die Fische daran hindern, zum Beispiel ihre Laichplätze zu erreichen. Auch Fischereien würde dazu beitragen, die Lage weiter zu verschärfen.

Fischökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei bewertet diesen Einfluss aber als gering: „Bei Wanderfischen ist die Fischerei schon längst zusammengebrochen.“ Vielmehr sieht auch er das Problem in der Bebauung: „Es ist ein Problem, dass wir weiterhin Wasserkraft fordern“, sagt er. Auch der WWF ist gegen den Bau neuer Wasserkraftanlagen, erneuerbare Energiequellen wie Solar und Wind sollten stärker gefördert werden.

Lebensräume zurückerobern

Es gibt auch Lichtblicke. Am Rhein wurden im Rahmen des Projekts „Lachs 2000“ Wanderbarrieren entfernt oder angepasst, sodass Fische sie durchqueren können. Lachse und andere können so zurückkehren. Auch in der USA zeigt sich, dass solche Maßnahmen wirken. In Maine wurden im Penobscot River etwa 3.200 Kilometer freigelegt. Im folgenden Frühlung stieg die Zahl der Heringe von ein paar Hundert auf fast zwei Millionen an.

Wolter betont regionale Unterschiede: „Es wäre falsch, alle Gewässer mit dem gleichen Methodenbaukasten zu überziehen.“ Was in Kanada funktioniert oder am Rhein, gilt zum Beispiel nicht zwingend für die Havel.

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5 Kommentare

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  • Die Havel ist ein Nebenfluss der Elbe, wo der Fischaufstieg am Wehr Geesthacht 30 km oberhalb von Hamburg vor einem Jahr rigoros abgeriegelt wurde, weil die Bundeswasserstraßenverwaltung kleine Schäden am Damm zwischen Fischtreppe und Wehrtoren als Vorwand nutzte, den größten Fischpass Europas, ausdrücklich störgängig, ausser Funktion zu setzen. Oberhalb von Geesthacht liegen 90% der Flüsse und Bäche des Elbegebiets. Auf Druck von Umweltschützern hat sich das Haus Scheuer soeben besonnen, eine provisorische Lockströmung zu installieren. Die Zeit drängt, denn wenn das nicht im August klappt, scheitert ein weiterer Jahrgang Lachse und Meerforellen. Die vor Jahren ausgesetzten Störe sind noch nicht geschlechts- und aufstiegsreif. Das Gesetz, die europäische Wasserrahmenrichtlinie, fordert zwingend, die Gewässer für Wanderfische durchgängig zu machen. Aber bitte nicht hetzen, erstmal müssen Behörden klären, welche zuständig ist.

  • Nix Wasserkraft.



    Landwirtschaft!

    Diese Fische laichen im Litoral (Seichtwasserzone). Und genau da leitet die Landwirtschaft ihre hochwirksamen Gifte ein. Ich kenne in Schleswig-Holstein kein einziges Gewässer, dessen Litoral nicht vergiftet ist, einige sind dunkelbraun vor Gülle.

    • @el presidente:

      Ich möchte zur Differenzierung anregen. Die Wasserqualität hat sich in vielen Gewässern, vor allem größeren Flüssen, in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Außerdem laichen die typischen Wanderfische wie Lachs und Forelle in den Kiesbetten kleiner Flüsse und Bäche, Maifische gar in stark überströmten Kiesbetten großer Flüsse wie dem Rhein, Aale wandern zum Laichen flussabwärts und sind dabei massiv von den Turbinen bedroht. Landwirtschaft hat natürlich auch negative Auswirkungen auf Gewässer, vor allem Eintrag von Nährstoffen und die daraus resultierende Eutrophierung etc.

  • Macht doch nix! Dann fangen wir eben in Massen Fische vor den Küsten bspw. Namibias. Wie? Das machen wir bereits seit Jahrzehnten? Nanu. Aber Fisch ist doch so gesund! Besonders die Antibiotika und Schwermetalle. Und vegan ist irgendwie so extrem und komisch. Schmeckt das denn? ... Ich stehe im Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung und halte mir die Augen zu: Was kann ich da denn noch essen? Und vegan ist sooo unnatürlich! Muss ich da nehmen den ganzen anderen künstlichen, weiterverarbeiteten Lebensmitteln und Getränken da etwa auch noch so ne Pille nehmen? Nee, das ist zu viel ...

    • @Uranus:

      *neben