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Studie zum MindestlohnNull-Effekt für Geringverdiener?

Eine neue Studie zeigt: Auch mit Mindestlohn haben viele Beschäftigte am Monatsende nicht mehr Geld. Das liegt daran, dass die Arbeitszeit sinkt.

Der Mindestlohn bringt mehr Geld am Monatsende? Leider ist das für Beschäftigte im Niedriglohnsektor oft Augenwischerei Foto: dpa

„Mindestlohn hat Einkommen und Lebensunterhalt von Niedriglohnbeschäftigten nicht spürbar verbessert“, fällt das ernüchternde Urteil einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Potsdam aus, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Vergangene Woche hatte die Mindestlohnkommission empfohlen, den Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro auf 9,19 Euro ab 1. Januar 2019 und 2020 nochmals auf 9,35 Euro zu erhöhen. Am Dienstag berichtete die Süddeutsche Zeitung über eine Untersuchung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunktur (IMK), laut der die Reform nicht nur Arbeitnehmern, sondern der Volkswirtschaft insgesamt genutzt hat – da er den Konsum stimulierte.

Die Studie des Deutschen Instituts für ­Wirtschaftsforschung (DIW) fällt kritischer aus: Die Stundenlöhne sind, insbesondere in Regionen, in denen viele Beschäftigte vor der Reform unter 8,50 Euro verdienten, zwar gestiegen, zugleich ist aber die Arbeitszeit zurückgegangen – somit hat sich der Bruttomonatsverdienst kaum ver­ändert. Es bleibe abzuwarten, „ob die Reform den intendierten Beitrag zur Stabilisierung der sozialen ­Sicherungssysteme im Sinne steigender sozialversicherungspflichtiger Entgelte leisten kann.“

Beate Müller-Gemmeke, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, überraschen die Ergebnisse keineswegs. Es sei abzusehen, dass Arbeitgeber Arbeitszeit reduzierten, um Lohnerhöhungen zu verhindern, sagte sie der taz. Sie befürchtet, „dass viele Beschäftigte trotz reduzierter Arbeitszeit dennoch die gleiche Menge an Arbeit schaffen müssen“. Sabine Zimmermann, Arbeitsmarktexpertin der Linksfraktion, kritisiert: „Armut verhindert er nicht. Dazu ist er viel zu niedrig und wird es auch nach den geplanten Erhöhungen auf 9,19 Euro und 9,35 Euro bleiben.“ Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken, schreibt: „Er muss mit 12 Euro deutlich höher sein, er muss für alle gelten, und die Einhaltung muss strenger kontrolliert werden.“

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5 Kommentare

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  • Zitat: „Die Stundenlöhne sind [...] zwar gestiegen, zugleich ist aber die Arbeitszeit zurückgegangen – somit hat sich der Bruttomonatsverdienst kaum verändert.“

    Es gibt Gegenden in Deutschland, in denen das Arbeitsamt Menschen dazu zwingt, Flexi-Verträge zu unterschreiben. Der Arbeit-“Geber“ verpflichtet sich darin, den Arbeit-“Nehmer“ mindestens 30 Stunden pro Woche zu beschäftigen. Bei Bedarf kann er ihn oder sie aber auch 40 Stunden arbeiten lassen. In beiden Fällen gibt es Mindestlohn. Wie die Beschäftigten die Lücke in Höhe eines Drittels des Mindestlohns füllen sollen, wenn der Arbeit-“Geber“ außerstande war, genügend Arbeit herbeizuschaffen für seine Beschäftigten, sagt das Amt nicht. Es gleicht die Fehlbeträge auch nicht aus.

    Alle, die einen Machtanspruch erheben, wälzen ihr Risiko auf die Beschäftigten ab. Die, die angeblich am schwächsten sind, sollen die Fehler korrigieren, die die angeblich Starken gemacht haben. Und weil sie sich nichts anderes vorstellen können als genau das, funktioniert das dumme Spiel. Zumindest, bis der Arbeit-“Geber“ endgültig versagt und pleite geht oder den Laden an eine Heuschrecke verkauft, die alles wegschleppt, was nicht niet- und nagelfest ist, bevor sie sich verpisst.

    Und „die Politik“ von schwarz über gelb, rot, grün und rosa bis braun? Schaut zu und tut: Nichts. Nichts, außer vollmundig zu fordern.

  • Die genannten Folgen waren abzusehen. Ungeachtet dessen sollte der Miondestlohn auf EUR 12,00 angehoben werden.

  • Die wahre Ursache

    Was Mindestlöhnern (u.a.) hilft, ist die Abschaffung von Hartz IV! Alles andere ist das immer gleiche Gerede im Kreis.



    Wir wissen, wer Hartz IV eingeführt hat - SPD und "Grüne". CDU/CSU und FDP haben eifrig sekundiert.



    ...

    • @Hartz:

      Dann wird es aber bei vielen ganz schnell dunkel. Das kann ja auch keine Lösung sein. US Verhältnisse möchte nicht einmal die FDP.

  • Na, und nun? Was schlagen die GRÜNEN denn vor? Mindestlohn wieder abschaffen und über eine wesentliche Erhöhung der Regelbedarfssätze von ALG II und Grundsicherung oder gar ein bedingungsloses Grundeinkommen erst gar nicht nachdenken?

    Statt dessen freie Preise und freier Markt für alle und selbst im eAuto fahren?!?