Studie zum Bildungssystem: Bei Bildung ist die Laune im Keller
Abgehängte Schüler:innen, zu wenig Personal, Defizite beim Lesen: Wer täglich mit dem Bildungssystem zu tun hat, kann viel meckern.
Wie eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Bildungsverlags Cornelsen zeigt, ist nicht mal jede:r Fünfte zufrieden mit dem Bildungssystem. Besonders große Defizite sehen die Befragten in den Bereichen Chancengleichheit und Personalausstattung. Hier stufen jeweils rund zwei Drittel die Situation als unzureichend ein. Insgesamt fließen die Antworten zu sieben Fragen in den „Cornelsen Bildungsindex“ ein, der nun erstmals erscheint.
Das Bild, das er vom Bildungssystem zeichnet, ist kein gutes. In zwei der drei abgefragten Bereiche – Leistungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit – überwiegt die Unzufriedenheit, bei der Werte- und Chancenorientierung hält sich die Stimmung insgesamt die Waage. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede, je nachdem, von welchem Standpunkt aus die Befragten auf die einzelnen Punkte blicken.
So glauben etwa 55 Prozent der Schüler:innen und Eltern unter den Befragten, dass das Bildungssystem nicht gut auf die Zukunft vorbereitet ist – der Wert ist fast doppelt so hoch wie bei Vertreter:innen aus der Politik. Und Personen aus dem Bereich Frühkindliche Bildung sehen beispielsweise deutlich häufiger Probleme bei der Kompetenzvermittlung als Vertreter:innen anderer Bereiche.
Alle sprechen über Bildung – und sind unzufrieden
„Insgesamt ist uns aufgefallen, dass Personen aus der Frühkindlichen Bildung besonders kritisch auf das Bildungssystem blicken“, sagt Sarah Fichtner vom Berliner FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie. Sie hat die Umfrage im Auftrag des Cornelsen-Verlags konzipiert und durchgeführt. 250 Personen haben Fichtner und ihr Team befragt, je 50 aus den Bereichen Frühkindliche Bildung, Schule und schulische Bildung, berufliche Ausbildung, Hochschule und Erwachsenen- und Weiterbildung. Neben Schüler:innen, Lehrkräften, Erzieher:innen, Ausbilder:innen, Schul- und Kitaleiter:innen sind auch Expert:innen aus der Forschung, Politik und Verwaltung vertreten.
Die Multiperspektivität sei das Besondere an dem Bildungsindex, sagte Fichtner der taz: „In vielen Studien reden Lehrkräfte über Schule oder Kitaleitungen über Kitas“. Beim vorliegenden Bildungsindex seien die verschiedenen Gruppen zu allen Bereichen des Bildungssystems befragt worden. Idealerweise steige dadurch auch die Sensibilisierung aller Bildungsbeteiligter für andere Perspektiven sowie für die Zusammenhänge des lebenslangen Lernens. So spreche sich die Mehrheit der Befragten auch für mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung aus, denn diese lege den Grundstein für alles andere.
Für den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Stefan Düll kommen die Ergebnisse des Bildungsindexes wenig überraschend: „Das System ist seit Jahren überlastet“, sagte Düll zur taz. Das komme nun in der breiten Unzufriedenheit derer zum Ausdruck, die diese Überlastung tagtäglich erlebten. Düll fordert deshalb die Politik auf, endlich stärker auf die Bedürfnisse von Kitas und Schulen einzugehen und die dringend benötigten Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Eigentlich funktioniert das System
„Ansonsten weiß ich nicht, wie wir angemessen auf die gestiegene Heterogenität in Kitas und Schulen und die gestiegenen Ansprüche an Bildung reagieren sollen“. Vor einem Rückschluss allerdings warnt Düll: Die große Unzufriedenheit mit dem Bildungssystem bedeute nicht, dass alles schlecht sei. „Im Grunde haben wir ein funktionierendes System.“
Dass nicht alles negativ ist, bestätigt auch der Cornelsen Bildungsindex. Bei der Demokratieerziehung ist das Feedback mehrheitlich positiv – allerdings auch nur in diesem einen Thema. Im kommenden Jahr will Cornelsen die Umfrage wiederholen. Mal sehen, wie die Zufriedenheit mit dem Bildungssystem dann ausfällt.
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