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Studie zu häuslicher PflegeMehr als ein Vollzeitjob

Angehörige zu pflegen wird immer teurer und immer zeitaufwendiger, zeigen Umfrageergebnisse. Im Schnitt sind es 49 Stunden pro Woche.

Für Angehörige zeitintensiv: die Pflege naher Verwandter Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin epd | Die Belastung pflegender Angehöriger steigt. Sie müssen mehr Zeit und Geld aufwenden als in früheren Jahren, wie aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Hätten die Befragten 2019 noch angegeben, 43 Wochenstunden für pflegende Tätigkeiten wie Ernährung, Körperpflege und Medikamentengabe zu benötigen, betrug die aufgewendete Zeit im vergangenen Jahr 49 Stunden. Zuerst hatte das RedaktionsNetzwerk Deutschland über die Umfrage berichtet.

Auch die finanzielle Belastung ist laut der Erhebung trotz höherer Leistungen aus der Pflegeversicherung gestiegen. Der mittlere Eigenanteil hat sich demnach von monatlich knapp 200 Euro im Jahr 2019 auf inzwischen 290 Euro im Monat erhöht.

Lediglich 46 Prozent der Hauptpflegenden arbeiten der Umfrage zufolge in Vollzeit. 37 Prozent haben eine Teilzeitbeschäftigung, 18 Prozent sind gar nicht beschäftigt. Bei den Teilzeitbeschäftigten gab mehr als die Hälfte an, die Arbeitszeit wegen der Pflege reduziert zu haben. Bei den Nichterwerbstätigen haben 28 Prozent die Tätigkeit wegen der Pflege aufgegeben.

Die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann erklärte: „Wenn pflegende Angehörige – überwiegend Frauen – die Arbeitszeit reduzieren oder ganz aufhören zu arbeiten, bereitet dies Tür und Tor für Altersarmut in der nächsten Generation der zu Pflegenden.“ Gleichzeitig fehlten diese Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Angebot und Nachfrage zur Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Beruf müssten in Einklang gebracht werden.

Für die Studie befragte das Institut nach eigenen Angaben im August und September vergangenen Jahres rund 1.000 Hauptpflegepersonen im häuslichen Setting. Die Ergebnisse wurden mit einer Vorgängerbefragung aus dem Jahr 2019 verglichen.

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7 Kommentare

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  • Wenn man jahrelang Angehörige gepflegt hat, ahnt man, dass das Modell in Zukunft nicht mehr funktionieren kann. Entweder schafft die Gesellschaft es bald eine bezahlbare professionelle Pflege für alle zu organisieren, oder die jetzt vor dem Ruhestand stehende Generation wird in den nächsten Jahren als dann zu Pflegende große Probleme bekommen

  • Spätestens wenn eine bettlägerige Person betreut wird, ist es natürlich mehr als ein Vollzeitjob. Das wurde für bezahlte Kräfte auch schon gerichtlich festgelegt (u.a. Wegen der Bereitschaftszeiten) und Pflegeheime haben nicht umsonst einen Mehrschichtbetrieb.



    Es ist bei der Statistik also eine Frage, welche Bedürftigkeiten erfasst wurden,bzw. Ob sich die nach der letzten Erhebung verschlechtert haben.

  • Immer wieder das Gerede, dass die Pflegenden Personen auf dem Arbeitsmarkt fehlen würden.



    Tun sie nicht.



    Natürlich muss eine Gesellschaft dafür sorgen, dass jemand, der verantwortungsvolle Arbeit leistet dafür nicht im Stich gelassen wird.



    Aber die Arbeit muss gemacht werden. Wenn es nicht die Angehörigen tun, dann braucht es ausgebildetes Pflegepersonal. Die Menschen in diesen Berufen fehlen dann ja auch in anderen Branchen auf dem Arbeitsmarkt.



    Das Gerede, Menschen, die pflegen, würden auf dem Arbeitsmarkt fehlen, erschreckt mich. Denn die logische Folge ist doch: Pflege zu reduzieren.

    • @Herma Huhn:

      Wie treffend!

    • @Herma Huhn:

      Ergänzung: vollzeit pflegende sollten grundsätzlich nicht auch noch arbeiten müssen um nicht in Armut zu enden!

      Wenn Arbeitskraft fehlt muss diese eben iwo herkommen, wenn die Geburtenrate nicht ausreicht aus dem Ausland.

      Das fast 50% der pflegenden zur gleichen Zeit auch noch Vollzeit arbeitet finde ich eher gruselig... Das sind ja 70-80h Wochen und dann am besten noch Pendeln.

    • @Herma Huhn:

      Das die Pflege von jemandem gemacht werden muss ist richtig, die Hilfe von ausgebildetem Pflegepersonal kann jedoch auch Zeit sparen und mehr Flexibilität schaffen.

      Ich denke da gibt es eine erhebliche Effizienzzunahme, wenn die pflegenden nicht alleine gelassen werden.

      Weil wie viele pflegebedürftige kann eine einzige Pflegerin versorgen und damit deren Angehörigen die Erwerbstätigkeit erleichtern?

      Mittel bis langfristig braucht Deutschland deutlich mehr Pfleger:innen, da diese in anderen Branchen fehlen werden, braucht das Land zudem mehr Einwanderung.

      • @sociajizzm:

        Dieser Effizienzgewinn ist allerdings nur in einer Einrichtung möglich.



        Wenn die Pflegekräfte zu den Leuten nach Hause fahren, ist das eine sehr wertvolle Entlastung für die Angehörigen, entbindet diese aber nicht von ihrer sehr zeitraubenden Pflegetätigkeit.