Erneuerbare Energien: Zugvögel erkennen Gefahr durch Windrotoren
Die Tiere vermeiden Windkraftanlagen in Bewegung „mehr als bisher angenommen“. Das ergibt eine Studie im Auftrag der Windbranche.
Zugvögel meiden Windkraftanlagen „fast vollständig“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungs- und Beratungsbüros BioConsult aus Husum. Das Projekt wurde vom Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) in Auftrag gegeben und von Betreiberfirmen von Offshore-Windparks finanziert.
Die Forschungen wurden am „Windtestfeld Nord“ bei Husum vorgenommen. Zwar handelt es sich bei diesem um einen küstennahen Standort an Land, doch im Hinblick auf die großräumigen Bewegungen der Zugvögel sei dieser Park repräsentativ für die Offshore-Parks, so der BWO. Das Testfeld liegt gut zwei Kilometer von der Küste des Wattenmeeres entfernt und besteht aus fünf verschiedenen Typen von Windkraftanlagen.
Während vier Zugzeiten – zwei Frühjahre und zwei Herbste – erfassten die Forscher mit Kamerasystemen an zwei der fünf Testanlagen alle Vogel- und Fledermaus-Durchflüge durch die Rotorebene. Dies geschah sowohl tagsüber als auch nachts, unter anderem mit Infrarotkameras. Die optischen Systeme seien speziell für die Windkraft entwickelt worden, heißt es, denn auch an Anlagen an Land wird die Überwachung von Flugbewegungen von Vögeln zunehmend ein Thema. Auch Radarsysteme, mit denen die Flughöhen der Tiere erfasst wurden, kamen auf dem Testfeld bei Husum zum Einsatz.
Die Gutachter nahmen die Untersuchungen aus zwei Gründen an einem Park an Land und nicht auf See vor: Erstens ist die Installation der Überwachungstechnik an Land deutlich weniger aufwendig, zweitens kann man die prognostizierten Zahlen von Schlagopfern besser mit den realen Zahlen abgleichen, weil auf See die toten Tiere nicht gefunden werden. Das Testfeld wurde alle fünf Tage nach Vogelkadavern abgesucht.
Zugvögel fliegen höher als gedacht
Die Auswertung der Messdaten ergab, dass die Zugvögel bei laufenden Rotoren eine deutliche Ausweichreaktion zeigen. Denn wenn die Turbinen sich drehen, so die Studie, reduziere sich die Anzahl der Vögel, die durch die Rotorebene hindurchfliegen auf ein Zwanzigstel, verglichen mit Anlagen während des Stillstands. Insgesamt bilanzieren die Autoren der Studie, dass fast 99,9 Prozent der Vögel, die sich dem Windpark in Rotorhöhe nähern, den Rotor meiden, wenn die Anlagen sich drehen. Dieser Anteil sei während des Tages ähnlich wie in der Nacht.
Die Radardaten gaben zudem Hinweise auf die Flughöhe der Vögel. Diese wurde auch im Zusammenhang mit Wetterparametern analysiert, womit sich auch unabhängig von der Windkraft grundsätzliche Erkenntnisse zum Zugverhalten der Tiere ergeben. Rund ein Drittel der Tiere flog am Beobachtungsort in der „Risikohöhe“ von 25 bis 180 Meter über Grund. Die durchschnittliche Flughöhe lag aber bei rund 300 Metern, einige Vögel flogen auch bis zu 1.000 Meter hoch. Rund 4,2 Millionen Vögel seien während des Untersuchungszeitraums durch und über den Windpark geflogen, heißt es in der Studie.
Explizit beziehen sich die Forschungen nur auf Zugvögel, nicht auf die Standvögel, die ganzjährig in ihrer angestammten Region verbleiben. Die Standvögel verhalten sich oft völlig anders als die Schwärme der Zugvögel. Unter den Kollisionsopfern, die während der Hauptzugzeiten gefunden wurden, sind „keine Arten gewesen, die bekanntermaßen den Großteil des nächtlichen Vogelzugs am Untersuchungsort ausmachen“.
Aus Sicht des BWO ist mit der Studie der Nachweis erbracht, dass eine Drosselung der Turbinenleistung während Zeiten hoher Zugintensität das Kollisionsrisiko für Zugvögel kaum mindern kann, da die Vögel die Anlagen ohnehin „mehr als bisher angenommen“ meiden.
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