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Studie über MütterDer kleinere Karriereknick

In Ostdeutschland steigen Mütter nach der Elternzeit schneller wieder in ihren Job ein als im Westen. Das liege unter anderem an den geringeren Karrierechancen im Osten.

Wahrscheinlich aus dem Westen: Eine Mutter, die von zu Hause aus arbeitet. Bild: dpa

HALLE taz | Der Karriereknick von Frauen, die nach der Elternzeit wieder in den Job einsteigen, ist im Osten wesentlich kleiner als im Westen. Das ist das Ergebnis der Studie "Kinder, Karriere, Kompromisse", die das Institut für Wirtschaftsforschung Halle am Mittwoch vorstellte. Dafür gibt es mehrere Ursachen, sagt Alexander Kubis, Demografieexperte und einer der drei Studienleiter. Zum einen seien die Karrierechancen von Frauen im Osten geringer als im Westen und zum anderen wirken "Rollenmodelle von Müttern", die "immer gearbeitet haben". Einfach gesagt: Frauen im Osten klettern auf der Karriereleiter nicht so hoch und wollen relativ schnell an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Während Mütter im Westen Teiljobs bevorzugen, würden Mütter im Osten eher wieder Vollzeit arbeiten und auch wieder schneller in den Beruf zurückkehren. Unterschiede gibt es auch bei der Definition von Voll- und Teilzeit. 38 Stunden Arbeitszeit würden im Osten schon als Teilzeit angesehen, sagt Kubis. Im Westen hingegen überschreiten Teilzeitjobs nie die 20-Stunden-Marke.

Die Wirtschaftsforscher untersuchten auch das Lohngefälle und stellten fest, dass Mütter im Westen rund ein Drittel weniger verdienen als kinderlose Frauen. "Das liegt am Ehegattensplitting", sagt Alexander Kubis der taz. Untersucht wurden zwar nur Bruttolöhne, aber klar sei, dass im Westen eher das Partnermodell gelebt werde: Der Mann ist der Haupternährer der Familie, die Frau verdient dazu.

Die Forscher stellten allerdings auch fest, dass sich die Rollenmodelle allmählich angleichen. Es könne nicht mehr eindeutig gesagt werden, dass vor allem die ostdeutschen Frauen arbeiten und die westdeutschen nicht. Die sogenannte Erwerbsneigung der Frauen im Westen steige kontinuierlich an. "Es mischt sich", so Kubis.

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6 Kommentare

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  • PS
    Peter Silie

    Wie kann es sein, dass Bruttolöhne verglichen werden, aber auf einmal das Ehegattensplitting eine Rolle spielt? Und (erschreckend für mich), es sind immer noch in der Mehrzahl die Frauen, die zu Hause bleiben? Entscheiden die ach so Emanzipierten das selber, oder werden sie von Ihrem bösen Machomann dazu "gezwungen"? Dem Mann, den sie sich kurz vorher selber ausgesucht und zum Altar gezerrt haben? Ungerechte Welt!

  • T
    Trautner

    Liebe Redakteure,

     

    möglicherweise hat mein Sinn für Logik gelitten. Simone Schmollack zitiert den Studienmacher mit der Aussage, dass Mütter im Osten schneller wieder in den Beruf zurückkehren, weil die Karrierechancen geringer sind. Trifft das zu, dann bedeutet es im Umkehrschluss, dass

    Mütter im Westen extra länger dem Job fernbleiben, weil sie gute Karrierechancen haben. Da ruft man unwillkürlich: bei guten Aufstiegschancen geht man natürlich besonders gern NICHT zur Arbeit. Vielleicht lässt sich dieser Bruch irgendwie aufklären???

     

    Im übrigen, das ist nun polemisch, erfüllt es mich als Ostdeutsche mit Staunen, wie viele erwachsene Frauen aus dem Westen es mit ihrem Selbstbild vereinbaren können, nicht für den eigenen Lebensunterhalt arbeiten zu wollen und diese Aufgabe anderen aufbürden. Dieses "Vorrecht der Versorgung" steht - aus meiner Sicht - eigentlich nur Kindern (Nicht-Erwachsene) oder Kranken zu.

    Aber, wann wäre die Welt je ohne Widersprüche gewesen?

    Gruß Eine Ratlose

  • SS
    Susi Sorglos

    Und ohne Kinder gibt es gar keinen Karriereknick...

  • A
    anke

    Daran, dass Experten aus ihren Studien seltsame Schlüsse ziehen, hab ich mich ja inzwischen gewöhnt. Dass die Schlussfolgerungen allerdings SO seltsam sind, überrascht mich dann doch immer wieder. Die Karrierechancen von Frauen sind im Osten geringer als im Westen, hat man in Halle herausgefunden. Und deswegen wollen Ostfrauen schneller wieder an ihren Arbeitsplatz zurück, wo sie, anders als ihre westdeutschen Kolleginnen, unbedingt Vollzeit arbeiten und ungefähr so viel verdienen wollen, wie ihre Kolleginnen ohne Kinder. Nun frage ich mich dreierlei: Sind die Karrierechancen für Westfrauen womöglich nur deswegen größer, weil viel weniger Westfrauen ihre Chance nutzen wollen? Gehen Westunternehmen davon aus, dass eine gute Chefin weniger als 20 Wochenstunden arbeiten sollte? Und wenn ja, wieso, zum Henker, bezahlen sie ihre mütterlichen Führungskräfte dann so schlecht? Fragen über Fragen. Aber so ist das wohl in der Wissenschaft: Es mischt sich. Hinter jeder Lösung lauert schon das nächste Problem. Das eine ist vom anderen mitunter kaum zu unterscheiden.

  • P
    Pharisaer

    @Ossa: Genau diese Frage stelle ich mir auch.

     

    Es wäre wirklich spannend zu erfahren, ob der Anstieg der Erwerbsneigung von Frauen in den alten Bundesländern mit der Zahl der Frauen, die im Zuge der Ost-West-Wanderung die neuen Bundesländer verlassen haben, korreliert. Ich vermute es stark.

  • OI
    Ossa im Westen

    Wie ist "es mischt sich" tatsächlich zu verstehen? Sind es vielleicht (auch) die vielen Ostfrauen im Westen, die dort die Statistik verändern??? :-p