Studentisches Hochhauskonzept: Die Angst vorm hohen Haus

Architekturstudierende aus Kassel stellen ein Hochhauskonzept für Bremen vor. Ihre Vorschläge sind eine Wohltat für hiesige Debatte.

Zwei dunkle, meist verspiegelte Fassaden. Eine davon gehört zu einem Hochhaus.

Die Bremer Hochhäuser sind nicht schön – aber die Höhe ist nicht das Problem Foto: Karolina Meyer-Schilf

BREMEN taz | Wer in Bremen ein Hochhaus bauen will, muss sich auf Ärger einstellen. Und zwar von allen Seiten. Denn ob man nun an in den Himmel gestapelte Elendsquartiere denkt oder an gläserne Bonzen- und Bankenpaläste: Wirklich leiden kann sie niemand. Das wissen auch die angehenden Architekten aus Kassel, die in einem Ausstellungsraum am Brill gerade ihre „Stadtsilhouetten“ vorstellen: ein Hochhauskonzept für die Stadt Bremen.

Sie werben fast defensiv dafür, es mit den Hochbauten doch wenigstens mal zu versuchen. Obwohl die einzelnen Entwürfe erfrischend frei von ideologischen Hemmungen zu Werke gehen, steht am Anfang zunächst das, wovon tunlichst die Finger zu lassen sind: die Grünflächen der Stadt, die charakteristischen Bremer-Haus-Viertel – und natürlich das von der UNESCO geschützte Altstadtensemble aus Rathaus, Roland und so weiter.

Das allerdings reicht für Hochhausplaner erheblich weiter als „Bremens gute Stube“, weil die Sicht auf den Dom auch aus der Ferne nicht versperrt werden soll. Also: Bremen soll nicht Frankfurt werden und trotzdem um eine ganze Reihe von Hochhäusern ergänzt werden, die das Vorhandene aufgreifen und fortsetzen sollen.

„Silhouetten zum Weiterbauen“ nennen das die Studierenden und schließen da neben dem historischen Klimbim auch die Industrieklötze entlang der Weser mit ein. Dass die Kasseler nun ausgerechnet Bremen für ihr Semesterprojekt ausgewählt haben, dürfte wohl dem Leiter Stefan Rettich zu verdanken sein, der vor seiner Professur in Kassel an der Bremer „School of Architecture“ tätig war. Mit Studierenden von hier hat er in den vergangenen Jahren ähnliche Projekte zu Bremer Bausünden wie der Hochstraße am Breitenweg oder der Grohner Düne angeleitet.

Nun also Hochhäuser. So könnte am Breitenweg das bereits vorhandene Bundeswehrhochhaus einen Nachbarn bekommen, direkt auf der anderen Seite der Hochstraße.

"Stadtsilhouetten": bis 23. März, Am Brill 19

Was nach einem eher subtilen Eingriff ins Stadtbild klingt, sieht gezeichnet erheblich aufregender aus: Wie durch ein Tor führe der Verkehr von der B75 in einen klar definierten Raum, statt wie bisher nach undurchsichtigen Auf- und Abfahrten plötzlich vorm Bahnhof in die Innenstadt gespuckt zu werden.

Ein korrespondierendes drittes Hochhaus am Rande des Güterbahnhofgeländes wäre gleichzeitig ein optischer Anlaufpunkt für den Verkehr der Bürgermeister-Smidt-Straße.

Die Häuser selbst sind ganz ansehnlich designt, in so einer Mischung aus Wohn- und Gewerbeflächen – interessante Ideen, die so zwar niemand bauen wird, die aber doch Angst nehmen und eine Idee davon vermitteln, dass Lage und Anschluss an die Infrastruktur für einen Neubau relevanter sind als seine Höhe.

Und das macht die Ausstellung über die Zukunftsplanung hinaus ja gerade so interessant auch für längst laufende Debatten. Tenever etwa hat sich gemacht, auch wenn man das in Viertel und Innenstadt noch immer nicht so recht mitbekommen hat. Nicht weil die Häuser heute flacher wären, sondern weil man die leerstehende Hälfte abgerissen und so die Angstecken belichtet hat.

Statt nur über die Zukunft zu reden, bereichern die Entwürfe längst laufende Debatten

Derart entzerrt, wurde aus dem dunklen Klotz am Ende der Welt bezahlbarer Wohnraum am grünen Rand der Stadt. Und das klingt nicht nur anders, sondern ist es eben auch.

Vergessen darf man über die neue Freude am Hochhaus natürlich nicht, dass dieses nachträglich zurechtgestutzte Tenever einmal noch viel mehr wollte: eine Utopie von der Expansion in die Höhe, praktisch, durchorganisiert und günstig. Im Wissen um das Scheitern dieser alten Träume versprechen die studentischen Entwürfe nichts dergleichen, sondern wägen Vor- gegen Nachteile nüchtern ab. Und mindestens das ist in Bremen: ein Fortschritt.

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