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Stromrabatt für Energiegenossen

Genossenschaftsmitglieder können mitunter Preisnachlass auf Haushaltsstrom bekommen – aber auch mit genossenschaftlichem Mieterstrom lässt sich die Stromrechnung senken

Von Bernward Janzing

Die Ursprungsidee der Genossenschaft umfasst weitaus mehr als nur die Rechtsform der Gesellschaft. Es gehört auch der Aspekt „Hilfe zur Selbsthilfe“ dazu – die Unternehmen sollen also nicht nur Geld verdienen, sie sollen auch ihren Mitgliedern Nutzen stiften. Somit wurden Genossenschaften auch als Projekte des gesellschaftlichen Zusammenhalts ersonnen – etwa Genossenschaftsbanken, die ihren Mitgliedern Finanzdienstleistungen anbieten, ­Dorfläden, die die Nahversorgung sicherstellen, oder Molkereigenossenschaften, die Landwirten die Milch abnehmen.

Als nach der Jahrtausendwende im Zuge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Photovoltaikanlagen attraktiv wurden, kam es zu einem Boom der Energiegenossenschaften. Doch sie funktionierten – für Genossenschaften eigentlich unüblich – nach dem schlichten Prinzip der reinen Erzeugung, ohne eine Versorgung der Mitglieder. Spötter nannten das in diesem Fall „einspeisen und vergessen“. Somit war das Konstrukt hinsichtlich der Genossenschaftsidee nicht die reine Lehre.

Ein Gewinn waren die PV-Projekte für die Genossenschafts­idee gleichwohl, weil sie ihr viel Aufmerksamkeit bescherten. Vor allem das urdemokratische Abstimmungsprinzip, wonach jeder Teilhaber bei der Mitgliederversammlung unabhängig von der Höhe seiner Kapitaleinlage genau eine Stimme hat, wurde dadurch populär. Mitbestimmung ist hier also keine Frage des Geldes mehr.

Inzwischen gibt es in Deutschland nach Zahlen des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes 951 Energiegenossenschaften, die einen Jahresumsatz von zusammen 2,1 Milliarden Euro generieren und von 200.000 Mitgliedern getragen werden. Die Möglichkeit zur Beteiligung gibt es schon für einem Betrag von 50 Euro, im Durchschnitt haben sich die Mitglieder mit jeweils 3.600 Euro engagiert. Dafür bekommen sie oft jährliche Dividenden ausgeschüttet, die sich oft im mittleren einstelligen Prozentbereich bewegen.

Nachdem der Gründungsboom der reinen PV-Genossenschaften aus den Jahren 2010 bis 2013 lange vorbei ist, richtet sich der Blick inzwischen wieder auf die eher typische Idee der Genossenschaft – nämlich die, den Mitgliedern auch einen Mehrwert zu bieten über die reine Kapitalanlage hinaus.

Klassischerweise ist das bei Wärmegenossenschaften der Fall. Eine gute Zahlenbasis dazu liefert der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband: Von 160 Energiegenossenschaften im Land seien 25 im Sektor der Nahwärmeversorgung tätig, sagt ein Verbandssprecher. In diesem Fall ist die Genossenschaftsidee vollumfänglich umgesetzt: Die Bürger beteiligen sich mit einer Einlage am Unternehmen und werden zugleich Wärmekunden. Über die Preise der Wärme können dann die Kunden selbst beschließen und wägen somit ab zwischen einerseits günstiger Wärme und andererseits den Erfordernissen des Unternehmens.

Komplexer ist das Modell freilich im Stromsektor. Modelle, die heute „Energy ­Sharing“ heißen, sind in der Regel für Genossenschaften unwirtschaftlich. Unter dem Begriff versteht man die – idealerweise gemeinschaftliche – Stromerzeugung und die Belieferung von Kunden in der Nähe. Da dabei aber typischerweise das öffentliche Stromnetz genutzt werden muss, machen die anfallenden Netzkosten das Modell unrentabel.

Praktikabel wird es hingegen dort, wo das öffentliche Netz nicht gebraucht wird – und damit ist man beim Thema Mieterstrom. Dann baut eine Genossenschaft auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses eine Solarstromanlage oder im Keller ein Blockheizkraftwerk und beliefert die Bewohner direkt mit dem vor Ort günstig erzeugten Strom. Die Reststromlieferung erfolgt dann zum Beispiel durch die Bürgerwerke eG, eine Dachorganisation von inzwischen 137 Energiegenossenschaften. Rund jede zehnte Energiegenossenschaft biete solche Projekte an, so die Erfahrung der Bürgerwerke mit Sitz in Heidelberg.

Einige lokale Energiegenossenschaften bieten aber auch für alle ihre Mitglieder einen vergünstigten Haushaltsstromtarif an, egal, wo die Stromkunden wohnen. Beliefert werden die Kunden dann ebenfalls über die Bürgerwerke. Die Quersubventionierung der Tarife erfolge über die Erträge der realisierten Energieprojekte der jeweiligen Genossenschaft, erklärt Christopher Holzem von den Bürgerwerken. Während die Bürgerwerke als Dachverband von Einzelgenossenschaften agieren, gibt es auch anders strukturierte genossenschaftliche Energieversorger. Der größte ist die Firma Prokon eG in Itzehoe mit rund 40.000 Mitgliedern. Weitere sind die Elektrizitätswerke Schönau eG und die Green Planet Energy eG (einst Greenpeace Energy).

Wie alt das Konzept Energiegenossenschaft ist, zeigen aber auch etablierte Stromversorger: Das Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige eG wurde bereits 1910 gegründet, um in der Region eine sichere Stromversorgung aufzubauen. Und im Örtchen Saig im Hochschwarzwald zogen Privatbürger im Jahr 1919 mit eigenem Geld eine Stromleitung, nachdem die Gemeinde den Anschluss an das Rheinkraftwerk Laufenburg abgelehnt hatte. Die Strombezugsgenossenschaft Saig eG besteht noch heute – und ist somit eines von vielen Beispielen, wie zeitlos der Genossenschaftsgedanke ist.

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