Streit wegen peinlichem Streetview-Bild: Google lässt pinkeln
Ein 50-jähriger Handwerker erleichterte sich auf dem Hof in Frankreich und wurde dabei von der Streetview-Kamera erfasst. Das ganze Dorf spottete über ihn. Nun klagt er.
PARIS taz | Bald wird vielleicht ein Fotoband herauskommen mit den skurrilsten und ebenso indiskreten Schnappschüssen von Google Streetview. Zu diesen „Best-of“-Bildern, die „en passant“ von den Kameras der Google-Autos zufällig geknipst wurden, dürfte sicher ein Foto zählen, das jetzt die französische Justiz beschäftigt.
Denn ein 50-jähriger Handwerker im westfranzösischen Dorf Vern-d'Anjou ist ganz gegen seinen Willen zum weltweiten Gesprächsthema geworden. Er war in aller Ruhe dabei, im Hof neben seinem geparkten Auto auf den Boden zu pinkeln, als just in diesem Moment Google-Streetview mit den Fotokameras vorbeifuhr und alles im Umkreis von 360 Grad ablichtete. So auch diesen Mann, der sich völlig bei sich hinter einem verschlossenen Hoftor völlig unbeobachtet fühlte.
Jetzt muss er für Spott nicht sorgen. Seitdem das Foto auf Google für jedermann in der Welt zu sehen ist, lachen seine Nachbarn über sein Missgeschick. Er findet das überhaupt nicht lustig. Zwar hat Google, wie dies vorgesehen ist, sein Gesicht und auch das Nummernschild seines Fahrzeugs durch eine Unschärfe unkenntlich gemacht. Aber für die anderen Dorfbewohner war es wirklich nicht schwer, aufgrund der Hausfassade und der Umgebung ihren pissenden Nachbarn zu identifizieren.
Er hat deswegen beim Gericht von Angers Klage gegen Google eingereicht. Er verlangt erstens, dass dieses Foto sofort und definitiv aus der für alle zugänglichen Google-Bilderdatenbank entfernt wird. Zweitens wünscht er für seinen geschädigten Ruf einen Wiedergutmachung von 10.000 Euro.
Sein Klient gehe nicht aus finanziellen Gründen gerichtlich gegen das amerikanische Internet-Unternehmen vor, sondern weil er in seiner Intimsphäre verletzt worden sei, erklärt sein Anwalt, der unterstreicht, Google habe die Sorgfaltspflicht vernachlässigt und entgegen früheren Zusicherungen in diesem Fall die Privatsphäre nicht in ausreichender Weise respektiert.
Französische Gerichte nicht zuständig
Der Vertreter von Google dagegen hat pauschal die Zuständigkeit französischer Gerichte bestritten, weil Google ja in den USA domiziliert sei. Zudem sei das beantragte Dringlichkeitsverfahren völlig unverhältnismäßig. Schließlich habe Google den Kläger auf dem Foto mit den üblichen digitalen Mitteln genügend unkenntlich gemacht. Das Bild, das gestern noch zu sehen war und von mehreren französischen Fernsehsendern gezeigt wurde, lässt indes für zumindest für die Bekannten des Opfers der Indiskretion eine Identifizierung zweifelsfrei zu.
Das Urteil wird am 15. März erwartet. Der Fall könnte zu einem Präzedenzentscheid werden. Vor einem Jahr war Google in Frankreich wegen unerlaubter Erfassung von Daten auf dem Netz des drahtlosen Internetzugangs bereits zu 100.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund