Streit unter Türken in Deutschland: Als Gülen-Anhänger angefeindet
Nach dem Putschversuch in der Türkei steigen auch in Deutschland die Spannungen zwischen Erdoğan-Anhängern und -Gegnern.
Ercan Karakoyun ist Geschäftsführer der „Stiftung Dialog und Bildung“ in Berlin, einem deutschen Ableger der sogenannten Gülen-Bewegung. Die Anhänger des türkischen Geistlichen betreiben in Deutschland nach eigenen Angaben etwa 160 Nachhilfevereine, 30 Schulen und rund ein Dutzend Dialogvereine.
„Es geht nicht um Gülen. Das ist nur ein Vorwand, um diese Säuberungen durchzuführen“, sagt Karakoyun. Er spricht von einer „Hexenjagd“. Die meisten Gülen-Anhänger in der Türkei seien schon vor drei Jahren aus ihren Ämtern entfernt worden, als es zum offenen Bruch zwischen Erdoğan und Gülen kam. „Jetzt geht es gegen alle, von denen er nicht genau weiß, wohin sie gehören.“
Das mache sich auch hierzulande bemerkbar. So würden WhatsApp-Nachrichten mit dem Aufruf, Gülen-Anhänger bei den türkischen Behörden zu melden, in der türkischen Community die Runde machen. Auch gebe es Anfeindungen und Aufrufe, nicht bei Gülen-Leuten einzukaufen. „Aber der Supermarktleiter in Berlin hat doch nichts mit dem Putsch in der Türkei zu tun“, empört sich Karakoyun. „Für mich ist unverständlich, dass die Moscheeverbände nicht mäßigender wirken“, kritisiert er. „Sie sollten sich viel stärker gegen jede Anwendung von Gewalt aussprechen.“
Das findet auch Aziz Aslandemir, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Alevitischen Gemeinde in Deutschland. „Die, die jetzt auf die Straße gehen, folgen organisierten Aufrufen“, sagt er. „Das ist ihr gutes Recht. Aber man muss sich dabei von jeder Gewalt distanzieren.“
Unterstützung für Erdoğan
In vielen deutschen Städten sind seit dem Putschversuch bundesweit Hunderte Deutschtürken auf die Straße gegangen, um türkische Fahnen zu schwenken oder ihre Unterstützung für den türkischen Präsidenten Erdoğan zu bekunden.
Die großen Islam-Verbände haben den Putschversuch in der Türkei scharf verurteilt und ihre „Solidarität mit den Menschen in der Türkei und der Demokratie“ bekundet. So steht es in einer Erklärung der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), die dem Religionsministerium in der Türkei unterstellt ist. Darin heißt es auch: „Weder in der Türkei noch in Deutschland oder anderswo auf der Welt darf Gewalt als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung angewandt oder befürwortet werden.“
Aslandemir reicht das nicht. „Wir lehnen selbstredend auch jeden Putsch ab“, sagt er. „Die Entwicklungen in der Türkei beunruhigen uns aber als Demokraten und Aleviten. Die Säuberungen richten sich gegen alle, die Erdoğans System im Weg stehen.“
Die Übergriffe auf Stadtviertel, in denen vor allem Linke, Aleviten und Kurden leben, haben in seinen Augen das Ziel der Einschüchterung. Er kritisiert: „Das Demokratieverständnis der großen Islam-Verbände lässt zu wünschen übrig, das hat man schon nach der Armenien-Resolution des Bundestags gesehen.“
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