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Streit um die Brexit-VerhandlungenDie Briten verlieren die Geduld

Der Brexit dreht sich im Kreis: Die EU stellt immer neue Forderungen, die Briten schaffen keine Klarheit. Dann doch lieber ein schneller Bruch?

Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg von den Tories will nicht länger warten Foto: reuters

Berlin taz | In die Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU schleicht sich die Gefahr des Scheiterns ein. Öffentlicher Streit zwischen den Chefunterhändlern David Davis und Michel Barnier dominierten die vergangene Woche; direkte Gespräche diese Woche gibt es nicht. Dabei sollen bis zum nächsten EU-Gipfel in sechs Wochen die Vereinbarungen über die anvisierte „Übergangszeit“ nach dem formellen EU-Austritt am 29. März 2019 stehen. Was anfangs als einfachster Teil des Brexit galt, könnte sich nun als Sollbruchstelle erweisen.

Denn die EU-Leitlinien für die bis Ende 2020 gedachte Übergangszeit, aus Barniers Sicht „logisch“, finden nicht nur Brexit-Enthusiasten in Großbritannien inakzeptabel. Das EU-Papier gibt den Briten für diese zwanzig Monate sämtliche Pflichten eines EU-Mitglieds, aber keine Rechte – und schützt Großbritannien nicht vor Brüsseler Alleingängen.

So soll auch neues EU-Recht, an dessen Zustandekommen London keinerlei Anteil hatte, in Großbritannien Gültigkeit erlangen. Im Falle britischer Neuregelungen, die vom bisherigen EU-Recht abweichen, behält sich die EU hingegen das Recht auf Sanktionen vor. Nur auf EU-Einladung sollen Briten an Konsultationen teilnehmen dürfen, und Streitfälle landen vor dem EU-Gerichtshof, also einer Institution einer der beiden Parteien. Für die EU ist das britische Parlament in der Übergangszeit kein Parlament und die britische Zentralbank keine Zentralbank – sie hätten ja sonst in Brüssel etwas zu sagen.

Großbritannien werde „Vasallenstaat“, sagte der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg dazu, und niemand widersprach ihm: Sogar die EU-freundlichen Liberaldemokraten kritisierten, Großbritannien solle „in die Ecke gestellt“ werden. Die Vasallenäußerung katapultierte Rees-Mogg an die Spitze der Brexit-Hardliner, die von ihrer Regierung ein entschlossenes Auftreten verlangen. Der altmodisch und präzise auftretende Redner führt den einflussreichen Fraktionsarbeitskreis European Research Group und taucht dieser Tage ungefähr so viel in den Medien auf wie das gesamte Kabinett zusammen.

Brüssel und London sagen nur, was sie nicht wollen

Munition bekam Rees-Mogg vom konservativen Daily Telegraph, der eine Liste von 37 möglichen neuen EU-Gesetzesvorhaben enthüllte, die in der Übergangszeit ihren Weg in die britischen Gesetze finden könnten. Jurist Steve Peers macht auf seinem Blog „EU Law Analysis“ hingegen geltend, dass die Europawahlen im Juni 2019 die EU bis Herbst 2019 lähmen und neue Direktiven sowieso erst nach zwei Jahren in Kraft treten, wenn die Übergangszeit schon wieder vorbei sei.

Allerdings könnte sich die Übergangszeit als verlängerungsbedürftig erweisen. Denn solange nicht klar ist, zu welchem Endzustand der Übergang führt, kann man ihn nicht abschließen. Und zum Endzustand äußern sich sowohl Brüssel als auch London vage. Sie sagen nur, was sie nicht wollen. So will Großbritannien weder im EU-Binnenmarkt noch in der EU-Zollunion bleiben, weil dies eine eigenständige Außenhandelspolitik unmöglich macht. Stattdessen will London ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU, also zwischen zwei gleichberechtigten Partnern.

Sechs Reden sind geplant, beginnend mit Außenminister Boris Johnson am Valentinstag

Die EU hingegen, die Großbritannien sonst Rosinenpickerei vorwirft, hält das nur beim Warenverkehr für möglich, wo sie einen Handelsüberschuss mit Großbritannien hat, nicht aber bei Finanzdienstleistungen, wo London dominiert. Dabei hatte sie bei den TTIP-Gesprächen mit den USA auf die Einbeziehung des Finanzsektors gedrängt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte kürzlich in London, wenn Großbritannien Zugang zum EU-Binnenmarkt behalten wolle, müsse der Staat in den EU-Haushalt einzahlen – das wäre eine rechtswidrige, weil einseitig gegen ein Land gerichtete Handelsbarriere, sagen Experten in London.

Brexit-Stolpersteine tauchen schneller auf, als dass sie verschwinden. In London mehren sich nun die Forderungen an die eigene Regierung, klare Endziele zu formulieren und auf sie hinzuarbeiten, unabhängig vom weiteren Verlauf der Gespräche mit der EU. Doch eine zweitägige britische Regierungsklausur zu dieser Frage ging vergangene Woche ohne Einigung auseinander. Stattdessen sind nun über die nächsten drei Wochen gleich sechs Grundsatzreden zum Thema geplant, beginnend mit Außenminister Boris Johnson am Valentinstag und endend mit Premierministerin Theresa May, die auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz sprechen wird.

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6 Kommentare

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  • Das Blöde an solchen Artikeln ist, dass man nie weiß, was das alles für einen selbst zu bedeuten hat.

     

    Letztendlich ist es mir doch egal, wer in der EU ist und wer nicht. Aber wird durch das Handelsabkommen der EU mit GB nach dessen Austritt mit oder ohne Finanzdienstleistungen für einen selbst besser oder schlechter.

    Was heißt das für britische Firmen in der EU, wenn es überhaupt Auswirkungen hat? Wo wird es die geben?

     

    Dass ich mit Reisepass zukünftig nach GB muss, ist egal. Am Flughafen wird man sowieso kontrolliert. Von Freizügigkeit habe ich auch bei EU-Mitgliedschaft nie was mitbekommen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      "Aber wird durch das Handelsabkommen der EU mit GB nach dessen Austritt mit oder ohne Finanzdienstleistungen für einen selbst besser oder schlechter."

       

      Das lässt sich so pauschal doch gar nicht sagen. Wenn Sie Immobilien in Frankfurt besitzen wirds besser, wenn Sie in Frankfurt zur Miete wohnen schlechter.

       

      Insgesamt ist der Brexit denke ich zu begrüßen, da so eine regulierungs- und integrationsfeindliche Regierung weniger mitentscheidet. Wenn Sie Regulierung und stärkere Integration gut finden, ist der Brexit also eine gute Nachricht. Wobei ein geregelter Ausstieg sicher immer besser ist als ein chaotischer. Es sei denn, Sie mögen Punk und sind ein bisschen Chaos niemals abgeneigt.

  • Inzwischen ist die Übergangszeit unverzichtbar für die Briten geworden, da es die britische Regierung seit 2016 noch nicht geschafft hat eine konsistente Verhandlungspositionen für die Übergangszeit und vor allem den Endstatus gegenüber der EU zu entwickeln.

    Die Briten können dankbar sein, dass die EU zumindest für die Übergangszeit eine Position entwickelt hat, die als Grundlage für Verhandlungen dienen kann. Falls die britische Regierung endlich merkt das sie sich mit ihren Zu - und Aussagen - raus aus der Zollunion - raus aus dem gemeinsamen Markt versus -weiche, unsichtbare Grenzen zwischen Nordirland und der Repulik -gleiche Behandlung von Nordirland - und dem restlichen Staatsgebiet in eine logisch unhaltbare Position begeben hat, kann sie ja immer noch Neuwahlen ausrufen. Die Nachfolgeregierung kann dann vom Brexit zurücktreten oder einen weichen Brexit verhandeln, der die Interessen aller Engländer und Iren sowie aller Migranten (Engländer und EU27 ) Bürger angemessen berücksichtigt. Die Regierung May wird das mit Sicherheit nicht mehr schaffen!

  • Die Briten wollen idealerweise den Übergang als permanente Lösung. D.h., sie wären befreit Beiträge zu zahlen, hätten aber weiterhin Zugang zum internen Markt. In dieser Übergangszeit würden sie dann, wie bereits angekündigt, weiterhin EU-Bürger die Einreise erlauben, aber ohne die rechtliche Gleichstellung der bereits vor dem 29. März 2019 eingereisten EU-Bürgern, usw.

     

    GB würde sich dann um eine Verlängerung der Übergangsphase bemühen, und sich so von Übergangsphase zur Übergangsphase hangeln.

     

    Windig.

     

    Eine Alternative zur Rosinenpickerei.

  • Ich glaube, mittlerweile haben wir alle genug. Erst raus, dann als Drittland Verhandlungen aufnehmen. Natürlich ist die Verhandlungsposition dann schlechter, aber das wollte man ja so.

  • Sollen sie halt in der EU bleiben. Oder raus gehen. Wenn raus, dann ohne Übergangszeit, denn wie soll das funktionieren? Entweder EU Mitglied oder eben nicht.