Vehemente Kritikan der Regierung

Im Einreisekonflikt um Tennisstar Novak Ðoković urteilt ein australisches Gericht für den Serben

Aus Canberra Urs Wälterlin

Ungewöhnlich für einen Richter, hatte sich Anthony Kelly am Montag schon während der Verhandlung zugunsten des Tennisspielers geäußert. So stellte er die rhetorische Frage, was der Serbe „denn noch mehr hätte tun können“, um die behördlichen Anforderungen zu erfüllen. Novak Ðoković war letzte Woche die Einreise verweigert worden, weil er aus Sicht der Behörden nicht die nötigen Dokumente für eine medizinische Ausnahmegenehmigung habe, um auch ohne Corona-Impfung einreisen zu dürfen.

Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Ðoković eine medizinische Befreiung von den australischen Impfvorschriften beantragt hatte, weil er sich Mitte Dezember mit Covid infiziert habe. Dies wurde von Tennis Australia und den medizinischen Gremien der Regierung des Bundesstaates Victoria akzeptiert, die ihm die Befreiung am 30. Dezember gewährten. Offenbar hatte Ðoković diese Papiere – wie vorgeschrieben – in das Online-Portal der australischen Immigrationsbehörde hochgeladen und erhielt danach vom Innenministerium grünes Licht zur Einreise. Nach 14 Stunden Flug mitten in der Nacht am Immigrationsschalter sah es dann plötzlich anders aus: Der Beamte des australischen Grenzschutzes erkannte die Dokumente nicht an. Ðoković wurde eine Nacht lang festgehalten, bevor er in ein Hotel für abgewiesene Asylbewerber ziehen musste.

Kelly übte heftige Kritik an der „Fairness“ der Festnahme. Beamte hätten den Sportler vor vollendete Tatsachen gestellt und ihm gesagt, der Entscheid der Stornierung des Visums stehe, selbst wenn Ðoković andere entlastende Dokumente vorlege. Der Richter kritisierte die Regierung, dass sie sich nicht an eine Abmachung gehalten hatte, ihm mehr Zeit zu geben, um sein Visum vor der Annullierung zu schützen. In einer nach der Anhörung veröffentlichten Mitschrift des Gesprächs zwischen Ðoković und den Grenzbeamten beklagt sich der Tennisstar darüber, dass er durch die Forderung, die Befreiung von der Visumspflicht nachzuweisen, in eine „sehr unangenehme Lage“ gebracht worden sei: „Sie geben mir also rechtlich gesehen 20 Minuten Zeit, um zu versuchen, zusätzliche Informationen zu liefern, die ich nicht habe? Um vier Uhr morgens?“

Mit dem Urteil ist nicht garantiert, dass der Serbe in Melbourne antreten kann. Der Anwalt der australischen Regierung, Christopher Tran, gab nach dem Entscheid bekannt, Einwanderungsminister Alex Hawke werde in Erwägung ziehen, Ðoković’ Visum zu annullieren. Dessen Befugnis dazu besagt aber, der Minister müsse überzeugt davon sein, dass „ein Grund besteht, das Visum zu annullieren“ – in diesem Fall eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit, weil Ðoković nicht geimpft ist.

Eine solche Entscheidung könnte gar zur Folge haben, dass ihm die Wiedereinreise nach Australien drei Jahre untersagt wäre. Die weitgehenden Befugnisse des australischen Einwanderungsministers werden seit Jahren von Menschenrechtsexpertinnen kritisiert. Mary Crock, Professorin für Einwanderungsrecht, sagte der Zeitung Guardian Australia, das Einwanderungsgesetz gebe dem Minister „gottähnliche Befugnisse“. „Wenn das Visum laut dieser Bestimmung noch annulliert wird, würde Australien Gefahr laufen, die Australian Open zu verlieren.“ Crock sagte, eine Annullierung würde „definitiv wieder vor Gericht landen“ – dieses Mal nicht nur, um Verfahrensfragen zu klären, sondern die inhaltliche Frage, ob eine ungeimpfte Person ein Risiko darstellt.