Streit um Videoüberwachung: Mehr Kameras – mehr Sicherheit?
Das Innenministerium will nach dem gescheiterten Anschlag in Bonn mehr Videokameras aufstellen. Doch Opposition und Datenschützer sehen keinen Anlass dazu.
BERLIN dpa/dapd | Nach dem versuchten Bombenanschlag im Bonner Hauptbahnhof fordert das Bundesinnenministerium mehr Videoüberwachung in Deutschland. Ziel müsse es sein, im Rahmen der geltenden Gesetze alle Möglichkeiten auszuschöpfen, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Montag in Berlin. Der Datenschutzbeauftragte von Nordrhei-Westfalen sowie SPD und Grüne lehnen dagegen mehr Videoüberwachung als überflüssig ab.
„Im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. April 2012 konnten mittels Videotechnik 3639 strafrechtliche Delikte festgestellt werden“, sagte sie. „Aufgeklärt wurden dabei 1230 durch Videobeweis.“ Dies zeige, dass das Mittel wirke. „Was die Kosten an den Bahnhöfen angeht, sind wir in guten Gesprächen mit der Deutschen Bahn.“
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte dem Spiegel gesagt, man brauche eine effiziente Videobeobachtung und Videoaufzeichnung auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen. Die CDU stellte sich hinter den Innenminister. „Der Bundesinnenminister hat unsere volle Unterstützung“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Montag in Berlin.
„Der Reflex ist in aller Regel falsch“
Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner sagte der Süddeutschen Zeitung: „Der Reflex, sie etwas von einer verschärften Überwachung zu erhoffen, ist in aller Regel falsch.“ Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Friedrich vor, voreilig nach mehr Überwachung zu rufen. „Mit seinem reflexhaften Ruf nach schärferen Gesetzen und mehr Videoüberwachung macht es sich der Innenminister Friedrich zu leicht“, sagte Künast derselben Zeitung. Sie fügte hinzu: „Wir brauchen effektive Sicherheitsbehörden und keine flächendeckende Überwachung.“
Aus Sicht des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten Ulrich Lepper gibt es allerding kein Anlass für eine flächendeckende Video-Überwachung. Eine konkrete Gefährdungslage, die dies rechtfertige, gebe es in Deutschland nicht, sagte Lepper. Im privaten Bereich habe die Video-Überwachung in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Entsprechend mehrten sich Beschwerden von Bürgern, die sich durch Kameras eingeschränkt fühlten.
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