Streit um US-Gesundheitsreform: Republikaner halten Wahlversprechen
Die Republikaner versuchen Obamas größtes innenpolitisches Vorhaben zu verhindern. Und das, obwohl die Gesundheitsreform immer mehr Freunde findet.
WASHINGTON taz | Knapp zehn Monate nach der Verabschiedung der historischen Gesundheitsreform hat das US-Repräsentantenhaus am Mittwoch mit großer Mehrheit für ihre Abschaffung gestimmt. Alle republikanischen Abgeordneten, sowie drei DemokratInnen versuchten so, das größte Reformvorhaben von Präsident Barack Obama rückgängig zu machen. 44 Tage nach den Mid-Term-Elections lösten die RepublikanerInnen damit ein Wahlversprechen ein.
Dennoch hat die Abstimmung im Repräsentantenhaus vor allem symbolischen Charakter. Denn im Senat - der zweiten Kammer des US-Kongresses – halten die DemokratInnen weiterhin die Mehrheit. Und sie wollen an der Gesundheitsreform festhalten. Die RepublikanerInnen, deren extrem rechter Flügel, die "Tea-Party", auf der Straße Sturm gegen die Reform gelaufen war und die Einführung einer Krankenversicherung für (fast) alle mal als "Sozialismus", mal als "Kommunismus" und mal als "Faschismus" bekämpft hatten, können sie in dieser Legislaturperiode nicht kippen. Sie haben allenfalls die Möglichkeit, die finanzielle Umsetzung zu behindern: Durch Verweigerung der nötigen Mittel.
Paradoxerweise ist die Gesundheitsreform jedoch just zu dem Zeitpunkt, da die RepublikanerInnen die Mehrheit im Repräsentantenhaus erreicht haben, populärer als zuvor. Meinungsumfragen bestätigen das. Dafür sorgt vor allem, dass nach den ideologischen Schlachten der vergangenen Monate jetzt erstmals positive Veränderungen durch die Reform spürbar sind: die Möglichkeit, Kinder bis zum Alter von 26 Jahren bei den Eltern mitzuversichern, wenn sie kein eigenes Einkommen haben; die weitergehende medizinische Abdeckung von SeniorInnen; schließlich die Abschaffung der Regel, wonach frühere Krankheiten von Krankenversicherungen ausgeschlossen werden dürfen.
Auch das Attentat vom 8. Janaur in Tucson, Arizona, könnte als zusätzliches Argument für die Gesundheitsreform wirken. Denn sie sieht Kostenübernahmen für die Behandlung von psychisch Kranken vor. Wäre die Reform bereits in Kraft gewesen, hätte der mutmaßlich psychisch kranke Todesschütze von Tucson Anspruch auf Behandlung auf Versicherungskosten gehabt.
Der Stimmungswandel in Sachen Gesundheitsreform schlug sich auch in der Debatte im Repräsentantenhaus nieder. Dort traten die SprecherInnen der DemokratInnen vor ihrer angekündigten Abstimmungsniederlage am Mittwoch, offensiv und selbstbewußt auf. Sie nutzten die Gelegenheit, um erste Erfolgsgeschichten dank der Reform zu erzählen und um weitere, kommende Verbesserungen anzukündigen.
Scharf mit den RepublikanerInnen legte sich Steve Cohen, Demokrat aus Tennessee, ins Zeug. Ihre Warnungen vor einer "staatlichen Übernahme" der Gesundheitsversorgung nannte er "Lügen wie Goebbels". Cohen sagte im Repräsentantenhaus: "Die Deutschen haben die Lügen über die Juden so lange wiederholt, bis es zum Holocaust kam."
Nach der Abstimmung vom Mittwoch im Repräsentantenhaus (245 gegen 189) ist für die RepublikanerInnen der Senat die nächste Etappe. Dort steht eine knappe Mehrheit von 53 demokratischen SenatorInnen den 47 republikanischen gegenüber. Dennoch will der Chef der RepublikanerInnen im Senat, Mitch McConnell, auch dort eine Abstimmung erzwingen. Notfalls mit einer "Guerilla-Taktik", wie aus der republikanischen Senats-Fraktion verlautet.
Leser*innenkommentare
davidly
Gast
Beide Seite lügen. Diese Reform ist rein Korporatismus, wie alles, was aus diesen Häusern kommen. Im Endeffekt fungieren die vordergründige verrückten Benehmen von rechts als Rückendeckung, wie gehabt.
Bernd
Gast
@ Chris: Warum ist das Blödsinn? Wenn es innerhalb der Grünen-Fraktion eine extrem linke Attac-Gruppe gäbe, könnte man das doch auch schreiben? Gibts aber nicht. Den Tea Party Caucus in der republikanischen Fraktion im Kongress allerdings schon.
Chris
Gast
Im Artikel heißt es:
Das ist Blödsinn. Der Satz macht ungefähr so viel Sinn, wie wenn ich schreiben würde: