Streit um Renaturierungs-Gelder: Tuning für die Elbe
Im Vorgriff auf eine weitere Flussvertiefung soll eine staatliche Stiftung die Elbe zu renaturieren. Die Hafenwirtschaft würde ihr am liebsten das Geld streichen.
Wenn die Elbe tiefer wird, soll sie auch natürlicher werden. Mit diesem Zugeständnis versucht der Hamburger Senat, die schwierige weitere Vertiefung der Fahrrinne doch noch durchzubekommen. Dazu hat er eine Stiftung gegründet, die jetzt ihre ersten Projekte vorgestellt hat. Doch die Stiftung, die einen Teil der Hafengebühren bekommt und deren Vorstand zur Hälfte aus Naturschützern besteht, steht unter Druck: Wegen einer erfolgreichen Klage des Umweltverbandes BUND gegen die Flussvertiefung hat die Hafenwirtschaft gefordert, die Stiftung trocken zu legen. Zugleich ist ein verführerisches großes Projekt per Gerichtsurteil blockiert.
Die Stiftung Lebensraum Elbe hatten die Grünen 2008 ihrem Koalitionspartner CDU abgerungen. Im Gegenzug stimmten sie einer weiteren Vertiefung der Hafenzufahrt zu. Aufgabe der Stiftung ist es, den ökologischen Zustand der Tideelbe zu verbessern. Wie sie das macht, darüber entscheidet ein Vorstand, der jeweils zu Hälfte aus Vertretern der Naturschutzverbände und der Industrie besetzt ist.
Inhaltlich kann dieser auf 20 Jahre alte Vorschläge aus der Wassergütestelle Elbe der Anrainerländer zurückgreifen. Durch die Stiftung können sie jetzt neu bedacht werden. „Wir setzen auf Maßnahmen, von denen sowohl die Natur an der Elbe als auch die Menschen profitieren“, sagt Heinrich Reinke, Vorstand der Stiftung. Dem Strom etwa mehr Raum zu geben, schaffe nicht nur mehr Platz für Vögel und Fische, sondern trage auch zum Hochwasserschutz bei.
Damit sie Projekte planen und umsetzen kann, will die Bürgerschaft die Stiftung bis 2019 mit einem Kapital von 17,5 Millionen Euro ausstatten. Außerdem erhält sie jährlich ein Prozent der Ausgaben für den Hochwasserschutz und vier Prozent der Hafengebühren.
Nachdem es den Umweltverbänden Nabu und BUND im Herbst gelungen war beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen vorläufigen Baustopp bei der Elbvertiefung zu erreichen, stellte die Hafenwirtschaft dieses Modell in Frage. Gunther Bonz, der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg und Geschäftsführer des Logistikunternehmens Eurogate, verlangte, die Überweisungen seien einzustellen. Solange die Genehmigung für die Elbvertiefung nicht auf dem Tisch liege, brauche die Stiftung auch nicht zu arbeiten.
Reinke nimmt die Drohung gelassen. „Das war für uns die beste Werbung“, sagt er. Die Stiftung sei gesetzlich verankert und deswegen nicht ohne weiteres aufzulösen. Die Stiftung könne sich angesichts des vor dem Bundesverwaltungsgerichts anhängigen Verfahrens zur Elbvertiefung für den Senat als nützlich erweisen. „Wir haben einen Strauß von Maßnahmen, die wir noch anbieten können“, sagt der Stiftungsvorstand.
Meist geht es darum, die Ufer zu entfestigen und die Elbe wieder in das Land hinter den Deichen fließen zu lassen. Neben einem Mosaik kleiner Projekte würde Reinke gerne in Zukunft den Deich vor Krautsand bei Glückstadt öffnen, so dass Priele und Überschwemmungsgebiete entstehen können. Mindestens so verführerisch wäre es, die Haseldorfer Marsch zu öffnen. „Das ist ein großer Lungenflügel der Elbe“, sagt Reinke.
Ihn zu beatmen dürfte schwierig werden. Die Haseldorfer Marsch sollte schon zum Ausgleich für die Airbusfabrik in der Elbe der Tide geöffnet werden. Weil damit ein hochwertiges Naturschutzgebiet nur weiter aufgewertet worden wäre, klagte der BUND dagegen und behielt Recht. Der BUND sitzt mit im Rat der Stiftung Lebensraum Elbe.
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