Streit um Psychiatrie-Einweisung: Wahnvorstellung oder Bankenskandal?
Gustl Mollath hatte die HypoVereinsbank wegen angeblicher Schwarzgeldtransfers angezeigt. Er kam in die Psychiatrie. Bayerns Justizministerin verteidigt das Urteil.
FREIBURG taz | Sitzt der 55-jährige Nürnberger Gustl Mollath seit Jahren in der Psychiatrie, weil er versuchte, einen Bankenskandal aufzudecken? Das glaubt ein "Unterstützerkreis", der sich für seine Freilassung einsetzte. Am Freitag beschäftigte sich der Bayerische Landtag mit dem Fall.
Mollath hatte einst ein Geschäft mit getunten Sportwagen, das er im Jahr 2000 aufgeben musste. Danach war er arbeitslos. Seine Frau Petra arbeitete bei der HypoVereinsbank. Nach seinen Angaben schaffte sie regelmäßig Schwarzgeld von Kunden in die Schweiz. Er versuchte, sie davon abzuhalten, sie stritten immer öfter. Die Frau zog aus und zeigte ihren Mann an. Er habe sie geschlagen und gewürgt. Mollath bestreitet das.
Der Fall wird am Landgericht Nürnberg verhandelt, wo noch ein weiterer Vorwurf angeklagt ist. Mollath soll die Reifen von mehreren Personen zerstochen haben, die er als Verbündete seiner Frau und damit als seine Gegner wahrnimmt. Mollath bestreitet auch das.
Das Landgericht hält die Vorwürfe zwar für erwiesen, spricht ihn aber wegen fehlender Schuldfähigkeit frei. Einem Gutachten zufolge leide Mollath an einer "wahnhaften Störung". Er bringe fast alle Personen, mit denen er zu tun habe, mit einem angeblichen Bankenskandal in Verbindung.
Weil weitere Taten zu befürchten seien, ordnet das Gericht im August 2006 seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Seitdem sitzt Mollath nun in der forensischen Psychiatrie in Bayreuth.
Staatsanwaltschaft lehnte Ermittlungen ab
Mollath und sein Unterstützerkreis vermuten eine groß angelegte Intrige, um "Schwarzgeldverschiebungen" zu vertuschen. Seine Frau habe ihm schließlich gedroht, sie mache ihn "fertig", wenn er nicht endlich mit seinen Vorwürfen aufhöre. Die Unterstützer monieren, dass Mollaths Vorwürfe beim Landgericht nicht geprüft wurden. Auch eine Strafanzeige Mollaths führte zu nichts. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg lehnte Ermittlungen ab, die Vorwürfe seien zu pauschal.
Der Psychiater Friedrich Weinberger von der Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie besuchte Mollath in Bayreuth und kam zu dem Schluss: Mollath sitze "seit über fünf Jahren bei voller Gesundheit unschuldig in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt".
Auftrieb bekamen die Unterstützer, als sich herausstellte, dass die HypoVereinsbank die Vorwürfe Mollaths durchaus ernst nahm und nach eigenen Angaben daraus "personelle Konsequenzen" zog. Offensichtlich entsprängen die von Mollath angeprangerten Schwarzgeldtransfers doch nicht einem paranoiden Wahn, so die Unterstützer. Die im Landtag vertretenen Freien Wähler vermuten bereits einen "Justizskandal".
Am Freitag wies Justizministerin Beate Merk (CSU) nun die Vorwürfe umfassend zurück. Die Unterbringung Mollaths in der Psychiatrie habe mit der Strafanzeige gegen seine Frau und die Bank nichts zu tun, sondern sei Folge seiner Straftaten. Die Einweisung in die Psychiatrie sei vom Bundesgerichtshof bestätigt worden. Seither werde regelmäßig von Gutachtern geprüft, ob Mollath noch gefährlich sei oder entlassen werden könne.
Auch die anderen Oppositionsparteien SPD und Grüne wollen die Gerichtsurteile nicht in Frage stellen. Sie fragen eher, warum die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige Mollaths ignoriert hatte. Im Februar soll die Ministerin darüber ausführlich im Rechtsausschuss des Landtags berichten. Vorwürfe, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund von Weisungen aus der Politik untätig blieb, wies Merk als "blanken Unsinn" zurück. Letzte Woche stellte die Staatsanwaltschaft nun per Brief doch einige kritische Fragen an die HypoVereinsbank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers