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Streit um PässeUngarn legt sich mit Nachbarn an

Die Regierung in Budapest bietet Angehörigen der ungarischen Minderheit Pässe an. Slowakei reagiert empört auf das neue Gesetz und droht mit Gegenmaßnahmen.

Ungarns Regierungschef Orban, fotografiert am 25.Mai 2010 im Budapester Parlament. Bild: dpa

Ungarns neuer Regierungschef Viktor Orbán lässt nichts anbrennen. Kaum zusammengetreten, verabschiedete das neue Parlament in Budapest am Mittwochvormittag ein Gesetz, das in einigen Nachbarländern Empörung auslöst. Deren Staatsbürger, die eine ungarische "Ahnenlinie" nachweisen können, sollen in Zukunft einen ungarischen Pass beantragen dürfen, auch wenn sie in ihrem Heimatstaat leben. Die Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz, einer der Wahlkampfschlager des rechtspopulistischen Premiers, wurde mit drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen durch das Parlament gepeitscht. Neben der Regierungspartei Fidesz, die über mehr als zwei Drittel der Sitze verfügt, waren auch Sozialisten, einige Grüne und natürlich die Abgeordneten der rechtsextremen Jobbik für das Projekt.

Die Reaktion aus der Slowakei blieb nicht aus. Premier Robert Fico trommelte noch am Dienstag den Nationalen Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammen. Das Parlament in Bratislava verabschiedete eine Erklärung, in der man sich beunruhigt zeigt darüber, dass Ungarn eine "exterritoriale Rechtsnorm, die die Bürger der Slowakischen Republik betrifft, beschließt, ohne dass sie sich über diese Norm im Sinne des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern mit den Spitzenvertretern der Slowakischen Republik konsultierte".

Tatsächlich hat Ungarns Regierung demonstrativ auf jede vorherige Konsultation verzichtet. Vizepremier Zoltán Semjén, der für Minderheiten zuständig ist, erklärte schon vor der Abstimmung: "Es ist das souveräne Recht jedes Landes zu entscheiden, wen es einbürgern will." In der Slowakei wähnen sich die Parlamentarier vor einer "erneuten Infragestellung des Friedensvertrags von Trianon von 1920 sowie der Nachkriegsordnung in Europa". Fico, auf den Mitte Juni Wahlen zukommen, droht jetzt allen slowakischen Ungarn mit einem Gesetz, das slowakische Bürger, die einen fremden Pass annehmen, automatisch ausgebürgert. Derzeit ist die Doppelstaatsbürgerschaft möglich.

Viktor Orbán hatte schon in seiner ersten Amtszeit im Juni 2001 ein "Gesetz über die Ungarn, die in Nachbarländern leben" - kurz "Statusgesetz" - beschließen lassen. Dieses räumte den Angehörigen ungarischer Minderheiten in den Nachbarländern verschiedene Vergünstigungen ein.

Auch damals war der Protest aus Bratislava nicht ausgeblieben. In der Slowakei, vor allem entlang der ungarischen Grenze, lebt etwa eine halbe Million Ungarn. Das neue Gesetz soll im Januar 2011 in Kraft treten. Etwa 1,5 Millionen Menschen in Serbien, Rumänien, Österreich, der Ukraine und der Slowakei - Gebiete, die vor 1920 ganz oder teilweise zu Großungarn gehörten - dürfen dann einen ungarischen Pass beantragen, so sie unbescholten sind, ungarisch sprechen und ihre "ungarische Abstammung" nachweisen können. Ein Wahlrecht erhalten sie zunächst ebenso wenig wie den Anspruch auf Sozialleistungen.

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10 Kommentare

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  • P
    PassSchussTor

    Ich verstehe nicht, warum man sich hier aufregt. Den immer noch in Polen lebenden "Volksdeutschen" hat man (genau wie Spätaussiedler) vor paar Jahren per Gesetz die deutsche Staatsangehörigkeit gegeben. Diese können genau wie "Deutsche in Deutschland" einen deutschen Reisepass oder auch Personalausweis erhalten.

  • Z
    Zoltán

    Ich weiß gar nicht warum die Slowaken sich immer so aufregen. Von meinem Standpunkt aus sind die ungarischen Pässe für die ungarischen Minderheiten gerechfertigt. Ich mußte mich mein Leben lang rechtfertigen warum ich nicht yugoslawisch(serbisch) sprechen kann wenn ich doch diese Staatsbürgerschaft habe. Ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern aber in Yugoslawien( heute Serbien,vojwodina) das vorher Jahrhunderte zu Königreich Ungarn gehörte. Unser Stammbaum ist rein Ungarisch. Dennoch wollte mich der damals yugoslawische Staat nicht ausbürgern lassen. Nun habe ich die doppelte Staatsbürgerschaft(serbisch und deutsch) da Deutschland mir keine Steine in den Weg gestellt hat. Sollte es mit dem ungarischen Pass klappen werde ich den serbischen wegwerfen.

  • JR
    Josef Riga

    Dass Ungarn auf allen Seiten nur von "Ungarn" umgeben ist, ist eine peinliche und nachdenkenswerte Tatsache für die Nachbarn. Sie resultiert nämlich aus der Abtrennung ungarischen Bodens zugunsten der "Sieger" des ersten Weltkrieges: Rumänien, Serbien, CSR, Sowjetrussland. Nur den Ungarn und den Deutschen wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker vorenthalten. Die Slowaken dürfen sich also nicht wundern, wenn Ungarn jetzt seine "Bürger" wieder einsammelt, und man sollte sich hüten in Pressburg(Poszony/Bratislava) sein nationales Mütchen kühlen zu wollen, denn wer im Glashaus sitzt, mit Hunderttausenden Ungarn, Russen, Zigeunern und anderen Minderheiten, der sollte die Steine hübsch liegen lassen, die da so herumliegen..

  • WM
    Walter Mehring

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Mit der Ausnahme von 3 sozialistischen Abgeordneten (einbegriffen Ex-Ministerpräsident Gyurcsány)haben keine ungarische Parlamentarier mit "nein" gestimmt. Kein einziger Grüner. Das wird als Schande von der verbleibenden demokratischen öffentlichen Meinung aufgegriffen.

  • JR
    Josef Riga

    Wenn ein ungarischer Politiker heute erklären kann, dass Ungarn in jeder Himmelsrichtung bloß an sich selbst grenzt, dann ist das eine für die Nachbarn alarmierende Aussage.

    Es ist aber auch eine verblüffende, und uns zum Nach-

    denken zwingende Aussage, denn es bedeutet, das man in Trianon 1920 dem ungarischen Volk und Staat bitteres Unrecht angetan hat. Jedes Nachbarland steht heute mit einem Fuß auf ungarischem Siedlungsboden (ausser Österreich). Den Ungarn wird, wie den Deutschen auch, weiterhin das Selbstbestimmungsrecht verweigert. Man kann zwar Bevölkerungsgruppen in anderen Staaten zu leben zwingen, aber ihre nationale Identität zwanghaft ändern, das kann man nicht. Erst wenn Staaten wie Rumänien und Slowakei sich als multinationale (eben auch magyarische) Gesellschaften begreifen, wird der Druck der Irredenta nachlassen. Warum sollte sich ein Ungar in Novisad als Serbe sehen, warum in Pressburg (slov. Bratislava, ung. Poszony) aussgerechnet als Slowake? Poszony war bereits Haupt- und Krönungsstadt des ungarischen Staates, als die Slowaken noch in der Hohen Tatra gesessen sind. Soll das nichts mehr gelten? Was gilt dann? Die Willkür der westlichen Siegermächte des Ersten Weltkrieges. Ach so, vielen Dank auch, das ist ja gerade das, wasd wir in europa brauchen: eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Nationen: Die einen bestimmen, wie's läuft und geben das Geld munter aus(Franzosen, Engländer, Italiener Griechen), die anderen schlucken ihre Einwände und ansprüche brav runter und bezahlen die Party (Ungarn, Deutsche, Österreicher, Südtiroler).

  • M
    Magyar

    Orbáns Intentionen bei dem Gesetz dürften unbestritten nationalistisch geprägt sein. Dennoch, sollte die bloße Tatsache, das den Ungarn ausserhalb des "ungarischen Mutterlandes" die ungarische Staatsbürgerschaft auf Antrag verliehen wird per se keine Provokation darstellen. Doppelte Staatsbürgerschaften innerhalb der EU sind schließlich nicht ungewöhnlich, und so sehr ich Orbán und seine Politik verachte, gebe ich ihm in einem Punkt recht: Es bleibt jedem Staat überlassen, wen er einbürgert und wen nicht!

  • MB
    Manfred Bachmayer

    Sehr geehrter Herr Leonhard,

     

    ein treffender Beitrag zur aktuellen Situation in Ungarn. Viktor Orban hat trotz großer sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen nichts wichtigeres zu tun, als seine Nachbarländer zu provozieren. Wir erinnern uns: Die Gewährung weitgehender Minderheitenrechte für die ungarische Bevölkerung war u.a. die Voraussetzung für den EU-Beitritt der Slowakei. Welchen Sinn macht da die ungarische Staatsbürgerschaft für die ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern? Wird der nächste Schritt die Forderung nach politischer Autonomie und Grenzrevision sein? Europa ist aufgerufen Viktor Orban in seine Schranken zu weisen. Erschreckend ist für mich auch: Sogar die ungarischen Grünen tragen laut ihrem Bericht den nationalistischen Kurs von Viktor Orban mit!

  • KB
    karin bryant

    Wieder ein Beispiel das zeigt dass alle EU Laender ihre eignen Sueppchen kochen und sich nicht um Bedenken ihrer Nachbar sorgen. Wenn das dann boeses Blut bringt dann wird mit den Schultern gezuckt. Im Grunde kann keine Union funktionieren in denen die Mitglieder alle ihre eignen Ziele verfolgen.

    Alleine diese Sachen werden der EU den Garaus machen.

  • KP
    Kennkarten, Pässen und Visum die Schnauze voll

    1920? Wohl eher mittelalterlich was die Politiker der beiden Länder abziehen. Staatsbürgerschaft und Pässe dienen einzig dazu Menschen die Bewegungsfreiheit zu versagen.

  • DD
    dirt diver

    Offensichtlich kommen die Gespenster der Vergangenheit wieder, EU hin oder her.Man hat das doch schon nach dem Zusammenbruch der UDSSR auf dem Balkan gesehen.Wir können nur hoffen, dass dieses Beispiel Ungarns nicht in anderen Ecken der EU Schule macht. Absetzbewegungen der Schotten vom UK oder im Bsakenland sind ja z.B. schon seit einiger Zeit deutlich vernehmbar.