Streit um Nominierung im Volleyball: Kein Platz für Willkür
Ihr Verband hat die Beachvolleyballerinnen Kim Behrens und Cinja Tillmann nicht für Turniere nominiert. Nun haben sie vor Gericht gewonnen.
Die Meldung kam über den Onlinedienst Instagram und ließ keine Fragen offen: „Wir haben gewonnen“, war dort zu lesen. Mit zwei Ausrufezeichen. Als Verfasserinnen dieser Neuigkeit gaben sich die beiden Beachvolleyball-Profis Kim Behrens (28) und Cinja Tillmann (29) zu erkennen. Nun ist es an sich nichts Ungewöhnliches, wenn Athletinnen Siege vermelden, schließlich geht es im Spitzensport genau darum.
Doch in diesem Fall handelte es sich um einen besonderen Triumph. Er schmeckte ausgesprochen süß, weil er nicht auf dem Sandplatz errungen wurde, sondern im Gerichtssaal, und weil er weitreichende Konsequenzen für die Sportlandschaft zeitigen kann. Das Landgericht in Frankfurt am Main gab der Klage der Spielerinnen gegen Deutschen Volleyball-Verband (DVV) in erster Instanz statt und entschied, dass ihnen eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 17.000 US-Dollar (14.450 Euro) zusteht.
Wie konnte es so weit kommen, dass sich Athletinnen dazu genötigt sehen, ihren Dachverband, der doch eigentlich für ihr Wohlergehen Sorge tragen soll, vor den Kadi zu zerren? Der DVV hatte Behrens/Tillmann trotz sportlicher Qualifikation bei sieben Turnieren der Weltserie nicht nominiert oder sogar abgemeldet. Stattdessen durften die Nationalteams starten, selbst wenn sie in der Rangliste weiter hinten rangierten.
Eine Praxis, die die Profis, die für den USC Münster ans Netz gehen, als „krasse Ungerechtigkeit“ empfanden, wie Kim Behrens betonte: „Als Athletin muss ich vor jeder Saison unterschreiben, dass ich mich an die Regeln des Fair Play halte. Und dann werde ich so behandelt.“
Weltrangliste zählt nicht
Eine Einigung gab es auch in mehreren Schlichtungsgesprächen nicht, sodass das Team klagte. Der Verband erklärte sein Vorgehen damit, er stufe die beiden Abwehrspielerinnen ungeachtet ihrer Weltranglistenposition nur als fünftbestes deutsches Team ein. Bis zuletzt beharrte der DVV auf seinem Recht, bei der Nominierung das letzte Wort zu haben. „Mein Job ist es, den Erfolg bei Olympischen Spielen abzusichern“, betonte DVV-Sportdirektor Niclas Hildebrand, „weil daran staatliche Fördergelder gebunden sind, die für unseren Verband überlebenswichtig sind.“ Um das zu gewährleisten, „muss ich nicht der fairste Sportdirektor sein“. Und weiter: „Das mag hart klingen, aber in unserer Analyse sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir Behrens/Tillmann langfristig nicht zutrauen, die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu schaffen und dort um eine Medaille mitzuspielen.“
Während die Sportlerinnen das Recht auf Ausübung ihres Berufs einforderten, pochte der Verband darauf, Herr über sämtliche Nominierungskriterien zu sein. In seinem Selbstverständnis ist der DVV nun deutlich eingebremst worden. Das Frankfurter Landesgericht beschränkte den Verband explizit in seinem Handlungsspielraum.
Der DVV habe zwei seiner Athletinnen „ohne gerechtfertigten Grund anders behandelt“ als andere Teams, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Der Verband habe zwar eine Monopolstellung, die er jedoch nicht ausnutzen dürfe. Vielmehr sei er dazu verpflichtet, „jeden für Wettkämpfe zu nominieren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt“. Die Funktionäre hatten bereits schlecht ausgesehen, als das von ihnen verschmähte Duo bei der EM als bestes deutsches Team Silber abräumte, nun kommt ein Urteil hinzu, das einer herben Niederlage gleichkommt und zudem auch für Athleten aus anderen Sportarten richtungweisend sein könnte.
Paul Lambertz, Fachanwalt für Sportrecht aus Düsseldorf, der das Team Behrens/Tillmann vertritt, konstatierte: „Das ist ein tolles Urteil, und es ist ein richtiges Urteil. Es zeigt, dass Athleten eine Stimme haben und dass sie gehört werden, wenn sie sie erheben.“ Kim Behrens fügte hinzu: „Das bestärkt uns in der Überzeugung, für unsere Rechte zu kämpfen. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere Athleten.“ Auf der anderen Seite weiß die gebürtige Bremerin auch, „dass uns ein Jahr unserer Karriere genommen wurde, das uns niemand zurückgeben kann.“
Dennoch herrschte im Team Behrens/Tillmann „eine Gefühlsmischung aus Erleichterung und Stolz“, wie Kim Behrens betonte. „Der Willkür der Verbände ist mal wieder ein Riegel vorgeschoben worden“, ergänzte Anwalt Lambertz.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung kann der DVV Berufung einlegen. Ob die Auseinandersetzung in die nächste Instanz geht, ist allerdings offen. Derzeit wolle man sich nicht äußern, betonte Hildebrand. Man warte die schriftliche Urteilsbegründung ab, „danach werden wir uns sorgfältig damit auseinandersetzen und gegebenenfalls weitere Schritte einleiten“. Eine weitere Hausaufgabe hat der DVV von Lambertz schon mal mit auf den Weg bekommen: „Die Frage ist doch, ob ein Verband für seine Athleten da sein sollte oder die Athleten für den Verband.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“